Traditions-Restaurant Brüderlin ist geschlossen

Jutta Marko leitete fast 40 Jahre das Brüderlin. Foto: Meier

Jutta Marko verabschiedete sich Ende Oktober als Wirtin des Brüderlins. Seit 1984 leitete sie das Gasthaus, die ersten Jahre mit ihrem Ehemann. In der Tradition ihrer Großeltern und Eltern steuerte sie das Lokal fast 40 Jahre in ungebrochener Beliebtheit.

Mit ihrem Rückzug vom Brüderlin endet eine Ära. Jutta Marko hat den Gästen einen Raum gegeben, in dem man ganz selbstverständlich Gemeinschaft pflegen konnte, in dem man behaglich essen, trinken, diskutieren, feiern, zusammensitzen konnte. Es wird nicht nur die jahreszeitlich geprägte Speisekarte fehlen, die behagliche Stube voller Erinnerungsstücke, die selbstverständliche Anlaufstelle in der Altstadt – eine Institution in Gernsbach, die Historie und Gegenwart so gastlich verbindet. Dieser Ort bot etwas Unverwechselbares, ein Ort mit eigener Geschichte. Das Brüderlin diente nicht nur dem Konsum, sondern der menschlichen Begegnung. Es herrschte in den Stuben eine stimmige Atmosphäre, der man sich nicht entziehen konnte, eine belebende Mischung von Stammtisch- und Speiselokal.

Den Abschied hatte sich Jutta Marko nicht leicht gemacht, die Entscheidung seit Jahren vor sich hergeschoben. Sie gibt unumwunden zu: „Wenns nicht so viele schöne Stunden gegeben hätte, hätte ich viel früher aufgehört.“ Dabei konnte sie auf den Rückhalt der Familie setzen. Bruder Ernst-Ludwig Singer stand ihr stets tatkräftig zur Seite. Sohn Sigi und Tochter Manuela kamen zu besonderen Anlässen in den letzten Jahren, um ihr unter die Arme zu greifen.

Einen tiefen Einschnitt schuf die Corona Krise. Doch auch in diesen schwierigen Jahren wollte Jutta Marko nicht die Flinte ins Korn werfen. Nun ließen ihr die gesundheitlichen Einschränkungen und die Personalenge ihr nun keine andere Wahl. Mit den Ansprüchen an eine angemessene Weiterführung des erreichten Standards habe sich auch kein Nachfolger gefunden.

Das Brüderlin in einer Zeichnung von 1889.

Als Jutta Marko ihr Lokal zu Ende Oktober 2023 schloss, verloren auch 13 Mitarbeiterinnen aus sechs Nationen ihren Arbeitsplatz. Doch sie fallen nicht ins Leere, durch die langfristige Ankündigung der Beendigung des Betriebs konnten die Kräfte angemessene neue Stellen finden. Schließungen sind derzeit im Gastgewerbe kein Einzelfälle. Deutschlandweit haben sich die Anzahl der Gasthöfe von 2014 von 14.700 auf 9.100 Betriebe im Jahr 2021 verringert. Das sind fast 40 Prozent! Und die Zahl wird weiter zurückgehen. „Neben dem wechselhaften Wetter stellten 64,5 Prozent der Betriebe einen Rückgang der Gästezahlen wegen der zunehmenden Konsumzurückhaltung fest“, bestätigt der Verband des Deutschen Hotel und Gaststätten Verbandes. Dazu kommen noch die Kostenexplosion in den Bereichen Lebensmittel und Energie, Personal und die zunehmende Bürokratie, und die Sargnägel für die Gastronomie sind geschmiedet. Die Verbandsworte: “Wenn noch mehr Restaurants und Cafés verschwinden, würde der Verödung von Innenstädten weiter Vorschub geleistet werden,“ lassen sich in Gernsbach auf einen einfachen Nenner bringen: Wenn das Brüderlin als Gaststätte die Tür schließt, ist eine bedeutende Attraktion der Altstadt verloren.

Die Concession vn 1892 mit Brandweinausschank. Quelle: Famiienarchiv Brüderlin

Großvater Ernst Brüderlin übernahm 1892 das Gasthaus in der Hauptstraße. Er begründete den Betrieb einer Schankwirtschaft mit Branntweinausschank. Nach seinem Tod 1928 führte Ehefrau Julie das Gasthaus weiter. Die Zeiten des Zweiten Weltkriegs und die Nachkriegszeit waren für die Wirtsfrau und deren Tochter Julchen nicht einfach. Nach der Hochzeit von Julchen Brüderlin mit Siegfried Singer, der vom Hotel Löwen in Gernsbach rechts der Murg auf die andere Murgseite wechselte, führten sie die „Restauration Brüderlin“ weiter.

Deren Tochter Jutta trat wie selbstverständlich in die Fußstapfen ihrer Eltern und Großeltern. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Wolfgang Marko übernahm sie 1984 das Ruder in der Wirtschaft. Anfänglich war noch Vater Siegfried im Hintergrund aktiv, Mutter Julchen war bis ins hohe Alter immer im Gastraum präsent.

Historische Postkarte des Brüderlin. Quelle: Stadtarchiv Gernsbach

Jutta Marko setzt die Reihe der „starken Frauen des Brüderlin“ fort. Ihre Lehrzeit als Köchin absolvierte sie im Gasthaus Nachtigall, das damals für Wildgerichte einen hervorragenden Namen hatte. Nach ihrem weiteren beruflichen Weg im Badischen Hof Steigenberger, Baden-Baden, wo sie ihren späteren Ehemann kennenlernte, erreichte sie den Gesellenbrief mit der stolzen Note von 1,0. Doch fand sie trotzdem keine geeignete Stelle. „Damals traute man Frauen noch nicht Spitzenpositionen in der Gastronomie zu“, bekennt sie in der Rückschau.

Jutta Marko hatte immer ein Auge auf die Stadtgeschichte Gernsbachs. Hier ein Tuch aus dem Jahr 1953 mit Gernsbach-Motiven. Foto: Meier

Jutta und ihr Mann Wolfgang haben das Lokal  gewandelt. Das Ambiente behielten sie bei, die behagliche Ausstattung mit alten Stichen und historischen Ansichten von Gernsbach und Gernsbachern an den Wänden wurde weitergepflegt. Sie haben sie die Entwicklung vom Vesperlokal zum Speiselokal geschafft, wo abwechslungsreiche und saisonale Kost selbstverständlich ist. Damals wurde die täglich wechselnde Tageskarte entwickelt, nicht nur wöchentlich, wie Jutta Marko im Gespräch betonte. „Wo wird denn noch die Brühe für Suppen und Soßen selbst gekocht“, gab Ernst-Ludwig Singer bei einem Gespräch am Vormittag mit Blick in die Küche und die dampfenden Kesseln zu bedenken.

Jutta Marko hat nach dem überraschenden Tod ihres Mannes vor 23 Jahren wie selbstverständlich weitergemacht. So wurde die Gaststube zur Kinderstube ihrer Tochter Manuela und Sohn Sigi. Überhaupt fühlte man sich in der Gaststube wie in der guten Stube der Familie. Gasthaustür war auch gleichzeitig Haustür.

Wer hier eintrat, war nicht in Eile, wollte nicht einen schnellen Durst löschen oder im Stehen etwas essen. Gemächlicherer Rhythmus war angesagt.

Im Brüderlin fühlte man sich immer willkommen, gleichgültig, um welche Uhrzeit man kam oder mit wieviel Personen. Wenns ein paar mehr Leute waren, als an einen Tisch passten, wurde kurzfristig umgestellt. Unvergessen werden die vielen Nachmittagskaffees sein, in denen man nach einer Beerdigung zusammenkam. Bei diesen Anlässen wurde ganz deutlich: das Wesentliche ist das Gespräch, das Miteinander, auch in schweren Situationen.

Im Brüderlin waren sie alle zuhause: Die traditionsreichen Stammtische, die sich turnusgemäß trafen, die Puppentheater-Künstler, die Wingolfiten bei ihren Gernsbach-Treffen, die Fasentgruppen, die Feuerwehr-GruppenProbe, die Sport- und Kulturvereine. Hier wurde Partnerschaft zu Baccarat mit Leben gefüllt und über das bisschen Rauch der brutzelnden Merguez während des Altstadtfestes gelächelt.

Jutta Marko vor dem Plakat von 1977. Foto: Meier

Das Plakat „Wer Gernsbacher nicht gern hat, kann Gernsbacher gern ho“ grüßt seit über 40 Jahren im Eingangsbereich. So viele andere Kleinode finden sich an den Wänden, auf Fotos, auf den Simsen, in den Regalen. Doch dies ließe sich ja alles verschmerzen, wenn das „Brüderlin“ nicht mehr wäre als ein Raum mit vielen alten Fotos und guter Küche. Es ist das Lächeln und Willkommen von Jutta Marko, ihre unbeugsame Art, sich von Widrigkeiten nicht gleich den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen, den Freuden und Sorgen ihrer Gäste zuzuhören, eine bodenständige Antwort parat zu haben – all das wird fehlen.

Jutta Marko und ihr Bruder können sich noch gar nicht vorstellen, wie die Zeit nach der Schließung aussehen wird. Zu tief war in den letzten Jahren der Tages- und Jahresablauf auf die Gastwirtschaft ausgerichtet. Auf jeden Fall will sie sich ihren Wunsch erfüllen, Veranstaltungen in Gernsbach zu besuchen und mal am kulturellen Leben in Gernsbach teilzunehmen – diesmal nicht hinter der Theke. Mit einem herzlichen Dank an die Familie, an alle Vereine, Gruppen und Familien, die oft über Generationen die Treue zum Brüderlin gehalten haben, blättert sie gedankenversunken durch das Erinnerungsbuch. 

