Zweite Stolperstein-Verlegung in Gernsbach

Eindrucksvolle Gedenkfeier für Euthanasie-Opfer

Vorbereitung für die Verlegung des Stolpersteins in der Storrentorstraße.

Das Scharren der Kieselsteine war noch zu hören, als die Musik „Ghetto“ bereits erklang. Bei der Verlegung der Stolpersteine in der Altstadt von Gernsbach hatte der Künstler Gunter Demnig bereits mit dem Freilegen der Vertiefung für den Stolperstein begonnen, als noch die Musik für die Umrahmung der Gedenkfeier spielte.

Anfang März fand die zweite Verlegung von Stolpersteinen in Gernsbach statt. Dieses Mal wurde Opfern der Euthanasie-Programmen der Nazis gedacht, die aufgrund ihrer geistigen Konstitution sterben mussten. Nun erinnern vier Stolpersteine an Luise Geiger in der Storrentorstraße 3, an Ludwig Schneiderhan in der Hauptstraße 45, und an die Brüder Albert Gebhard und Karl Gebhard in der Schlossstraße 8. Sie wurden 1940/41 im Rahmen der sogenannten T4-Aktion ermordet. Dieses Programm wurde nach dem Ort der Planungszentrale der Morde an Menschen mit Behinderungen und mit psychischen Krankheiten, Tiergartenstraße 4 in Berlin, benannt.

Gunter Demnig (ganz links) verfolgt die Gedenkfeier am Metzgerplatz, bevor er zur Verlegung des nächsten Stolpersteins geht.

Gerold Stefan, Lehrer an der Musikschule Gernsbach, hatte die passenden Musikstücke für die Feier ausgesucht. Er spielte mit seiner Klarinette das Adagio von Friedrich Demnitz, „The Blessing Nigun“ von Jerry Sperling, „Jenseits der Stille“ von Niki Reiser und das Stück „Ghetto“.

Eindringlich verhallten die Melodien auf dem weiten Metzgerplatz. Dort hatten sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger Gernsbachs versammelt, um den Opfer der Euthanasie-Programme der Nationalsozialisten zu gedenken.

Michael Chemelli, Bürgermeister-Stellvertreter, fand die passenden Worte, um an das unfassbare Geschehen um die Opfer der NS-Euthanasieprogramme zu erinnern. Er betonte in seiner Einführung, dass es heute die Pflicht von uns allen ist, daran zu arbeiten, dass sich ein solches Geschehen niemals wiederholt. Besonderen Dank sprach er an Stadtarchivar Wolfgang Froese aus, dessen Recherchen es zu verdanken ist, dass an die vier getöteten Gernsbacher erinnert werden kann. Bislang war wenig über die Ermordung von behinderten Menschen aus Gernsbach bekannt, daher bedurfte es grundlegender Archivarbeit, die Details und Hintergründe über den Abtransport zu finden.

Bereits zum zweiten Mal verlegt Gunter Demnig Stolpersteine in Gernsbach.

„Ich bin Ludwig Schneiderhan“, begann die Darstellung der Einzelschicksale der vier Opfer durch Schülerinnen und Schüler der Realschule Gernsbach. Unter der Leitung ihrer Lehrerinnen Elvira Schulz (Geschichte) und Johanna Wilhelm-Lang (ev. Religion) hatten sie sich in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv auf diese Gedenkfeier vorbereitet. Lea Clausen, Sara Oertel, Elias Schmidt und Alica Herzog hatten die Texte, mit denen sie das Schicksal der jeweiligen Person vorstellten, in der „Ich-Form“ geschrieben und vermittelten somit eindringlich, dass sie sich intensiv auf diese Gedenkfeier vorbereitet hatten. Die Anwesenden waren betroffen von den Texten, weil sie auch in beklemmender Weise deutlich machten, wie sehr die Menschenwürde im Dritten Reich mit Füßen getreten worden war. Mit der Beteiligung der Schülerinnen und Schüler wurde ein Kern-Ziel des Gemeinderats-Beschlusses zu den Stolpersteinen umgesetzt. 2019 hatte das Gremium einstimmig beschlossen, zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus sich der Stolperstein-Aktion anzuschließen und insbesondere die örtlichen Schulen zur Pflege und kontinuierlichen Erinnerungsarbeit einzubinden.

