Gemeindereform vor 50 Jahren abgeschlossen

Vor 50 Jahren wurde die Gemeindereform in Gernsbach abgeschlossen. Was heute als historisches Datum abgehakt wird, hatte vor einem halben Jahrhundert lokalpolitische Brisanz. Mit Eingemeindungsvertrag von Reichental zum 1.1.1975 trat eine mehrjährige Verwaltungsänderung in Kraft.

Durch eine Volksabstimmung im Jahr 1970 wurde letztlich der Verbleib Badens im Land Baden-Württemberg besiegelt. Dies führte zur Gebietsreform, die das Ziel hatte, leistungsfähigere Gemeinden zu schaffen. Daraus folgte die Gemeindereform, die den Zusammenschluss von Gernsbach, Staufenberg, Hilpertsau und Obertsrot, Lautenbach sowie Reichental zur Folge hatte.

Auf der untersten Ebene sollten Gemeinden mit mindestens 8.000 Einwohnern entstehen. Die Mindestanzahl wurde damit begründet, dass erst ab dieser Größe den gestiegenen Bedürfnissen der Bevölkerung – nach Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Altenheimen, Sport- und Schwimmanlagen, Kultur- und Sozialeinrichtungen – entsprochen werden könne. Den Gemeinden, die sich freiwillig zusammenschlossen, gab die Landesregierung Sonderzuschüsse nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG). Im Zuge dieser Reform kamen Staufenberg (1.1.1971), Lautenbach (1.1.1973), Obertsrot-Hilpertsau (1.7.1974) und Reichental (1.1.1975) zu Gernsbach hinzu. Unklar war zu Beginn der Reform noch die Entscheidung, ob Hörden sich nach Gaggenau oder Gernsbach orientieren würde. Auch die Entscheidung, ob die Gemeinden Weisenbach und Loffenau ihre Selbstständigkeit behielten, war noch nicht gefallen. Selbst eine Verschmelzung von Gaggenau und Gernsbach nach dem Vorbild von Villingen-Schwenningen war im Gespräch der Verwaltungen.

Wie bei allen Eingliederungen gab es auch beim ersten Akt, die  Eingemeindung von Staufenberg, vorab viele Verhandlungen. Die Diskussionen in der Bevölkerung waren so intensiv, dass der Staufenberger Gemeinderat die Rückendeckung der Einwohner wollte und einen Bürgerentscheid forderte. Im November 1970 stimmten auf den knapp 800 abgegebenen Stimmzetteln 629 Staufenberger für „Ja“ (79 Prozent). Damit war der Weg frei für die Umsetzung.

Von den vielfältigen Forderungen wurden einige Punkte aufgenommen, so der Bau eines Gemeinschaftshauses mit Mehrzweckhalle für Vereine, Veranstaltungen und den Sportbetrieb sowie den Erhalt der Markthalle für die Obstannahme mit eventueller Erweiterung der Obstkelter. Der Wunsch nach einem beheizten Freischwimmbad im Hahnbachtal wurde der Stadt Gernsbach zurückgegeben und erhitzte in den achtziger Jahren nochmals die Gemüter.

Die Eingliederung Lautenbachs zum 1. Januar 1973 verlief in ruhigeren Bahnen. Hier wurde bereits im März 1972 eine Anhörung der Bürger durchgeführt. Die Abstimmung der Bürger Lautenbachs, ob sie „für die Eingliederung der Gemeinde Lautenbach in die Stadt Gernsbach“ wären, brachte bei einer Wahlbeteiligung von knapp 79 Prozent 352 Stimmen für „Ja“ und 94 Stimmen für „Nein“. Damit war der Anschluss an Gernsbach mit 73 Prozent erfolgt. Mit geringen redaktionellen Änderungen nahm das Regierungspräsidium als Genehmigungsbehörde den ausgehandelten Vertrag an. Darin wurde die Vertretung der Gemeinde Lautenbach im Gemeinderat bestimmt und  – wie bei den anderen Gemeinden – der Hinweis auf die „Wahrung der Eigenart“.

Dazu gehörte nicht nur der Erhalt der Illertkapelle und des „Lautenbacher Feiertags“. Mit der Eingemeindung von Lautenbach stieg die Einwohnerzahl Gernsbachs um 700 Einwohner an und lag nahe an der 10.000-Einwohner-Grenze.

Hilpertsau und Obertsrot fusionierten bereits 1970. Damit wurde dem Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden von 1968 Rechnung getragen. Durch den überraschenden Tod des langjährigen Bürgermeisters von Obertsrot Karl Götz 1969 wäre eine Neuwahl eines Bürgermeisters notwendig geworden. Im Juni 1970 wurde Karlheinz Weßbecher zum Bürgermeister von Obertsrot und Hilpertsau gewählt. Bei den Gesprächen war der Obertsroter Gemeinderat mit Alfred Götz, Meinrad Götz, Rudolf Koch, Ernst Kohler, Erich Rothengatter und Karlheinz Weßbecher an der Spitze beteiligt. Der Gernsbacher Gemeinderat war neben Bürgermeister Wehrle mit den Stadträten Dr. Helmuth Hofmann, Otto Klumpp, Siegfried Schmoll und Hauptamtsleiter Heinrich Fortenbacher wie Erwin Fortenbacher vertreten. Wenn auch die Verhandlungen nicht einfach waren, so „habe man versucht, aus der Verwaltungsreform „unter Anwendung gegenseitiger Achtung und gegenseitigen Vertrauens das beste zu machen“, schrieb Rolf Wehrle, zu dem am 1. Juli 1974 unterzeichnete Eingemeindungsvertrag.

„Ab 1.1.1975 gehört Reichental zur Stadt Gernsbach“, so titelt die Eingangsseite des Stadtanzeigers 1975. Bürgermeister Rolf Wehrle betonte, dass die Gemeinderäte beider Gemeinden einen freiwilligen Zusammenschluss vereinbarten, was ansonsten gesetzlich verordnet worden wäre.

In der Silvesternacht wurde über die Ortsrufanlage die Neuigkeit verkündet.

Damit war der letzte Schritt in der Gebietsreform der siebziger Jahre in Gernsbach vollzogen.  Die Hoffnung des damaligen Ortsvorstehers Oswald Sieb hat sich zwischenzeitlich bewahrheitet: „… dass sich diese jetzt zwar schmerzlich empfundene Eingemeindung auf die Dauer doch zum Nutzen und Segen der Einwohnerschaft von Reichental auswirken möge.“

Heute haben sich die holprigen Anfängen der Gemeindereform zu einem partnerschaftlichen Miteinander zwischen der Stadt und den Ortsteilen entwickelt. 

Regina Meier