Bei den vielen Abschieds-Essen, die in den letzten Wochen vor der Schließung stattfanden, stand ein Thema im Mittelpunkt. „Wo treffen wir uns nach dem 30. Oktober?“ Und die Gäste, die an den runden Tischen mit ihrem prägnanten Holzplatten zusammenkamen, stellten plötzlich fest, dass das Brüderlin mehr war als ein Ort der guten Küche und zentralen Lage. Man kam hier zusammen und knüpfte oft längst verlorene Fäden. Nachbarn, die sich schon lange nicht mehr getroffen hatten, ehemalige Schulkameraden, die sich fast nicht mehr erkannten, Vereinskollegen, die man sonst nur im Vorbeigehen kurz grüßt, waren hier für ein gemütliches Gespräch offen. Nicht der Tresen wie in den modernen Kneipen ist der Mittelpunkt, sondern der Tisch aus massivem Holz. Nicht das Kommen und Gehen machte die Seele des Lokals aus, sondern das Sitzen und Zusammensein.

Jutta Marko blättert in dem Abschiedsalbum. Foto: Meier

Eine besondere Geste zum Abschied wurde von den Waldschäddern, Gernsbach, angestoßen. Sie haben eine Art Gästebuch aufgelegt, in denen man ein Grußwort schreiben durfte. Herausgekommen ist eine Sammlung der Wertschätzung der Gäste und Freunde, die sich über Jahre aufgestaut hat und oft nicht zum Ausdruck gekommen ist. Für Jutta Marko und ihre Familie birgt es einen Schatz an Erinnerungen und Dank für die Gastfreundschaft über die vielen Jahre im Haus Hauptstraße 3. Darin wird sicherlich noch lange geblättert und hält die Erinnerung an viele Gäste und Begegnungen wach. „Dies Gasthaus bleibt unvergessen / in den Annalen dieser Stadt / ist ihm ein fester Platz bemessen“, lautet ein Gedichtzeile in dem Buch. 

Ein persönlicher Abschiedsgruß von meiner Seite: In meinem Gernsbach-Mosaik fehlt zukünftig ein Stein. Ich freue mich für Jutta, dass sie eigenbestimmt ihren weiteren Lebensabschnitt gestaltet und sehe den zukünftigen Begegnungen entgegen.

Regina Meier

Der letzte Abend im Brüderlin: 30. Oktober 2023. Foto: Meier

 

Der Artikel erscheint im Gernsbacher Bote 4/2023, Erscheinungstermin: 28. November 2023

Auswanderer 1923 – mit Gernsbacher Wurzeln

Fritz Schorn (rechts) wanderte 1923 nach Amerika aus. Foto: Familienarchiv Schorn

Vor 100 Jahren wagten so manche Deutsche den Sprung über den Atlantik, um in den USA ein neues Leben zu beginnen. Die wirtschaftlichen Nöte und die politischen Instabilitäten lösten so manchen Auswanderungswunsch aus. Einer der dies umsetzte war Fritz Schorn aus Gernsbach, der als Neunzehnjähriger 1923 in das verheißungsvolle Land Amerika ging. Dort begann er ein neues Leben und gründete eine Familie im fernen Westen der USA, in Kalifornien. Dabei behielt er immer den Kontakt zu seiner Familie in Deutschland durch regelmäßige Besuche nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Erinnerungen an seine Kinder und Enkelkinder in Kalifornien weiter. Seine lebendigen Erzählungen hielt die Erinnerung an seine Kindheit und Jugend in seiner Familie lebendig. Und an ein Gernsbach wie es in den fünfziger und sechziger Jahren schon nicht mehr gab.

Fritz Schorn hielt deutsche Traditionen im fernen Kalifornien lebendig. Foto: Familienarchiv Schorn

Neben seinem Haus in San Francisco baute er ein Waldhaus in den Redwood Wäldern nahe der kalifornischen Metropole, da ihn die Landschaft dort so sehr an den Schwarzwald erinnerte. Dort bewahrte er so manches historisches Mitbringsel auf und traf sich mit anderen deutschen Auswanderern zum Binokel-Spielen und Oktoberfesten. Auch seinen Enkeln brachte er von seinen Deutschland-Reisen Dirndl und Lederhosen mit, selbst als diese schon längst nicht mehr zu den zeitgemäßen Kleidung in Deutschland gehörte. Durch seine Erzählungen schuf er die Grundlage in seinen Kindern und Enkelkindern die Verbindung zu der Familie in Deutschland nie abzubrechen – zur Freude aller jenseits und diesseits des großen Teichs.

In der BNN/BT vom 21. September 2023 wird die Auswanderung von Fritz Schorn wie auch seine Verbundenheit zu seinen Gernsbacher Wurzeln aufgegriffen. 

Schicksalsjahr 1923 – Teil 2

Im vergangenen Gernsbacher Bote 2/2023 erschien Teil 1 des Artikels über das „Schicksalsjahr 1923“. Hiermit wird der Rückblick auf das ereignisreiche Jahr vor 100 Jahren weiter fortgesetzt.

Auch für einen Gernsbacher war 1923 ein Schicksalsjahr. Der neunzehnjährige Fritz Schorn hatte seine Heimatstadt Gernsbach verlassen und war nach Amerika ausgewandert.

1922 war die Siedlung „Kolonie“ zwischen Schwarzwald- und heutiger Friedrich-Abel-Straße für die Werksangehörigen von Schoeller & Hoesch fertiggestellt worden. Quelle: Festschrift 1956 Jahre Schoeller & Hoesch

Ein wesentlicher Grund waren die schlechten Verdienstmöglichkeiten in dem von den Nachkriegswirren gebeutelte Deutschland, das politische und wirtschaftliche Existenzkämpfe erlebte. Die Inflation beherrschte das Wirtschaftsleben. Die Verdienste der Arbeiter wie auch der Beamten hielt mit den Teuerungsraten der Preise[1] nicht Schritt. So wandten sich die Lehrer der hiesigen Realschule in einem Schreiben vom Dezember 1923 an die vorgesetzte Behörde und reklamierten. Die Teuerungsraten in Gernsbach wären eine der höchsten in Baden. „Die Teuerung ist hier deshalb so groß, weil Gernsbach Industrie- und Kurort ist und in einem Verbraucherbezirk und nicht in einem Erzeugerbezirk liegt.“ Das Protestschreiben weist ebenfalls darauf hin, dass der größte Arbeitgeber am Ort, Schoeller & Hoesch, durch die firmeneigenen Werkswohnungen und der Versorgung ihrer Arbeiter mit Brenn- und Lebensmitteln viel für seine Mitarbeiter getan hat. 1922 war die Siedlung „Kolonie“ zwischen Schwarzwald- und heutiger Friedrich-Abel-Straße für die Werksangehörigen fertiggestellt worden.[2]

Viele Gernsbacher kamen jedoch nicht in den Genuss dieser Vergünstigungen. Viele verloren ihre gesamten Ersparnisse, die innerhalb kürzester Zeit nichts mehr wert waren. Selbst die Kirchengeläut in Gernsbach musste unter der Inflation leiden. Die katholische Kirchengemeinde hatte 1922 vier Glocken bestellt, die Glockengießerei stellte vor Anlieferung allerdings Nachforderungen. Stadtpfarrer Steinbach klagte: „dass die Glocken versandfertig seien, aber nicht abgeschickt würden, wenn wir nicht eine Nachforderung von circa drei Millionen Mark anerkennen würden.“  Letztlich stimmte die Gemeinde zu: „Sofort zugreifen, sonst bezahlen Sie in wenigen Tagen das Doppelte und Dreifache!“ Schließlich wurden am 23. Januar 1923 die neuen Glocken geliefert.

Durch die Inflation wurden ganze Bevölkerungsklassen enteignet, ein uraltes Vertrauen zerstört und ersetzt durch Furcht und Zynismus: „auf was war noch Verlass, auf wen konnte man bauen, wenn dergleichen möglich war“, summierte Golo Mann über diese Zeit in Deutschland.[3]

August Menges, Bürgermeister von 1919 bis 1933, erreichte in den 1920er Jahren, dass auch in Gernsbach Quäker-Speisungen ausgegeben wurden. Foto: Stadtarchiv Gernsbach

Besonders die Familien mit Kindern litten unter den Verhältnissen. Bereits 1920 war eine Kinderhilfe eingerichtet worden, eine staatliche Geldsammlung, deren Erlös Kindern aus Gernsbach, aber auch in ganz Baden zugute kam.[4] Außerdem hatte Bürgermeister Menges eine Hilfe der Quäker aus den USA erreicht. Die Quäkerspeisungen begannen bereits 1921 und unterstützten Gemeinden, „die in Bezug auf die Lebensmittelversorgung unter mißlichen Verhältnissen leiden.“ Für die Bewilligung dieser Hilfe musste zuerst eine ärztliche Untersuchung aller Kinder stattfinden, mit Größe und Gewicht.[5] Diese Listen belegen die schlechte Ernährungslage, unter der vor allem die Kinder litten. Dank der Quäker-Hilfe wurden wöchentlich Lebensmittel an die Kinder in den Schulen ausgegeben, die Unterlagen dazu finden sich noch heute im Stadtarchiv Gernsbach. 

Doch nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch befand sich Deutschland in einer Existenzkrise. Die Ruhrbesetzung und die politische Instabilität verunsicherte die Bevölkerung in ihrer Erwartung der Zukunft. So war in dem jungen Gernsbacher Fritz Schorn – wie bei vielen anderen – die Entscheidung gereift, dieses krisengeschüttelte Deutschland zu verlassen. Um nach Amerika zu gelangen, musste man einen „Paten“ im Land nachweisen.