Rita und Hans-Joachim Scholz, Pfarrer i.R. der evangelischen Gemeinde, sprachen in Anwesenheit von Dekan Josef Rösch ein Gebet. 

Teilnehmer der Gedenkfeier legten Blumen nieder an den Stolpersteinen.

Gemeinsam mit Mitarbeitern vom Bauhof zog der Künstler Gunter Demnig vom Metzgerplatz in die Schlossstraße 8 weiter, wo die beiden Stolpersteine für die Brüder Albert und Karl Gebhard verlegt wurden. Anwohner legten später Blumen an den einzelnen Stolpersteinen nieder.

Regina Meier

Dieser Beitrag erschien im “Gernsbacher Boten” 1/2022 im Casimir Katz Verlag am 6. April 2022

 

Geschichte des Hauses Jahnstraße 7

Holzfertighaus mit Geschichte

Wenn in diesen Tagen die Kinder in die Kinderkrippe in die Jahnstraße 7 einziehen, beginnt ein neuer Abschnitt in der über 80-jährigen Geschichte des Hauses.

1939 nannten Familie Abel ihr Wohnhaus in der Gartenstraße 7 liebevoll “Fässle”. Foto: Abel, privat

Auf den ersten Blick sieht man diesem adretten Haus nicht an, dass es ein Stück Gernsbacher Wirtschaftsgeschichte verkörpert. Errichtet wurde es 1936 – und zwar als Musterhaus der Firma Katz & Klumpp. Dieses Haus ist eines der Musterhäuser der Fertighausabteilung des einstigen Unternehmens in der Bleichstraße.

Bereits nach dem Ersten Weltkrieg fertigte Katz & Klumpp Gewächshäuser auf dem Areal in der Bleichstraße. Daraus entstand eine eigene Abteilung: die Holzbauabteilung, kurz Hoba genannt. Der damalige Unternehmensleiter Helmuth Katz (1891-1969) hat nach dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise die Holzverarbeitung um ein neues Geschäftsfeld erweitert.
Er hatte auf seinen Reisen durch Schweden die Fertigung von Fertighäusern gesehen. Zuerst lief das Geschäft langsam an, zuerst wurden Holzbaracken hergestellt. Nachdem die anfänglichen Probleme überwunden waren – denn in Deutschland war diese Art zu bauen, noch unbekannt: die Versicherungen machten Schwierigkeiten, die Banken waren nicht bereit, diese Häuser mit Hypotheken zu beleihen – lief die Produktion auf vollen Touren.

Blick auf das Sägewerk Katz & Klumpp um 1928.

Anfangs der dreißiger Jahre waren es 20 bis 30 Häuser pro Monat. Die Herstellung der Häuser war sehr lohnintensiv. Das bedeutete, dass in Gernsbach bis zu 450 Arbeitskräfte damit beschäftigt waren.
Das Schnittholz dazu wurde in den Sägewerken von Katz & Klumpp in Weisenbach und Gernsbach geschnitten, es wurde aber auch Holz aus benachbarten Sägewerken zugekauft. Im Gernsbacher Hobelwerk – die Holzhalle, die in diesem Frühjahr auf dem Pfleiderer Areal abgerissen wurde – standen große Hobelmaschinen und eine Schreinerei. In der Montagehalle wurden die einzelnen Elemente im Akkord zusammengefügt. Schon damals erkannte man, dass eine konsequente Normierung eine wesentliche Bedingung für die kostengünstige Fertigung darstellt.

Nach Kriegsende beschlagnahmten die Franzosen erst mal die Produktion in Gernsbach. Die Holzbauabteilung wurde von Nona Mayer-Katz übernommen. Ihre guten Französisch-Kenntnisse und die guten Beziehungen zur Besatzungsmacht machte die Abwicklung dieser Reparationspflichten um vieles einfacher. Es wurden Holzhäuser für den Wiederaufbau in Frankreich gefertigt. Dies hatte oberste Priorität. Und die Zahl der Beschäftigten wuchs auf 600. Etwa 50 Häuser wurden monatlich nach Frankreich geliefert.

