Ein Blick in die Gernsbacher Frauengeschichte

Umbruch – Aufbruch – Veränderung

Dem Thema Umbruch – Aufbruch – Veränderung ist man zu Jahresanfang ja aufgeschlossen. Gute Vorsätze begleiten uns, der Jahreswechsel mit seinen ruhigen Phasen gibt uns Zeit, sich zu besinnen, was steht in diesem Jahr an, was möchte ich bewegen?

So behandelte der Vortrag anlässlich des Jahreseröffnungs-Frühstücks des Katholischen Deutschen Frauenbunds Gernsbach Frauen in der Geschichte Gernsbachs. Seit fast 10 Dekaden existiert nun der Frauenbund in Gernsbach und so wählte ich für jede dieser Dekade eine Frau, anhand der die Zeit und die besondere Rolle der Frau dargestellt werden sollte. 

Diese Auswahl ist sicherlich keine repräsentative objektive Auswahl, sondern meine persönliche Wahl von außergewöhnlichen Frauen, die in den vergangenen zehn Dekaden etwas bewegt haben. Dabei werden nicht nur sogenannte starke Frauen vorgestellt, sondern Frauen, die in eurem Kreis für die Gemeinschaft und für ein gutes Miteinander eingetreten sind – mal mit großen Gesten, mal mit kleinen Gesten, mal mit arbeitsamer Hand, mal mit bewegenden Ideen.

Die Auswahl der Frauen, die ich vorstellen möchte, orientiert sich zum einen an dem Zeitfenster: da ich mich bei euch im Frauenbund bewege, habe ich die Gründungsdatum des Frauenbunds an den Anfang gestellt. Und als Schlusspunkt den Jahreswechsel 2020.

Wir stehen heute ja am Beginn einer neuen Dekade, dies hat mich dazu geführt, dass ich die Zeit seit Bestehen des Gernsbacher Frauenbundes in Dekaden eingeteilt habe und 10 Frauen aus den einzelnen Epochen gesucht habe. Vielmehr habe ich zehn Frauen herausgepickt, die in den vergangenen 100 Jahren entweder Trägerin einer Veränderung in unserem religiösen bzw. gesellschaftlichen Leben hier vor Ort gespielt hat oder einen Wandel herbeigeführt hat. Dabei wollte ich keinen Wert darauf legen, ob sie im Rampenlicht standen oder im Verborgenen oder im Kleinen gewirkt haben. Es sollten Frauen sein, deren Handeln von ihren christlichen Glauben bestimmt war. Unabhängig von Stand und Stellung haben sie wesentlich zu unserer heutigen Situation beigetragen. Wir wären heute nicht hier, wenn sie nicht gewesen wären. Allerdings möchte ich nicht in die althergebrachte Kerbe hauen und ein Frauenbild hochhalten, das vor allem von Männern in der Vergangenheit geprägt wurde. Nicht um starke Frauen sollte es gehen, die als phänomenale Ausnahmeerscheinung von sich reden machen. Sicher gab und gibt es Frauen, die begabt und willensstark sind. Aber das ist ja nicht das Wesentliche, das ist keine Sensation für weibliche Eigenschaften und eher bestimmt von den polarisierten Rollenleitbildern von Mann und Frau. Ganz in dem Sinne, in dem ich diese Frauengestalten ausgesucht habe, möchte ich gleich mit der ersten Dekade anfangen, nämlich aus den 1920er Jahren.

Der Gernsbacher Frauenbund ist 1928 gegründet worden. Ich möchte aber gar nicht die 1. Vorsitzende, Frau Amtsgerichtsrat Helene Schleyer, in den Mittelpunkt der Betrachtung über die 20er Jahre stellen, sondern die Gründungsmitglieder. Denn immerhin erklärten 76 Frauen, die der Gründungsversammlung beiwohnten, ihre Mitgliedschaft. Das muss man sich mal vorstellen. In einer Zeit, in der Männer die dominierende Rolle im gesellschaftlichen Leben spielten, machen sich Frauen auf, einen eigenen Verein zu gründen. Dazu kam, dass die Zeiten Ende der 1920er Jahre nicht einfach waren. 1929 brach die Weltwirtschaftskrise aus. Wenn auch das Anliegen von Pfarrer Ernst Bernauer, der 1927 nach Gernsbach kam und offen bekannte „Wenn ich die Frauen habe, habe ich die Familien“ und auf ein reges Gemeindeleben hoffte, so war die Zeit reif für gesellschaftlichen Wandel, in dem Frauen eine zunehmend bedeutendere Rolle spielten. Unter den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der zwanziger Jahre kamen die Frauen in Situationen, auf die sie nicht vorbereitet waren, die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Veränderungen waren grundlegend. Und dennoch fanden sich 76 Frauen in unserer Gemeinde, die gemeinsam diesem Wandel entgegensahen.

In dem weiteren Vortrag wurden neun markante Persönlichkeiten, die in der Entwicklung der Frauen in der Gernsbacher Gemeinde eine Rolle gespielt haben, vorgestellt.

Dem Vortrag ging ein einfühlsamer Gottesdienst voraus, der sich mit dem Thema “Glocken” beschäftigte.

Im Anschluss lockte ein abwechslungsreiches Buffet zum gemütlichen Ausklang des Vormittags.

 
Text: Regina Meier
Fotos: Eva Agrawal