Handgeschriebener Brief
Der erste Brief des Auswanderers Fritz Schorn aus dem Jahr 1923. Fotos (wenn nicht anders angegeben): Familienarchiv Schorn

Für Fritz Schorn bürgte sein Cousin Louis, der ihm die 110 Dollar für die Schiffs-Passage vorstreckte und im März 1923 noch 20 Dollar sandte: 10 Dollar für die Einwanderung, 2 Dollar für die Zugfahrt von Gernsbach nach Hamburg. „So werst du 8 Dollar uberich haben. Nimm gut acht von das Geld, du kannst es notwendig brauchen vielleicht“, schrieb Louis in seinem amerikanisch eingefärbten Deutsch.[6] Und einen weiteren Rat, den ihm der Cousin in den Inflationszeiten gab:  „Wechsel keinen amerikanischen Dollar, wenn es nicht notwendig ist, weil deutsches Geld ist nix wert in diesem Land.“

Zwei Männer an einer Theke
Fritz Schorn trat bereits 1927 in die US Coastal Guard ein.

Doch in Amerika erwartete ihn kein einfacheres Leben. Der hehre Wunsch, den Problemen in Deutschland zu entfliehen, folgte eine nüchterne Erkenntnis. In dem ersten Brief von Fritz Schorn, er noch in deutscher Schrift verfasste, hört man die Ernüchterung raus: „ins gelobte Land Amerika, wo Milch und Honig fließt, so man Geld hat“. „Hier muß man auch arbeiten, um Geld zu verdienen.“ Durch die Farmarbeit, die ihm sein Cousin anbot, verdiente er nicht genügend, um das geliehene Geld zurückzubezahlen. So wechselte er zu einer Fabrikarbeit, dann trat er in die US Coast Guard ein, die ihm die Einbürgerung in die USA erleichterte. Dies brachte ihn schließlich nach Kalifornien, wo er schließlich in San Francisco Fuß fasste. Dort traf er auf eine junge, deutsche Auswanderin aus Norddeutschland und gründete eine Familie. Sie kauften ein Haus in der quirligen kalifornischen Metropole. Bald folgte ein Wochenendhaus in den nahen Redwood-Wäldern, die bei ihm Erinnerungen an den Schwarzwald auslösten. Daraus wurde später sein fester Wohnsitz, noch heute wohnen seine Nachfahren dort.

Gruppenfoto von 1950
Bei dem ersten Klassentreffen des Jahrgangs 1904 nach dem Zweiten Weltkrieg, zu dem Fritz Schorn mit seiner Frau 1950 kam, wurde er herzlich willkommen geheißen. Christine Schorn mit Blumenstrauß sitzt rechts von ihrem Mann. Auf der anderen Seite Metzgermeister Anselm.

Den Kontakt zu Gernsbach hielt er sein Leben lang aufrecht. Er kam zeitlebens zu Klassentreffen des Jahrgangs 1904 und zeigte seinen beiden Töchtern in mehreren Reisen sein Elternhaus, in dem seine Schwester bis in die 1990er Jahre wohnte. Das Haus in der Waldbachstraße, das direkt an der Stadtmauer liegt, war für ihn immer Anlaufstelle bei den Besuchen in seiner Heimatstadt. In den siebziger Jahren brachte er seine Enkelinnen nach Gernsbach. Diese halten bis heute die Verbindung nach Gernsbach und den zwischenzeitlich freundschaftlich verbundenen ehemaligen Nachbarn.

Zwei Frauen sitzen vor der Kulisse von Gernsbach.
Die Enkelinnen von Fritz Schorn machten einen Besuch in der Heimatstadt des vor 100 Jahren ausgewandertn Großvaters. Foto: Meier

Bei einem kürzlichen Besuch der Enkellinen und der Ur-Enkelin in Gernsbach – fast genau 100 Jahre, nachdem ihr Urgroßvater seine Heimat verlassen hatte – ging sie den Spuren der Familie in den 1920er Jahren nach. Sie nahm nicht nur die Familien-Geschichte in Blick, es wurden auch Parallelen zu heute gesucht: 2023 werden die Angst vor der Inflation und der Kampf um Rohstoffe öffentlich diskutiert wie es 1923 an der Tagesordnung war. Allerdings – was uns als Bedrohung durch Krieg und Energiefragen derzeit beschäftigt, ist mit den Zuständen von 1923 nicht vergleichbar. Doch lohnt sich immer wieder der Blick zurück in die Vergangenheit.

Regina Meier

Der Artikel erschien im Gernsbacher Bote 3/2023, Seite 6-7

[1] Regina Meier, in: Gernsbacher Bote 2/2023 Seite 6f.
[2] Wolfgang Froese, in: Gernsbacher Bote 3/2014, S. 7f.
[3] Golo Mann, Deutsche Geschichte des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, Frankfurt 1958, Seite 679
[4] Martin Walter, Prägende Jahre zwischen den Kriegen 1914-1945, in: „800 Jahre Gernsbach – die Geschichte der Stadt“, Gernsbach 2019, Seite 207
[5] Stadtarchiv Gernsbach,  Akte  4887
[6] Familienarchiv Schorn, privat, San Francisco

Die Glocken der Liebfrauenkirche

Weithin klingen die Glocken Gernsbachs über die Stadt. In diesem Jahr kamen zu dem abgestimmten Geläut der Kernstadt noch eine weitere Besonderheit hinzu: Die Glocken der Liebfrauenkirche erklingen nun zusätzlich am Morgen und am Abend zum Gebetsläuten.

Pfarrer Markus Moser hat dies wieder eingeführt. Die Tradition reicht weit zurück in die Geschichte und hat auch noch heute in der lärmerfüllten Zeit ihre Berechtigung. Das Läuten lässt die Menschen bewusst wahrnehmen, dass es noch etwas anderes als ein gehetztes und vergängliches Erdenleben gibt. Die evangelische Jakobskirche hat über die Jahre hinweg das Mittagsläuten um 12 Uhr und das Abendläuten um 19.30 Uhr bewahrt. Nun ergänzt die Liebfrauenkirche mit dem Läuten der Glocke Heiliger Erzengel Michael um 7 Uhr das vielstimmige Geläut (außer am Wochenende). Auch das 12-Uhr-Läuten der Liebfrauenkirche wird von der Michaelsglocke bestritten. Nur beim Abendläuten kommt nach der Michaelsglocke zum Abschluss noch die Glocke Heiliger Schutzengel zu Gehör, die kleinste Glocke in dem fünfstimmigen Geläut.

Fünf Glocken in der Liebfrauenkirche

Die größte Glocke der Liebfrauenkirche ist der Namenspatronin der Kirche geweiht und zeigt in dem umlaufenden Fries Abbildungen zu den Sieben Schmerzen Marias. Hier die Flucht aus Ägypten. Foto: Meier

Insgesamt umfasst die Glockenstube der Liebfrauenkirche fünf Glocken, die jeweils einen Namen, eine eigene Inschrift und Verzierung haben[1]:
1 Maria Mater Dolorosa. Der Durchmesser der Glocke beträgt 1300 mm, Gewicht 1500 kg, Ton es. In einem umlaufenden Fries sind Bilder eingegossen, die die sieben Schmerzen Marias symbolisieren.
2 Heiliger Erzengel Michael, Durchmesser 1160 mm, Gewicht 1100 kg, Ton f. In einem umlaufenden Fries sind Bilder eingegossen, die die vier Tugenden darstellen. Deutlich zu erkennen sind eine Waage (Sinnbild für die Gerechtigkeit), eine Säule (die Stärke), Gefäße (Mäßigung: Mischung von Wasser und Wein) und ein Spiegel (die Klugheit: der kluge Mensch hält sich einen Spiegel vor, und denkt über seine Taten nach).
3 Seliger Bernhard von Baden, Durchmesser 980 mm, Gewicht 640 kg, Ton as.
4 Joseph, Durchmesser 840 mm, Gewicht 380 kg, Ton b. Sie besitzt vorne eine Inschrift. „Brüder, den guten Gott liebet, christliche Nächstenliebe übet.“
5 Heiliger Schutzengel, Durchmesser 750 mm, Gewicht 280 kg, Ton c.

Das Läuten der Glocke wird heute über eine elektrische Steuerung geregelt, die Glocken werden von Motoren angetrieben. Ältere Gernsbacher erinnern sich noch, dass bis in die 1960er Jahren die Glocken durch Seile vom Turmraum aus geläutet wurde. Der Messner Haitz musste damals noch die Uhr von Hand aufziehen und dazu mehrere Stockwerke hoch in den Kirchturm steigen, erinnern sich ehemalige Messdiener, da sie ihn bei seinem Gang begleiten durften. Im Stadtarchiv findet sich dazu ein Beleg: Immerhin erhielten die beiden Kirchendiener für das Aufziehen der Kirchenuhren und das Zeitläuten eine Entschädigung von täglich eine halbe Stunde Arbeitszeit aus der Stadtkasse bewilligt. Dies ist die Besonderheit: Während das Läuten zum Gottesdienst und Gebet kirchliche Angelegenheit ist, obliegt der Stadt die Zeitansage.[2] Auch wenn es heute nicht mehr so bedeutsam ist, dass vom Kirchturm die Zeit strukturiert wird, so ist es doch ein Symbol für die Einbindung des Menschen in die soziale, kulturelle und religiöse Gemeinschaft.