Die Hobelhalle von Katz & Klumpp.

Allerdings erfuhr diese Ausfuhr von Fertighäusern nach der Währungsreform 1948 einen radikalen Einschnitt. „Von heute auf morgen gab es kein Geschäft mit Holzhäusern mehr“, hielt Dr. Casimir Katz in seinen Erinnerungen „Der Kampf um die Firma“ fest. Die plötzliche Auftragseinbruch brachte auch eine kuriose Situation mit sich. Die letzte Bestellung der Franzosen lautete über 150 Häuser, von denen man bereits einige Teile gefertigt hatte. „Nun saß man mit 137 fertigen rechten Giebeln, aber keinem linken Giebel da“, geht es in den Erinnerungen weiter. In den nächsten Jahren konnten diese auch nicht mehr verarbeitet werden, weil in Deutschland niemand Geld hatte, sich ein solches Haus zu leisten. Zwei der Häuser wurden noch errichtet: beide stehen heute noch in Gernsbach, eines davon steht in der Austraße, das Modell Typ Gernsbach I steht in der Friedrichstraße.

Ein rares Dokument der letzten Phase der Hoba-Abteilung findet sich im Hauptstaatsarchiv in Freiburg. Dort ist festgehalten, dass sich im Jahr 1950 die Fa. Katz & Klumpp darum beworben hatte, Holzhäuser für den Vatikan zu liefern. Doch dieser Auftrag kam nicht mehr zustande.

1954 erfolgte die Auflösung der Hoba-Abteilung. Das bedeutete das Aus nicht nur für einen zukunftsträchtigen Fertigungsbereich, sondern auch für viele Beschäftigte. Die Arbeitskräfte wechselten zur Bierglasuntersetzerfabrik nach Weisenbach oder zu Daimler-Benz. Die Pläne, die Holzbau-Abteilung in eine Wohnbau-Abteilung großen Stils umzurüsten, wurden nicht weiter verfolgt. Der Plan hatte vorgesehen, der Holzabteilung ein Betonwerk und eine Abrichterei von Metallbestandteilen anzugliedern. Doch diese Pläne wurden nicht umgesetzt: 1954 wurde die Fertigungsstätte der Hoba zum Betonschwellenwerk umgebaut.

Lange Tradition als Wohnhaus

Das Haus in der Jahnstraße 7 wurde von Katz & Klumpp als Wohnhaus gebaut. Ende der dreißiger Jahre wohnte darin der Sohn des Prokuristen und Oberbuchhalter Gustav Abel sen. mit seiner Frau Gogi. Damals hieß die Adresse noch Gartenstraße 7. Erst 1952 wurde auf Antrag des Turnvereins Gernsbach die Umbenennung in Jahnstraße vollzogen. Gleichzeitig wurde die Genehmigung erteilt, ein Jahn-Denkmal an dem damaligen Progymnasium zu errichten.

Das Haus wurde 2020 umfassend renoviert. Foto: SPIELWIESE GmbH

Die Kriegsereignisse schrieben die Geschichte des Hauses weiter: Gustav Abel jun. war als Dolmetscher in der Wehrmacht eingesetzt und konnte die Familie seiner Frau, die aus Düren stammte, vor den Bombardements des Ruhrgebiets retten. Sie fanden Zuflucht in dem Haus am Bachgarten. Nach Kriegsende beschlagnahmten die Franzosen das schmucke Haus, erst 1957 wurde es wieder freigegeben.

Die Stadt Gernsbach, die seit 1963 Eigentümer des Hauses ist, hat dieses Haus zu Wohnzwecken vermietet. In den letzten Jahren wurde es als Anschlussunterkunft für Flüchtlingsfamilien genutzt. Einen prominenten Mieter hatte das Haus gleich zu Beginn der städtischen Ära in dem Haus: der katholische Pfarrer Heinz Marbach, der als junger Pfarrer 1964 nach Gernsbach kam, war kurz danach obdachlos, da ein Brand das Pfarrhaus vernichtet hatte und er erst mal eine Bleibe suchen musste. So zog er zum 1. Februar 1965 in das Haus ein, das nicht weit zu der Liebfrauenkirche liegt, und fand dort bis zur Fertigstellung des neuen Pfarrhauses sein Zuhause.