Geschichte der Glocken

Die älteste Glocke im Geläut der Liebfrauenkirche ist die Josephs-Glocke, die sich seit 1923 im Kirchturm befindet. Foto: Meier

Die derzeit älteste Glocke im Turm der Liebfrauenkirche wurde vor 100 Jahren installiert. Die Geschichte der Glocken in Gernsbach ist wesentlich älter.  Schon 1626 sind drei Glocken nachgewiesen. Die „Burger-Glocke“ wird 1774 erwähnt.[3] Aufschlussreich sind die Kostenverteilungen im 17. und 18. Jahrhundert zwischen Stadtverwaltung sowie evangelischer und katholischer Gemeinde bei den Reparaturen an den Glocken. Diese wird auch bei der Erweiterung der Liebfrauenkirche im 19. Jahrhundert dokumentiert.[4]

Ein Archivdokument von 1782 beschreibt die Kostenverteilung, als große gesprungene Glocke der Liebfrauenkirche wiederhergestellt wurde. Die Kosten dafür wurden „nach uralter Observanz“ zur Hälfte von der Stadtverwaltung, zum anderen von der Katholischen Kirchengemeinde getragen.[5]

Einschneidende Veränderung in den Glockenbestand der Stadt gab es während des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Etwa 65.000 Glocken wurden im Ersten Weltkrieg in Deutschland zu Kanonen umgegossen. Viele Kirchengemeinden betrachteten das „Glockenopfer” als einen patriotischen Akt. Glocken waren wegen ihrer Bronze kriegswichtiges Material und wurden während zuerst freiwillig abgegeben, dann zwangsweise eingezogen.

3 Glocken auf einer Ladefläche
Eine seltene Aufnahme hat die Abgabe der Glocken 1917 auf der Waage bei der ehemaligen Kelter in der Gottlieb-Klumpp-Straße dokumentiert. Foto: Familienarchiv Bohnert

Im September 1917 wurden Glocken der evangelischen und katholischen Kirche abgegeben und nach Rastatt überführt. Von der Liebfrauenkirche wurden die Glocken 1,2 und 4 mit insgesamt 1.500 kg und von der St. Jakobskirche die Glocken 2 und 3 mit insgesamt 1.500 kg eingezogen. Bereits im Dezember 1919 werden sie als „bereits zerschlagen“ vermerkt.[6]

Bei der Wiederbeschaffung, die von der Stadt aus „moralischen Gründen“ zur Hälfte finanziert wurde, wurde die Vereinbarung getroffen, dass sich die Kirchen zum „üblichen Zeitläuten verpflichten“. Am 8. Juli 1921 stimmte der Bürgerausschuss unter dem Vorsitz von Bürgermeister Menges zu, dass die Neuanschaffung der großen Kirchenglocke für die evangelische und katholische Kirche von der Stadtkasse übernommen wird.

Die protestantische Gemeinde schloss einen Vertrag mit der Firma Bachert in Karlsruhe ab, während sich die katholische für die Firma Grüninger in Villingen entschied. Beauftragt wurden von der katholischen Gemeinde vier Glocken mit Liefertermin Februar 1922. Doch die Hyperinflation der 1920er Jahre warf die Pläne über den Haufen. Während von der evangelischen Kirche bereits Weihnachten 1921 das neue Geläut zu hören war, wurden der katholischen Gemeinde im Mai 1922 erstmal Lohnnachforderungen in Rechnung gestellt. Schließlich sah sich der damalige Stadtpfarrer Karl Steinbach gezwungen, die Gemeindemitglieder zu beruhigen, die sich nach dem neuen Geläute erkundigten. „Meine Pfarrkinder wurden von Woche zu Woche ungeduldiger, aufgeregter,“ schrieb der Pfarrer. Schließlich erhielt er die Nachricht vom Glockengießer, „dass die Glocken versandfertig seien, aber nicht abgeschickt würden, wenn wir nicht eine Nachforderung von circa drei Millionen Mark anerkennen würden.“ Hintergrund war die rasant ansteigende Inflation, die eine unvergleichbare Geldentwertung zur Folge hatte. Die weiteren Verhandlungen ermöglichten es, dass  am 21. Januar 1923 es endlich soweit war. Die neuen Glocken wurden in der Liebfrauenkirche installiert.

Erneutes Glockensterben im Zweiten Weltkrieg

Der nächste Einschnitt im Glockenbestand kam mit dem Zweiten Weltkrieg. Nach einer Anordnung vom 15. März 1940 durften die Kirchenglocken nur bei Tage geläutet werden. „Von 18 bis 8 Uhr haben sämtliche Kirchenglocken zu schweigen.“ Doch diese Anordnung war bald nicht mehr von großer Bedeutung. Denn bereits im April 1940 wurden die Kirchenglocken der Stadt wieder eingezogen. Der Rohstoff wurde als kriegswichtig eingestuft. Im April 1940 dokumentiert der Meldebogen für Bronzeglocken der Kirche für die Liebfrauenkirche, dass von den vier Glocken drei abgeliefert wurden. Danach wurden die Glocken mit der Meldenummer 1, 2 und 4 mit insgesamt  abtransportiert. Nur die Josephsglocke 3 durfte bleiben. Somit ist sie heute die älteste Glocke der Liebfrauenkirche.

Foto: Familienarchiv Bohnert

Das Abliefern der Glocke wurde damals als Eingriff  in die Identität der Gemeinde empfunden. Daher ist es verständlich, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Anschaffung von neuen Glocken sehr wichtig für die Pfarrgemeinde war. Bereits 1950 wurde vom Geistlichen Rat Ernst Bernauer die Anschaffung von vier Glocken beantragt. „Die kath. Kirchengemeinde will zu der vorhandenen b’Glocke noch vier weitere Glocken mit den Tönen es-f-as-c anschaffen.“ Diesem Antrag wurde umgehend stattgegeben. Mit vielen Aktionen wurde in Gernsbach damals die Anschaffung unterstützt. So fand im Oktober 1949 ein „Seifen-Kistel-Rennen“ mit 80 kleinen Rennkünstlern zugunsten der katholischen und evangelischen Kirchenglocken statt. Als Höhepunkt des Oktoberfestes wurden „8 Große Ausscheidungs-Boxkämpfe unter der bewährten Kampfleitung von Ex-Weltmeister Max Schmeling“ veranstaltet.

Aktuelle Anpassungen

5 Glocken in der Glockenstube
Das Geläut der Liebfrauenkirche umfasst fünf Glocken. Foto: Meier

Die Anlage im Turm der Liebfrauenkirche erfuhr im Jahr 2016 eine umfassende Sanierung, dabei wurde in dem Glockenstuhl die Stahlaufhängung durch eine Holzlösung erneuert. Der Uhrenschlag ertönt von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr nachts. In den Uhrenschlag sind alle Glocken eingebunden. Hierbei übernehmen die Glocken 2, 3, 4 und 5 den Viertelstundenschlag, Glocke 1 lässt die Stunde erklingen (Westminsterschlag).

Bei seinem diesjährigen Kontroll-Besuch hat Glockeninspekteur Uwe Kühnau von der Firma Schneider aus Schonach eine weitere Änderung im Geläut der Liebfrauenkirche einprogrammiert: Seit Anfang Juli ist samstags um 17.01 Uhr das Sonntagseinläuten zu hören. Dabei kommen alle Glocken zum Klingen. Kühnau bewunderte bei seiner Arbeit im Gernsbacher Turm, dass das Geläut sehr gut aufeinander abgestimmt ist und dass auch die Anschlagstärke der Klöppel gut ins Gesamtgefüge passt. 

Der Glockenschlag in Gernsbach ist harmonisch aufeinander abgestimmt. Quelle: Andreas Diemer

Für alle, die zukünftig das Glockenläuten bewusster wahrnehmen, wird vielleicht eine weitere Dimension eröffnet: Es ruft in uns die Ewigkeit und die Zerbrechlichkeit des Lebens in Bewusstsein, wie es in dem berühmten Gedicht von Friedrich Schiller „Die Glocke“ ausgedrückt wird.[7] „Glocken sind Klang gewordene Geschichte eines Ortes“, versichert Thomas Wilhelm, der Orgel- und Glockensachverständige der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). „Wir müssen besser vermitteln, welchen Schatz wir mit den Glocken haben.”

Regina Meier

Der Artikel erschien im Gernsbacher Bote 3/2023, Seite 8-9

[1] https://www.ebfr-glocken.de, Abruf 15. August 2023

[2] Stadtarchiv Gernsbach Akte 1448

[3] Die Kunstdenkmäler des Landkreises Rastatt, Karlsruhe 1963, Seite 164

[4] Erzbischöfliches Archiv Freiburg, Kirchenbaulichkeit Amt Gernsbach, B22/8492, 1756-1832

[5] Stadtarchiv Gernsbach Akte 1448

[6] Stadtarchiv Gernsbach Akte 1448

[7] Wolfgang Vögele, Sono auribus viventium, Kultur und Theologie des Glockenläutens in Reformation und Moderne, Berlin 2017 

Zweite Stolperstein-Verlegung in Gernsbach

Eindrucksvolle Gedenkfeier für Euthanasie-Opfer

Vorbereitung für die Verlegung des Stolpersteins in der Storrentorstraße.

Das Scharren der Kieselsteine war noch zu hören, als die Musik „Ghetto“ bereits erklang. Bei der Verlegung der Stolpersteine in der Altstadt von Gernsbach hatte der Künstler Gunter Demnig bereits mit dem Freilegen der Vertiefung für den Stolperstein begonnen, als noch die Musik für die Umrahmung der Gedenkfeier spielte.

Anfang März fand die zweite Verlegung von Stolpersteinen in Gernsbach statt. Dieses Mal wurde Opfern der Euthanasie-Programmen der Nazis gedacht, die aufgrund ihrer geistigen Konstitution sterben mussten. Nun erinnern vier Stolpersteine an Luise Geiger in der Storrentorstraße 3, an Ludwig Schneiderhan in der Hauptstraße 45, und an die Brüder Albert Gebhard und Karl Gebhard in der Schlossstraße 8. Sie wurden 1940/41 im Rahmen der sogenannten T4-Aktion ermordet. Dieses Programm wurde nach dem Ort der Planungszentrale der Morde an Menschen mit Behinderungen und mit psychischen Krankheiten, Tiergartenstraße 4 in Berlin, benannt.

Gunter Demnig (ganz links) verfolgt die Gedenkfeier am Metzgerplatz, bevor er zur Verlegung des nächsten Stolpersteins geht.

Gerold Stefan, Lehrer an der Musikschule Gernsbach, hatte die passenden Musikstücke für die Feier ausgesucht. Er spielte mit seiner Klarinette das Adagio von Friedrich Demnitz, „The Blessing Nigun“ von Jerry Sperling, „Jenseits der Stille“ von Niki Reiser und das Stück „Ghetto“.

Eindringlich verhallten die Melodien auf dem weiten Metzgerplatz. Dort hatten sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger Gernsbachs versammelt, um den Opfer der Euthanasie-Programme der Nationalsozialisten zu gedenken.

Michael Chemelli, Bürgermeister-Stellvertreter, fand die passenden Worte, um an das unfassbare Geschehen um die Opfer der NS-Euthanasieprogramme zu erinnern. Er betonte in seiner Einführung, dass es heute die Pflicht von uns allen ist, daran zu arbeiten, dass sich ein solches Geschehen niemals wiederholt. Besonderen Dank sprach er an Stadtarchivar Wolfgang Froese aus, dessen Recherchen es zu verdanken ist, dass an die vier getöteten Gernsbacher erinnert werden kann. Bislang war wenig über die Ermordung von behinderten Menschen aus Gernsbach bekannt, daher bedurfte es grundlegender Archivarbeit, die Details und Hintergründe über den Abtransport zu finden.

Bereits zum zweiten Mal verlegt Gunter Demnig Stolpersteine in Gernsbach.

„Ich bin Ludwig Schneiderhan“, begann die Darstellung der Einzelschicksale der vier Opfer durch Schülerinnen und Schüler der Realschule Gernsbach. Unter der Leitung ihrer Lehrerinnen Elvira Schulz (Geschichte) und Johanna Wilhelm-Lang (ev. Religion) hatten sie sich in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv auf diese Gedenkfeier vorbereitet. Lea Clausen, Sara Oertel, Elias Schmidt und Alica Herzog hatten die Texte, mit denen sie das Schicksal der jeweiligen Person vorstellten, in der „Ich-Form“ geschrieben und vermittelten somit eindringlich, dass sie sich intensiv auf diese Gedenkfeier vorbereitet hatten. Die Anwesenden waren betroffen von den Texten, weil sie auch in beklemmender Weise deutlich machten, wie sehr die Menschenwürde im Dritten Reich mit Füßen getreten worden war. Mit der Beteiligung der Schülerinnen und Schüler wurde ein Kern-Ziel des Gemeinderats-Beschlusses zu den Stolpersteinen umgesetzt. 2019 hatte das Gremium einstimmig beschlossen, zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus sich der Stolperstein-Aktion anzuschließen und insbesondere die örtlichen Schulen zur Pflege und kontinuierlichen Erinnerungsarbeit einzubinden.

Rita und Hans-Joachim Scholz, Pfarrer i.R. der evangelischen Gemeinde, sprachen in Anwesenheit von Dekan Josef Rösch ein Gebet. 

Teilnehmer der Gedenkfeier legten Blumen nieder an den Stolpersteinen.

Gemeinsam mit Mitarbeitern vom Bauhof zog der Künstler Gunter Demnig vom Metzgerplatz in die Schlossstraße 8 weiter, wo die beiden Stolpersteine für die Brüder Albert und Karl Gebhard verlegt wurden. Anwohner legten später Blumen an den einzelnen Stolpersteinen nieder.

Regina Meier

Dieser Beitrag erschien im “Gernsbacher Boten” 1/2022 im Casimir Katz Verlag am 6. April 2022

 

Einer der ältesten Buslinien Baden-Württembergs

Mit dem Bus nach Baden-Baden

Bushaltestelle Hofstätte Gernsbach um 1910 – Foto: Stadtarchiv Gernsbach

Mit den neuen Fahrplänen zur Buslinie Gernsbach – Baden-Baden beginnt eine neue Ära im öffentlichen Nahverkehr zwischen den beiden Städten. Eigentlich hätte bereits Mitte Dezember die weitreichende Umstellung kommen sollen, doch aufgrund der Sperrungen in Loffenau wegen der Fahrbahnerneuerung treten die Änderungen erst Ende Februar 2022 in Kraft.

Hintergrund ist eine Neuordnung des Bus-Liniennetzes im vorderen Murgtal. Zukünftig wird es eine Linie X44 geben, die die Strecke Bad Herrenalb – Loffenau – Gernsbach – Selbach – Baden-Baden – Varnhalt – Steinbach – Bühl bedient und im täglichen Stundentakt von 5 Uhr am Morgen (Samstag ab 6 Uhr und Sonntag ab 7 Uhr) bis 23 Uhr verkehrt. Für den Busverkehr von Gernsbach nach Baden-Baden wird damit nach den zahlreichen Veränderungen  im Laufe der Geschichte eine neues Kapitel eröffnet. 

Eine alte Aufnahme zeigt ein Stopp bei der Fahrt nach Baden-Baden. Foto: Sadtarchiv Gernsbach

Blickt man zurück in die Vergangenheit, so kann man auf über 116 Jahre regelmäßigen Busverkehr zwischen Gernsbach und Baden-Baden blicken. Damit gehört die Busverbindung nach Baden-Baden zu den ältesten Buslinien Baden-Württembergs. Bereits 1905 hatte sich eine private „Automobilverkehr Gernsbach GmbH“ gebildet, mit dem Ziel, Kurgäste von Gernsbach nach Baden-Baden zu fahren. Es wurde eine Automobilverkehr Gernsbach GmbH gegründet. Zu dem Aufsichtsrat  gehörten Karl Max Clemm als 1. Vorsitzender, Bürgermeister Oskar Jung als Stellvertreter, außerdem Kaufmann Heinrich Popp, Bankier Gustav Dreyfuß und Hotelier Carl Brude. Zum Geschäftsführer wurde Friedrich Schmelzle gewählt. 

Am 11. Juni 1905 war es soweit: der neu gelieferte  Wagen der Süddeutschen Automobilfabrik Gaggenau mit zehn Sitzplätzen fuhr erstmals von der Haltestelle Hofstätte aus nach Baden-Baden. Laut des ersten Fahrplans konnte man zu fünf Uhrzeiten zwischen 7.35 Uhr und 19.40 Uhr nach Baden-Baden fahren, außerdem mittwochs sowie an Sonn- und Feiertagen noch um 23 Uhr. Die Gäste kamen zahlreich. Man forderte sogar Platzkarten und wünschte sich einen Schaffner, der für Ordnung sorgen sollte. Allerdings legte die Verbindung über die Wintermonate eine Pause ein.

Anzeige im „Murgtäler – Gernsbacher Bote“ von 1905 über die Eröffnung der Buslinie nach Baden-Baden. Foto: Kreisarchiv Rastatt

Bereits im September 1905 wurden die Marke von 1000-Fahrten geknackt. In einem Artikel im „Murgtäler – Gernsbacher Boten“ vom 19. September 1905 ist zu lesen: „Die 1000. Fahrt hat am letzten Sonntag das Automobil Gernsbach – Baden-Baden über den Berg gemacht. Die gemäßigte Fahrt dieses Wagens hat wohl allgemein Anerkennung gefunden, und es ist deshalb auch bemerkenswert, daß sämtliche  Fahrten, die das Auto unternahm, ohne jeden Unfall geschehen konnten. Der äußerst umsichtige Chauffeur vermied auf das peinlichste alles, was für Nicht-Autler unangenehm ist. Insbesondere ist die Überwindung der Töff-Töff-Krankheit anzuerkennen, von welcher die meistern Schnauferl-Menschen befallen werden, sobald sie das Vehikel besteigen.“  Weitere Ausführungen, wie sich diese  „Töff-Töff-Krankheit“ bemerkbar machte, fehlen in dem Zeitungsartikel.

Am Verkehrspavillon an der Stadtbrücke startete so manche Ausflugsfahrt mit dem Bus. Hier der „Ebersteiner“ bei einer Sonderfahrt zum Mummelsee. Foto: Weiser

Der „Betrieb von Fahrten mittels Motorwagen zwecks Beförderung von Personen und Gepäck“, wie die Gesellschaft ihren Geschäftsgegenstand ins Handelsregister eingetragen ließ, dehnte ihre Betätigung bald auch auf andere Routen aus, so auch Richtung Bad Wildbad und nach Freudenstadt. Außerdem wurden auch Sonderfahrten veranstaltet, auch nach Ötigheim zu den Volksschauspielen oder nach Straßburg. Die Linie florierte und die Gesellschaft konnte sogar eine Dividende auszahlen. Allerdings bedeutete der Erste Weltkrieg auch hier einen radikalen Einschnitt in die Entwicklung.  Nach dem Krieg begann die Automobilverkehr Gernsbach GmbH, in bescheidenem Maße ihre Verbindungen aufzunehmen, doch die Zeit der privaten Gesellschaften, die einzelne Linien unterhielten, war vorbei. 1926 übernahm die Reichspost die Buslinie nach Baden-Baden und wurde in eine Kraftpostlinie überführt. Bis 1983 verkehrte die Linie als Postbuslinie und danach als Bahnbuslinie. Die Busverbindungen von Gernsbach nach Schloss Eberstein wurden noch lange Jahre aufrechterhalten. Bis Mitte der 1970er Jahre gab es einzelne Fahrten über die enge, kurvenreiche Straße zum Schloss Eberstein.1989 wechselte der Betreiber durch Umstrukturierungen bei der Bundesbahn von “Bahnbus Nordschwarzwald-Südpfalz” zu “Regionalbusverkehr Südwest – Südwestbus”.