Nach der Renovierung 2020 erstrahlt das historische Bauwerk wieder in voller Pracht. Foto. SPIELWIESE GMBH

Nach der Sanierung des Hauses 2020 erstrahlt das Gebäude in neuer Pracht und sieht einer lebendigen Zukunft entgegen. Dank der umfassenden Renovierung der Innenräume, den Einbau einer Fluchttreppe, einer energetischen Sanierung und eines neuen Daches wurde ein modernes Heim für die neue Kinderkrippe geschaffen. Träger der Einrichtung ist die Spielwiese gGmbH. Die Gesellschaft, mit Sitz in Baden-Baden, unterhält weitere Einrichtungen in Gaggenau, Muggensturm und Rastatt. Dazu gehört auch der Waldkindergarten Gernsbach im ehemaligen Naturfreundehaus unter Leitung von Florian Kreuzer. Mit der Einrichtung kommt die Stadt Gernsbach dem Ziel, ausreichend Kinderkrippenplätze anzubieten, einen Schritt näher.
Gleichzeitig wird auch ein Relikt Gernsbacher Industriegeschichte vor dem Verschwinden bewahrt.

Regina Meier

Dieser Beitrag erschien im “Gernsbacher Boten” 3/2020 im Casimir Katz Verlag am 15. September 2020

Ein Blick in die Gernsbacher Frauengeschichte

Umbruch – Aufbruch – Veränderung

Dem Thema Umbruch – Aufbruch – Veränderung ist man zu Jahresanfang ja aufgeschlossen. Gute Vorsätze begleiten uns, der Jahreswechsel mit seinen ruhigen Phasen gibt uns Zeit, sich zu besinnen, was steht in diesem Jahr an, was möchte ich bewegen?

So behandelte der Vortrag anlässlich des Jahreseröffnungs-Frühstücks des Katholischen Deutschen Frauenbunds Gernsbach Frauen in der Geschichte Gernsbachs. Seit fast 10 Dekaden existiert nun der Frauenbund in Gernsbach und so wählte ich für jede dieser Dekade eine Frau, anhand der die Zeit und die besondere Rolle der Frau dargestellt werden sollte. 

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Unvergessliches Erlebnis: Denkmalnacht in Gernsbach

Von Gernsbachern für Gernsbacher: die Denkmalnacht
am 14. September 2019

Die Gernsbacher Denkmalnacht war ein Höhepunkt in den Feierlichkeiten zum 800-Jahr-Jubiläum der Stadt. Wichtige Gebäude der Altstadt wurden illuminiert und zeigten sich wortwörtlich in neuem Licht. Bei lauen herbstlichen Temperaturen im Schein des Vollmondes zogen zahlreiche Besucher vom Katzschen Garten bis hoch zum Storchenturm und folgten einer Kette von bunten Kerzen.

Bürgermeister Julian Christ eröffnete die Denkmalnacht, gemeinsam mit der Biedermeiergruppe, den Hördener Herolde und dem Arbeitskreis Stadtgeschichte.

Bürgermeister Julian Christ eröffnete gemeinsam mit Dr. Irene Schneid Horn und Regina Meier vom Arbeitskreis Stadtgeschichte die Veranstaltung „Schau mal, hör mal, denk mal“. Flankiert von der Biedermeier-Gruppe und angezogen von den Fanfarenklängen der Hördener Herolde hatten sich bereits zum Auftakt des Abends zahlreiche Besucher vor dem Kornhaus versammelt.  

Das Konzept des Veranstalters, der Stadt Gernsbach, das unter Mitarbeit des Arbeitskreises Stadtgeschichte entstand, wurde überwältigend angenommen. Über ein Jahr dauerten die Vorbereitungen für dieses Event, in der sich die Aktiven in mehreren Sitzungen über Gestaltung und Ablauf einbrachten. Etwa 40 Gruppen waren an der Durchführung beteiligt. Für alle überraschend waren der rege Zuspruch der Besucher und die Lichtpracht, in der die Denkmäler erstrahlten.