Um 1950 trafen sich am Bahnhof Gernsbach die Murgtal-Busse (vorne) und die Kraftpostlinie (hinteres Haubenfahrzeug) nach Baden-Baden. Foto Stadtarchiv Gernsbach

Eine völlige Veränderung der Fahrpläne und -routen trat 2002 in Kraft. Zur Eröffnung der Stadtbahn im Murgtal wurde der Fahrplan im Juni 2002 komplett neu gestaltet. Danach wurde ein Stundentakt (mit einem Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit) eingeführt. Gleichzeitig wurden die Fahrten über Lichtental und dem Müllenbild mit Halt an der Stadthalle eingestellt. Dabei ist zu ergänzen, dass es zuvor nur noch eine Fahrt je Richtung an Samstag und Sonntag gab. Gleichzeitig wurde auch die  Haltestelle „Gernsbach Schoeller & Hoesch“ gestrichen, denn die gesamte Bahnbuslinie parallel zur Murgtalbahn wurde eingestellt. Viele aus dem hinteren Murgtal erinnern sich gerne an diese einstige Busverbindung. Denn die Buslinie lief länger als die Zugverbindung, so dass zum Beispiel nach einem Kinobesuch in Gernsbach immer noch eine Heimfahrt murgtalaufwärts mit dem – im Volksmund genannten – „Lumpensammler“ möglich war.

2006 wurde die Haltestelle Hofstätte letztmals angefahren, die Bleichhexen griffen dies in ihrem Fasentmotto plakativ auf. Foto: Meier

Die Kürzungen der Bus-Haltestellen im Stadtgebiet gingen weiter: zu Ende 2002 entfiel die Haltestelle “Gernsbach Storchenturm”. Letztlich wurde auch die Haltestelle “Gernsbach Hofstätte” gestrichen. Sie wurde Ende Mai 2006 zum letzten Mal angefahren. Grund waren die beengten Verkehrsverhältnisse in der Gernsbacher Altstadt. Allerdings wollten nicht alle Gernsbacher dies unwidersprochen hinnehmen: so gestalteten die Bleichhexen ihr Fasentmotto in 2006 und boten mit ihrem „Hexenblitz“ eine rasante Ersatzfahrt an.  

Wenn nun in der Neuregelung der Busverbindungen im vorderen Murgtal der neue Busfahrplan im kommenden Jahr eingeführt wird, beginnt damit auch ein neues Kapitel der Verbindung Gernsbach – Baden-Baden. Und neue Fahrzeuge wird es ebenfalls geben: Die eingesetzten Fahrzeuge im Landesdesign „bwegt“ verfügen auch über  WLAN und USB-Steckdosen. Man darf auf die neuen Entwicklungen gespannt sein.  

Regina Meier

Dieser Beitrag erscheint im “Gernsbacher Boten” 4/2021 im Casimir Katz Verlag am 25. November 2021

Turmfalken setzen sich durch

Die Falken sind wieder da! Rechtzeitig zu Beginn des Frühjahrs sind die eleganten Flieger wieder in den Turm der Liebfrauenkirche eingezogen. Doch ganz so einfach war es nicht. Der Nistkasten hoch oben in der Spitze des Turmes war sehr begehrt: mehrere Turmfalken kämpften um den Einzug in den frisch gereinigten Nistkasten. Dohlen schauten diesen Nistkämpfen entspannt zu, während sich Rabenkrähen sich oftmals in die Auseinandersetzungen einmischten. Nach spannenden Flugmanövern hat sich ein Falkenpaar durchgesetzt, das nun nachhaltig ihr Zuhause bewacht. Schon allein das Beobachten dieser Nest-Wächter ist spannend. Sie beobachten von dem Ausguck vor ihrem Nistkasten die Umgebung sehr genau, sie können ja ihre Halswirbelsäule um 180 Grad drehen. So entgeht ihnen nichts, was vor ihrem Nest geschieht.
Mal abwarten, ob es auch in diesem Jahr Nachwuchs einstellt. Im Jahr 2020 konnte das Falkenpaar vier Junge großziehen.

Video Falke mit Dohlen

Video Falken kämpfen um den Nistkasten

Video Welcher Falke setzt sich durch?

Neben dem Falken-Nistkasten, der im Turm der Liebfrauenkirche von Süden her angeflogen werden kann, gibt es in östlicher Richtung eine Öffnung für einen Eulen-Kasten und in nördlicher Richtung einen für Dohlen. Vor Beginn der Nestsuche wurde dort ein neuer Nistkasten für Dohlen montiert.
Mit dieser Aktion hat die Liebfrauengemeinde die Beheimatung der seltenen Vögel nachhaltig unterstützt. Bereits vor zehn Jahren wurde sie mit der Plakette „Lebensraum Kirchturm“ vom Nabu ausgezeichnet.
Seit 2012 befindet sich dort bereits ein Nistkasten für Dohlen, angeregt von Stefan Eisenbarth und installiert von Hanspeter Schultheiß und Werner Meier. Dieser wurde nun von den Naturschutzwarten des Nabu Jutta Kastner und Ernst Krieg erneuert. Die Montage erfolgte mit Unterstützung von Klaus Detscher. Schon wenige Tage danach inspizierten die ersten Dohlen das neue Nest. Ob sie sich allerdings darin einnisten, wird sich erst im Laufe des Frühjahrs zeigen. Erste Exemplare der putzigen Krähenvögel haben bereits den Kirchturm inspiziert.

Artikel über den Bau des Dohlenkastens findet man hier

Gruppe mit Pfarrer Josef Rösch bei der Überreichung der Plakette Lebensraum Kirchturm vor der Liebfrauenkirche Gernsbach
Überreichung der Plakette “Lebensraum Kirchturm” 2011 vor der Liebfrauenkirche Gernsbach
Bereits 2011 wurde die Gemeinde Liebfrauen in Gernsbach mit der Plakette “Lebensraum Kirchtum” ausgezeichnet. Presseartikel dazu

Schnee-Runde zum Schloss Eberstein

Ein Sonntags-Spaziergang im Schnee, und zwar mit Schnee von der Haustüre ab – das gabs schon viele Jahre nicht mehr. Stetiger Schneefall begleitete unsere Tour durchs Waldbachtal zum Walheimer Hof, über den KH-Weg auf die obere Schlossstraße, weiter über die Amanda-Schau zum Schloss Eberstein und über den Eberpfad wieder zurück nach Gernsbach. Eine klassische Runde, mit der Besonderheit, die ganze Zeit im Schnee zu stapfen. Das war ganz besonders. Und machte soviel Hunger, dass nach der Wanderung die Buchstabensuppe schneller gegessen war als sich Wörter bilden ließen…
Auch bei dieser Tour begegneten wir immer wieder anderen Wanderern, dieser Schneezauber zieht viele nach draußen. Einige waren dabei fleißig und gestalteten Schneemänner – mit viel Phantasie und Gestaltungskraft.

Leuchtende Hoffnung

Die Glasfenster von Albert Birkle in der Gernsbacher St. Jakobskirche

Seit über 50 Jahren befinden sich Glasfenster des Künstlers Albert Birkle in der evangelischen St. Jakobskirche in Gernsbach. Die einzigartige Leuchtkraft dieser großen Chorfenster begeistern seither die Besucher des Gotteshauses.
Diese Fenster sind Ausdruck lebendiger Auseinandersetzung mit der Zeit, mit dem Glauben, mit dem Gemeindeleben.

In diesem Jahr erhielten die Fenster eine besondere Aufmerksamkeit: In Gernsbach wurde die Liebfrauenkirche wurde innen renoviert, von Januar bis November beherrschte ein riesiges Baugerüst das große Kirchenschiff. Bis unters Dach waren die Handwerker tätig: Maler, Steinmetze, Zimmerleute, Kunstmaler und Restauratoren gingen aus und ein. So konnten auch an Pfingsten, als die Corona-Bestimmungen wieder gestatteten, sich zu versammeln, kein Gottesdienst in der Liebfrauenkirche stattfinden. Ein Lichtblick in dieser Zeit war die gastfreundliche Bereitschaft der evangelischen St. Jakobsgemeinde, den katholischen Gemeinde in ihrem Gotteshaus willkommen zu heißen.
So erlebte die katholische wie evangelische Gernsbachs in der St. Jakobskirche im Licht des Pfingstfensters der Freude des Pfingstfestes. Gefangen von dem Licht, das durch das ausdrucksstarke Glasfenster auf die versammelte Gemeinde fiel, war es nicht mehr weit zu den Fragen, woher diese Glasfenster stammen und mehr über den Künstler zu erfahren wie über den Weg, wie die Fenster nach Gernsbach kamen.

Drei Autorinnen kamen zusammen und gehen auf die verschiedenen Aspekte der Birkle-Fenster ein.
Dr. Irene Schneid-Horn stellt die Historie der Fenster im lokalen Umfeld dar. Außerdem gibt sie einen Rückblick auf die Vorgängerfenster. Regina Meier geht den Spuren des Künstlers nach. Albert Birkle (1900-1986), in Berlin geboren mit schwäbischen familiären Wurzeln, lebte ab 1939 in seiner Wahlheimat Salzburg. Von dort aus schuf er ein umfangreiches Glaskunst-Werk, das bis nach Washington D.C., USA, reicht. Susanne Floss betrachtet die Fenster aus spiritueller Sicht und eröffnet mit Texten, Bibelpassagen und Gedichten einen Zugang zu den farbigen Kunstwerken. Werner Meier unterstreicht mit den großformatigen Aufnahmen und den Detailansichten die Aussagen der farbenprächtigen Glasfenster.

Die ansprechende Gestaltung der Texte unterstreichen die klaren und ästhetischen Aussagen des Buches.