Vor jedem der zwölf Stationen war ein Licht-Punkt installiert und informierte über das Programm des jeweiligen Ortes. Viele Besucher waren allerdings schon mit einem festen Plan gekommen, den sie sich dank des frühzeitig erschienenen Flyers zusammengestellt hatten. Die Begeisterung der Besucher, durch die Gassen der Altstadt zu schlendern und die kulturellen Beiträge zu genießen, war überall zu vernehmen. An allen Ecken trafen sich die Menschen, tauschten sich über den nächsten Programmpunkt aus. Es gab auch jene, die zielstrebig durch die Gassen stürmten, da sie die nächste Aufführung nicht verpassen wollten. Doch Eile war nicht angebracht, denn spätestens hinter der nächsten Kurve traf man Bekannte und verweilte im Gespräch.

Denkmäler sind nicht nur ein Ausdruck von Geschichte, vielmehr entfalten sie ihre ganze Bedeutung, wenn sie mit Leben gefüllt werden. Und dazu gabs bei der Gernsbacher Denkmalnacht genügend vorzeigbare Beispiele: Szenenspiele, Chorgesang, Vorlese- und Mitmach-Aktionen wurden den Besuchern geboten.

Alleine die Musikrichtungen, die an diesem Abend in Gernsbach präsentiert wurden, werden sich in der Dichte nicht so schnell wiederholen:

Vor dem Kornhaus war der Chor Salt o vocale zu hören.

Der Chor Salt o vocale unter Leitung von Achim Rheinschmidt war vor dem Kornhaus zu hören. Im Katzschen Garten bot der Chor Ucelli Canori, geführt von Irmgard Löb-Spöhr, Lieder aus Pop, Rock, Gospel und Musicals. Das Trio CAN – Claudia und Anne Dresel und Nela Samuelis – hatte ein ganz besonderes Repertoire an schaurigen Liedern zusammengestellt und präsentierte dieses im historischen Kellergewölbe am Stadtbuckel. Musica Antiqua mit ihren mittelalterlichen Klängen und keltischer Folklore sowie die alpenländischen Stubenmusik der Gruppe BriMaTonVoka unter Leitung von Brigitta Herzog zogen die Zuhörer im Alten Rathaus in Bann. In den Kirchen gabs Orgelmusik, und in der St. Jakobskirche spielte das Kammerorchester Werner Roth.

Ucelli Canori im Katzschen Garten

Im Katzschen Garten hatten sich Tanja und Jürgen Illig auf die Begrüßung der Gäste vorbereitet und sorgten mit zahlreichen Fackeln für ein stimmungsvolles Ambiente. Wahre Menschentrauben interessierten sich für die Führungen zu den Kleinoden des Gartens.

in Nachtwächter wachte über die Sicherheit in den Gassen. Rudi Seifried hatte sich spontan bereiterklärt, diese Rolle zu übernehmen und verkündete stilecht und eindrucksvoll den jeweiligen Wächterruf: „Hört ihr Leut und lasst euch sagen…“

Türmwächter am Storchenturm

In die Rolle der Turmwärter schlupften an diesem Abend Christoph Gerber und Gerhard Seidel. Angekündigt durch Fanfarenklänge der Hördener Herolde, die in der ganzen Stadt zu hören waren, wechselten sie stündlich wortgewandt ihren Dienst am Storchenturm. Sie gaben in einem launigen Dialog einen Einblick in ihre einst wichtige Aufgabe für die Stadt.
Im Alten Rathaus führte der Historienstadl Gernsbach die überlieferte Geschichte über die Hexe von Gernsbach aus dem 17. Jahrhundert auf, die Dr. Cornelia Renger-Zorn in Szene gesetzt hatte.

Vor dem Kornhaus diskutierten Ernst Ludwig Posselt und Friedrich Weinbrenner in einem fiktiven Gespräch über die Probleme des 18. Jahrhunderts, dargestellt von Wolfgang Froese und Dr. Ulrich Schumann in historischen Gewändern.

Großer Andrang herrschte bei den Führungen in den Kellern Hauptstraße 28, dem Wolkensteinschen Keller und den Zehntscheuern.

Reger Besuch in den Zehntscheuern.

Die Bewirtungs-Crew in den Zehntscheuern hatte alle Hände voll zu tun, dem Andrang der Besucher gerecht zu werden. Die Führungen in den frisch renovierten Scheuern mussten reglementiert werden. Ebenso ging es in der Hauptstraße 23 zu. Dort hatten Annegret Kavelage und Sabine Giersiepen den Kunstraum und den Durchgang zur Amtstraße ansprechend ausgeleuchtet. Einen wahren Zustrom von Interessierten fanden die Aktivitäten im ausgeräumten Kellergewölbe. Die stündlichen Aufführungen des Gesangstrios CAN im Wechsel mit der Geschichtenerzählerin Brigitte von Hattem hatten regelrecht Magnetwirkung am Stadtbuckel.

Das Marienhaus erstrahlte mit blau-roten Spots.

Auch die Jüngeren kamen auf ihre Kosten, wie beispielsweise beim Basteln in der ehemaligen Nähstube des Marienhauses. Die Bücherei hatte sich auf ihre Herkunft besonnen und bot eine Nähaktion für Groß und Klein. Bei älteren Gernsbacher wurde die Erinnerung wach, wie sie hier einst von der Nähschwester unterrichtet wurden.

Eine Entdeckung für viele Besucher war der geöffnete Wolkensteinsche Hof. Hier sorgten die Bleichhexen mit ihrer Bewirtung in dem weitläufig, privaten Innenhof, der von früheren Altstadtfesten noch vielen Gernsbachern in Erinnerung war, für einen willkommenen Ruhepol in dem schrittintensiven Abklappern der Denkmalnacht-Aktionen.

Dort fanden die Vorlese-Aktionen in der rustikal dekorierten Scheune zahlreiche Zuhörer. Für eine knappe halbe Stunde ließen sie sich in die Welt von Hexen und Geistern entführen. Janina Bender, Katja Weißhaar und Petra Bender-Rheinschmidt hatten dazu spannende und lustige Geschichten ausgesucht.

Das Basteln eines echten Hexenbesens faszinierte die Jüngsten. Dabei konnten sie selbst Hand anlegen, der Hexenbesenmeister Mijo Bukovic unterstützte sie mit urigen Holzbengel und Besenginster. Ein mystischer Tanz mit Licht und wallenden Gewändern hatte Frauke Leupolz vorbereitet und zog die späten Besucher in Bann.

Zur Erfrischung gabs Apfelsaft, vor Ort frisch gepresst von der Süßmostgruppe Gernsbach, auch hier konnten interessierte Kinder aktiv mithelfen. Viele machten im Wolkensteinschen Hof kurze Rast, bevor sie den Rest des Stadtbuckels erklommen und die Attraktionen in der Liebfrauenkirche genossen.

Die Aufführung der Antiphonen fand in der Liebfrauenkirche statt.

Dort hatte Holger Becker, Organist, ein spannendes musikalisches Repertoire zusammengestellt. Die zahlreichen Besucher, die für ein volles Kirchenschiff sorgten, honorierten diese besonderen Darbietungen. Sicher war die Aufführung der Antiphonen ein Höhepunkt in der abendlichen Programmgestaltung der Liebfrauenkirche.

Das als Makulatur verwendete Doppelblatt eines klösterlichen Antiphonalbuches aus dem späten 13. Jahrhundert ist die älteste Handschrift im Gernsbacher Stadtarchiv. Eine Auswahl der daraus notierten Antiphonen wurde durch eine Schola unter Leitung von  Holger Becker gesanglich vorgetragen und das zur Besichtigung ausgestellte Originalpergament hörbar gemacht.

Außerdem hatte der Organist zu „Gothic pipes“ eingeladen und wurde jeweils mit einem gefüllten Gotteshaus für diese Aktion honoriert. Bekannte und weniger bekannte Orgelstücke tauchten zusammen mit entsprechender Illumination die gotische Liebfrauenkirche in eine bisher eher unbekannte Sphäre. Dazwischen sorgten Impulse von Stefan Major, Pastoralreferent der Katholischen Seelsorgeinheit Gernsbachs, für nachdenkliche Momente. Diese trug er zu Projektionen von Weltraumbildern vor, die von Stefan Hahne, Hobby-Astronom, zur Verfügung gestellt wurden und tiefe Einblicke in das Universum ermöglichten.