Regina Meier / Irene Schneid-Horn / Susanne Floss
Leuchtende Hoffnung
Die Glasfenster von Albert Birkle in der Gernsbacher St. Jakobskirche
48 Seiten, großformatige 4fbg Fotos, Broschur, Format DINA4
Fotos: Werner Meier und Irene Schneid-Horn
Gestaltung: Carmen Armbrust, Achern
Verlag Am Mauergarten, Gernsbach
Erscheint: Ende November 2020
ISBN 978-3-9822487-0-7
20,- Euro

Das Buch kann bestellt werden per E-Mail an service@verlag-am-mauergarten.de oder über den Buchhandel. siehe auch Verlag am Mauergarten

80 Jahre nach der Deportation nach Gurs

Gedenken an jüdische Mitbürger

Vor 80 Jahren endet das jüdische Leben in Gernsbach. Mit dem Abtransport der letzten verbliebenen jüdischen Bürger nach Gurs findet die Ausgrenzung und Auslöschung des jüdischen Lebens durch die Nationalsozialisten in Gernsbach ihren Schlusspunkt. Neun Gernsbacher werden ultimativ von der Gestapo an dem Morgen des 22. Oktober 1940 aufgefordert, ihre Koffer zu packen und sich zum Abtransport an der Stadtbrücke einzufinden.

Auch bei Hermann Nachmann in der Bleichstraße 2 klopfte die Gestapo am 22. Oktober 1940. Foto: Privatbesitz Götz

Die Gestapo klopft an die Tür in der Bleichstraße 2 bei Hermann Nachmann, in der Bleichstraße 4 müssen sich Arthur und Erna Kahn sowie deren Schwester Hilda Dreyfuß und die beiden Töchter Lieselotte und Margarethe fertigmachen, und in der Bleichstraße 14 haben Eugen Lorsch und seinem Sohn Heinz sowie die Hausgehilfin Bertha Marx keine Wahl, dieser Anordnung zu folgen. Die Aktion findet am Morgen des letzten Tages des Laubhüttenfestes, Sukkoth, statt, einer der traditionellen Festtage der Juden, die im Kreis der Familien gefeiert werden. Die Einsatzkommandos können also davon ausgehen, dass sie in allen jüdischen Haushalten die Familienmitglieder antreffen. Innerhalb einer Stunde sollen sie sich reisefertig machen, ins Handgepäck dürfen lediglich Verpflegung für ein paar Tage, eine Wolldecke, Ess- und Trinkgeschirr und pro Person 100 Reichsmark mitgenommen werden. Von Gernsbach werden die sie mit einem Lastwagen nach Rastatt abtransportiert, dort geht es mit dem Zug in das südwestliche Frankreich, nach Gurs, einem Lager am Fuße der Pyrenäen, weiter. Über 6.000 jüdische Bürger aus Baden, Rheinland-Pfalz und dem Saarland werden im Oktober 1940 von den Nationalsozialisten in das Lager Gurs deportiert.

Heute erinnert nur wenig an das einstige Lager in Gurs.

Unvorstellbare Lagerbedingungen
Viele der Deportierten sterben dort oder in weiteren Lagern. Die Baracken verfügen weder über sanitäre Einrichtungen noch Trennwände oder verglaste Fenster. Kälte und Hunger bestimmen den Tagesablauf. Erschütternde Zeugnisse über die Situation in dem Lager sind durch einen Brief des Gernsbachers Arthur Kahn überliefert. Er schreibt an das Bürgermeisteramt und bittet um die Übersendung von Kleidern, Schlafdecken und Handtücher: „Für alles wollen wir gerne aufkommen, wir befinden uns hier mit meinen kleinen Kindern wirklich in der größten Not, so möchte ich nochmals bitten, die Zusendung auf dem bestmöglichsten, schnellsten Wege erfolgen zu lassen, ohne Rücksicht nehmen zu wollen auf die Höhe der Unkosten. Für ihre Mühe danke ich im voraus, auch im Namen meiner Frau, Schwägerin und Kinder.“ Unterschrieben mit „Arthur Kahn, einst: Gernsbach, Bleichstraße 4“.

Camp de Rivesaltes.

Arthur Kahn stirbt bald darauf, noch im Jahr 1941, 54 Jahre alt, in Rivesaltes, seine Frau Erna Kahn und ihre Schwester Hilde sowie Bertha Marx werden aus Gurs in ein Vernichtungslager, wahrscheinlich Auschwitz, transportiert und 1942 umgebracht. Die Kinder Margarethe und Lieselotte Kahn werden von der Hilfsorganisation OSE (Oeuvre de Secours aux Enfants) gerettet. Die OSE betreibt selbst einige Kinderheime in der unbesetzten Zone, sucht Angehörige der Kinder im Ausland und verhilft ihnen zur Ausreise. So gelangen die beiden Kahn-Töchter zu Verwandten in den USA. Der Jugendliche Heinz Lorsch, im Jahr der Deportation 15 Jahre alt, flieht und schließt sich der französischen Resistance an. Sein Vater Eugen Lorsch stirbt 1941 in Gurs.
Heute ist vom ehemaligen Lager Gurs nicht mehr viel übrig. Man betritt das Gelände über ein Mahnmal, das genau an der gegenüberliegenden Seite des damaligen Eingangs liegt und mit der zwei Kilometer langen Lagerstraße verbunden ist. 1963 wurde der Friedhof restauriert. Die 1.073 identischen Gräber stehen um das Mahnmal die für die jüdischen Opfer aus Gurs. Eine Arbeitsgemeinschaft badischer Städte sich für die Pflege des Friedhofs ein.

Wie konnte es soweit kommen?
Mit dem Tag der Machtübernahme Hitlers verändert sich das Zusammenleben der jüdischen Mitbürger und ihren Nachbarn von Grund auf. Seit Generationen gewachsene Gemeinsamkeiten werden zerstört, und die Diskriminierung der jüdischen Bürger wird Schritt für Schritt umgesetzt. Die Juden werden aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt: 1935 wird eine Judenkartei angelegt, die sämtliche Mitbürger jüdischen Glaubens auflistet, verdächtige Personen werden überwacht. „Kauft nicht bei Juden“ ist auch in den Geschäften jüdischer Kaufleute in Bleich- und Igelbachstraße und auf dem Marktplatz zu lesen, die Gewerbe- und Führerscheine müssen abgegeben werden. Den Menschen wird die Existenzgrundlage entzogen.
Anfänglich vollzieht sich die Ausgrenzung der Juden fast schleichend für viele unsichtbar und unbemerkt. Doch immer mehr wird die Unmenschlichkeit offenbar: so müssen nach der Reichspogromnacht alle jüdischen Kinder Gernsbachs die Schule verlassen.

Wertvolle Erinnerungsarbeit

Im Jahre 2000 fand eine eindrucksvolle Matinee anlässlich der Errichtung des ersten Gedenksteins für die Deportation der Gernsbacher Juden statt

Zum Jahrestag der Deportation am 22. Oktober wird seit 20 Jahren wertvolle Erinnerungsarbeit an die letzten jüdischen Mitbürger in Gernsbach praktiziert. Den Anstoß dazu gab der Arbeitskreis Stadtgeschichte Gernsbach. Die damaligen Mitwirkenden gestalteten einen würdigen Rahmen für die Enthüllung des Gedenksteins zur Erinnerung an die jüdischen Bürger Gernsbachs an der Stadtbrücke im Jahr 2000.
Es folgte 2008 ein weiterer Gedenkstein in einem ökumenischen Projekt von den Konfirmanden und Firmanden. Sie gestalteten mit der Steinmetzin einen Stein, dessen Zwilling in Neckarzimmern steht. Er zeigt ein Floß aus Baumstämmen, mit Flößerhaken zusammengehalten, doch links greifen die Haken ins Leere, dort ist der Stamm der jüdischen Mitbürger weggerissen, ein Verlust, der unwiederbringlich ist.

Alljährlich werden am 22. Oktober bei den Gedenksteinen Kerzen entzündet und Rosen niedergeleg.

In den vergangenen Jahren gestalten jeweils verschiedene Gruppen die jeweilige Gedenkfeier unter Leitung des Arbeitskreises Stadtgeschichte mit. Regelmäßige Teilnehmer sind Vertreter der christlichen Kirchen, der politischen Gemeinde und verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. Auch von Seiten der Schulen ist jeweils eine Schülergruppe eingebunden, die sich mit Textbeiträgen, aber auch Malereien, verzierten Kerzen oder Szenenspiel einbringt. Besonderes Gewicht erhält diese Gedenkfeier, da seit einigen Jahren Nachfahren der einstigen Deportierten die Feier besuchen. Der Teilnahme von zahlreichen Gernsbachern an der Gedenkfeier zeigt, wie wichtig den Bürgern die Erinnerung an die Opfer der einstigen Verfolgung und Diskriminierung durch die Nationalsozialisten ist.
Auch in diesem Jahr wird wieder zur 80. Wiederkehr der Deportation eine Gedenkfeier am 22. Oktober stattfinden. Aufgrund der aktuellen Corona-Situation wird der Ablauf kurz zuvor in der Tagespresse und den sozialen Netzwerken bekannt gegeben.

Regina Meier

Dieser Beitrag erschien im “Gernsbacher Boten” 3/2020 im Casimir Katz Verlag am 15. September 2020

Geschichte des Hauses Jahnstraße 7

Holzfertighaus mit Geschichte

Wenn in diesen Tagen die Kinder in die Kinderkrippe in die Jahnstraße 7 einziehen, beginnt ein neuer Abschnitt in der über 80-jährigen Geschichte des Hauses.

1939 nannten Familie Abel ihr Wohnhaus in der Gartenstraße 7 liebevoll “Fässle”. Foto: Abel, privat

Auf den ersten Blick sieht man diesem adretten Haus nicht an, dass es ein Stück Gernsbacher Wirtschaftsgeschichte verkörpert. Errichtet wurde es 1936 – und zwar als Musterhaus der Firma Katz & Klumpp. Dieses Haus ist eines der Musterhäuser der Fertighausabteilung des einstigen Unternehmens in der Bleichstraße.

Bereits nach dem Ersten Weltkrieg fertigte Katz & Klumpp Gewächshäuser auf dem Areal in der Bleichstraße. Daraus entstand eine eigene Abteilung: die Holzbauabteilung, kurz Hoba genannt. Der damalige Unternehmensleiter Helmuth Katz (1891-1969) hat nach dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise die Holzverarbeitung um ein neues Geschäftsfeld erweitert.
Er hatte auf seinen Reisen durch Schweden die Fertigung von Fertighäusern gesehen. Zuerst lief das Geschäft langsam an, zuerst wurden Holzbaracken hergestellt. Nachdem die anfänglichen Probleme überwunden waren – denn in Deutschland war diese Art zu bauen, noch unbekannt: die Versicherungen machten Schwierigkeiten, die Banken waren nicht bereit, diese Häuser mit Hypotheken zu beleihen – lief die Produktion auf vollen Touren.

Blick auf das Sägewerk Katz & Klumpp um 1928.

Anfangs der dreißiger Jahre waren es 20 bis 30 Häuser pro Monat. Die Herstellung der Häuser war sehr lohnintensiv. Das bedeutete, dass in Gernsbach bis zu 450 Arbeitskräfte damit beschäftigt waren.
Das Schnittholz dazu wurde in den Sägewerken von Katz & Klumpp in Weisenbach und Gernsbach geschnitten, es wurde aber auch Holz aus benachbarten Sägewerken zugekauft. Im Gernsbacher Hobelwerk – die Holzhalle, die in diesem Frühjahr auf dem Pfleiderer Areal abgerissen wurde – standen große Hobelmaschinen und eine Schreinerei. In der Montagehalle wurden die einzelnen Elemente im Akkord zusammengefügt. Schon damals erkannte man, dass eine konsequente Normierung eine wesentliche Bedingung für die kostengünstige Fertigung darstellt.

Nach Kriegsende beschlagnahmten die Franzosen erst mal die Produktion in Gernsbach. Die Holzbauabteilung wurde von Nona Mayer-Katz übernommen. Ihre guten Französisch-Kenntnisse und die guten Beziehungen zur Besatzungsmacht machte die Abwicklung dieser Reparationspflichten um vieles einfacher. Es wurden Holzhäuser für den Wiederaufbau in Frankreich gefertigt. Dies hatte oberste Priorität. Und die Zahl der Beschäftigten wuchs auf 600. Etwa 50 Häuser wurden monatlich nach Frankreich geliefert.

Die Hobelhalle von Katz & Klumpp.

Allerdings erfuhr diese Ausfuhr von Fertighäusern nach der Währungsreform 1948 einen radikalen Einschnitt. „Von heute auf morgen gab es kein Geschäft mit Holzhäusern mehr“, hielt Dr. Casimir Katz in seinen Erinnerungen „Der Kampf um die Firma“ fest. Die plötzliche Auftragseinbruch brachte auch eine kuriose Situation mit sich. Die letzte Bestellung der Franzosen lautete über 150 Häuser, von denen man bereits einige Teile gefertigt hatte. „Nun saß man mit 137 fertigen rechten Giebeln, aber keinem linken Giebel da“, geht es in den Erinnerungen weiter. In den nächsten Jahren konnten diese auch nicht mehr verarbeitet werden, weil in Deutschland niemand Geld hatte, sich ein solches Haus zu leisten. Zwei der Häuser wurden noch errichtet: beide stehen heute noch in Gernsbach, eines davon steht in der Austraße, das Modell Typ Gernsbach I steht in der Friedrichstraße.

Ein rares Dokument der letzten Phase der Hoba-Abteilung findet sich im Hauptstaatsarchiv in Freiburg. Dort ist festgehalten, dass sich im Jahr 1950 die Fa. Katz & Klumpp darum beworben hatte, Holzhäuser für den Vatikan zu liefern. Doch dieser Auftrag kam nicht mehr zustande.

1954 erfolgte die Auflösung der Hoba-Abteilung. Das bedeutete das Aus nicht nur für einen zukunftsträchtigen Fertigungsbereich, sondern auch für viele Beschäftigte. Die Arbeitskräfte wechselten zur Bierglasuntersetzerfabrik nach Weisenbach oder zu Daimler-Benz. Die Pläne, die Holzbau-Abteilung in eine Wohnbau-Abteilung großen Stils umzurüsten, wurden nicht weiter verfolgt. Der Plan hatte vorgesehen, der Holzabteilung ein Betonwerk und eine Abrichterei von Metallbestandteilen anzugliedern. Doch diese Pläne wurden nicht umgesetzt: 1954 wurde die Fertigungsstätte der Hoba zum Betonschwellenwerk umgebaut.

Lange Tradition als Wohnhaus

Das Haus in der Jahnstraße 7 wurde von Katz & Klumpp als Wohnhaus gebaut. Ende der dreißiger Jahre wohnte darin der Sohn des Prokuristen und Oberbuchhalter Gustav Abel sen. mit seiner Frau Gogi. Damals hieß die Adresse noch Gartenstraße 7. Erst 1952 wurde auf Antrag des Turnvereins Gernsbach die Umbenennung in Jahnstraße vollzogen. Gleichzeitig wurde die Genehmigung erteilt, ein Jahn-Denkmal an dem damaligen Progymnasium zu errichten.

Das Haus wurde 2020 umfassend renoviert. Foto: SPIELWIESE GmbH

Die Kriegsereignisse schrieben die Geschichte des Hauses weiter: Gustav Abel jun. war als Dolmetscher in der Wehrmacht eingesetzt und konnte die Familie seiner Frau, die aus Düren stammte, vor den Bombardements des Ruhrgebiets retten. Sie fanden Zuflucht in dem Haus am Bachgarten. Nach Kriegsende beschlagnahmten die Franzosen das schmucke Haus, erst 1957 wurde es wieder freigegeben.

Die Stadt Gernsbach, die seit 1963 Eigentümer des Hauses ist, hat dieses Haus zu Wohnzwecken vermietet. In den letzten Jahren wurde es als Anschlussunterkunft für Flüchtlingsfamilien genutzt. Einen prominenten Mieter hatte das Haus gleich zu Beginn der städtischen Ära in dem Haus: der katholische Pfarrer Heinz Marbach, der als junger Pfarrer 1964 nach Gernsbach kam, war kurz danach obdachlos, da ein Brand das Pfarrhaus vernichtet hatte und er erst mal eine Bleibe suchen musste. So zog er zum 1. Februar 1965 in das Haus ein, das nicht weit zu der Liebfrauenkirche liegt, und fand dort bis zur Fertigstellung des neuen Pfarrhauses sein Zuhause.

Nach der Renovierung 2020 erstrahlt das historische Bauwerk wieder in voller Pracht. Foto. SPIELWIESE GMBH

Nach der Sanierung des Hauses 2020 erstrahlt das Gebäude in neuer Pracht und sieht einer lebendigen Zukunft entgegen. Dank der umfassenden Renovierung der Innenräume, den Einbau einer Fluchttreppe, einer energetischen Sanierung und eines neuen Daches wurde ein modernes Heim für die neue Kinderkrippe geschaffen. Träger der Einrichtung ist die Spielwiese gGmbH. Die Gesellschaft, mit Sitz in Baden-Baden, unterhält weitere Einrichtungen in Gaggenau, Muggensturm und Rastatt. Dazu gehört auch der Waldkindergarten Gernsbach im ehemaligen Naturfreundehaus unter Leitung von Florian Kreuzer. Mit der Einrichtung kommt die Stadt Gernsbach dem Ziel, ausreichend Kinderkrippenplätze anzubieten, einen Schritt näher.
Gleichzeitig wird auch ein Relikt Gernsbacher Industriegeschichte vor dem Verschwinden bewahrt.

Regina Meier

Dieser Beitrag erschien im “Gernsbacher Boten” 3/2020 im Casimir Katz Verlag am 15. September 2020

Führung auf dem Sabbatweg

Die Stadtführung „Auf dem Sabbatweg“ am Sonntag, 06. September 2020, führt zu den Orten des einstigen jüdischen Lebens in Gernsbach.
Der Arbeitskreis Stadtgeschichte Gernsbach hat mit Unterstützung des Kulturamtes und des Stadtarchivs der Stadt Gernsbach diesen „Sabbatweg“ vorbereitet. Damit soll der einstige Gang der Familien jüdischen Glaubens aus ihren Wohnungen zur Synagoge in der Austraße nachempfunden werden. So soll die Geschichte der Gernsbacher jüdischen Glaubens, die einst in Gernsbach ihre Lebensmitte hatten, erfahrbar gemacht und vor dem Vergessen bewahrt werden.

Die Führung wird jährlich am europäischen Tag der jüdischen Kultur durchgeführt. In diesem Jahr kann der Arbeitskreis Stadtgeschichte wieder ein weiteres Detail der jüdischen Vergangenheit Gernsbachs präsentieren. Mit einem bisher unveröffentlichten Foto aus dem Jahr 1914 von Hermann Nachmann, dem letzten Synagogenvorsteher Gernsbachs, in seinem Verkaufsraum in der Bleichstraße wird ein rares Zeugnis der reichen Vergangenheit jüdischer Geschäfte präsentiert.
Treffpunkt: Kornhaus Gernsbach, Hauptstraße 32.
Dauer: ca. 1,5 Stunden. Teilnahme kostenlos.

Passend gibt es eine Broschüre zu dem Rundgang „Der Sabbatweg von Gernsbach“, erhältlich in der Tourist-Info Gernsbach. Preis: 5,- Euro
Die Broschüre kann auch bestellt werden per E-Mail an service@verlag-am-mauergarten.de