Ein abwechslungsreiches Programm war in St. Jakob geboten. Die Beleuchtung des Deckengemäldes hatte Walter Westhoff übernommen. Friedemann Schaber eröffnete und beschloss das musikalische Programm des Abends mit seinem Orgelspiel. Burgel Löwenthal bot zu später Stunde an der Orgel Abendlieder zum Mitsingen: „Nun ruhen alle Wälder“. Klezmer Musik präsentierten Sarah Haist mit Hansjörg Wallraff, während Werner Roth mit seinem Kammerorchester und Irene Jung mit ihrer Gruppe Musica Antiqua für weitere markante Programmpunkte an diesem Abend sorgten. Pfarrer Hans-Joachim Scholz trug Nachdenkliches zu den Musikdarbietungen vor.
Die breit gefächerten kulturellen Beiträge kamen durch die professionelle Beleuchtung der jeweiligen Stationen erst so richtig zur Geltung. Merlin electronic, Ottenau, hatte unter der Regie von Roland Peuker und Team in die Schatztruhe der Illuminations-Technik gegriffen. Das Marienhaus erhielt mit blau-roten Spots eine eigene Strahlkraft. Die Zehntscheuern waren in rotes Licht getaucht und zogen zahlreiche Fotografen an, die sich diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten und diese magischen Lichtmomente einfingen.

Altes Rathaus

Im Zentrum der Beleuchtung stand das Alte Rathaus. Daran kam keiner vorbei, und die stimmungsvollen farbigen Strahler ließ das Renaissance-Palais in seiner ganzen Pracht erleuchten. Es strahlte von weitem und lud die Besucher ein, zum musikalischen Aktion mit Musica Antiqua oder Cello-Spiel des ASG. Viele nutzten auch den Abend, um dem Museum der Harmonie einen Besuch abzustatten.

Ganz besondere Akzente setzte die Beleuchtung der St. Jakobskirche. Der Storchenturm ragte hoch über die Stadtbefestigung empor, die illuminierte Stadtmauer bot eine ideale Kulisse für die schauspielernden Turmwärter. Auch das Kornhaus erstrahlte in faszinierendem Farbenspiel. 

Marktplatz-Brunnen

Die Brunnen waren mit Windlichtern geschmückt. Auch hier zeigte sich das gute Zusammenspiel der aktiven Gruppen: der Obst- und Gartenbauverein Gernsbach, die Von-Drais-Schule und die Bleichhexen hatten jeweils die Deko eines der Altstadtbrunnen übernommen.

Noch jetzt, Wochen nach diesem Spektakel, sind die Erinnerungen an den Abend sehr lebendig und tauchen in den Gesprächen der Gernsbacher immer wieder auf.

Keiner konnte alle Aktivitäten mitmachen, doch das Bestaunen der beleuchteten Denkmäler und die vielen Gespräche mit Nachbarn und Bekannten, die man schon lange nicht mehr ohne Zeitdruck getroffen hatte, machten diesen Abend für alle Besucher und Teilenehmer zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Nochmals darf ein herzliches Dankeschön an alle Aktiven ausgesprochen werden, auf den Bühnen und hinter den Kulissen, in der Verwaltung und im Bauhof, die Licht-Techniker und an die vielen Ehrenamtlichen, die zum Gelingen dieses besondern Ereignisses beigetragen haben: sie haben uns ein tolles Geschenk zur 800-Jahr-Feier gemacht, an das sich alle, die dabei waren, noch lange erinnern werden.

Text: Regina Meier
Fotos: Werner Meier

Dieser Beitrag erschien im “Gernsbacher Boten” 4/2019  im Casimir Katz Verlag am 26. November 2019


Gernsbach – Buch 1985

Packend und anschaulich wird in diesem Buch die Geschichte der Stadt erzählt. Dabei kommt auch das Gernsbach von heute nicht zu kurz: geschildert wird die Bedeutung der Stadt als Industrie-, Fremdenverkehrs- und Schulort.

Präsentation der Neuerscheinung “Gernsbach” 1985

108 Seiten, sw- und Farbabbildungen, erschienen 1985 – vergriffen
Autorin: Regina Kunitzki