Nahe der Hauptschule Gernsbachs findet sich die Ludwig-Dill-Straße. Sie ist nach dem bekannten Maler Ludwig Dill benannt, der 1848 in Gernsbach geboren wurde – vor nunmehr 175 Jahren.
Dill gehört zu den prominenten Künstlern des 19. Jahrhunderts und seine Werke sind in Museen und Sammlungen auf der ganzen Welt zu finden.
Geburtshaus Ludwig Dill in Gernsbach
Der Vater, mit dem gleichen Vornamen Ludwig, kommt 1845 als Amtsassessor ans Gernsbacher Bezirksamt und ist während der badischen Revolution als Vertreter des Großherzogs im Amt. Die frühen Kindheitsjahre verbringt Ludwig in seinem Elternhaus am Stadtbuckel in Gernsbach, in der Hauptstraße 45 und eine Tafel erinnert noch heute an den berühmten Sohn der Stadt. 1856 wird der Vater nach Durlach versetzt. Von dort aus zieht die Familie weiter nach Stuttgart, wo der Sohn Ludwig am Polytechnikum zunächst Ingenieurwissenschaften, dann Architektur studiert. Vom Berufswunsch des Sohnes als Maler sind die Eltern zunächst nicht begeistert, doch die zahlreichen Erfolge des Sohnes beruhigen sie. „Wenn ich meinen Eltern gesagt hätte, ich wolle Kaminkehrer werden, hätten sie nicht mehr entsetzt sein können als über den Maler“, schreibt er in seinen Memoiren.
Ludwig Dill wird schon früh künstlerische Anerkennung zuteil, seine Werke sind gefragt. Den Durchbruch als Maler erreicht er durch die Werke, die er bei seinen Studienreisen durch Italien geschaffen hat.1893 wird er Preisrichter für die Weltausstellung in Chicago berufen und 1900 nach Paris.
Dill ist bei führenden Künstlervereinigungen Deutschlands jener Jahre eine treibende Kraft. 1893, im Gründungsjahr der Münchner Sezession, übernimmt er deren Geschäftsleitung und wird in Dachau sesshaft. Auch hier gibt die Landschaft dem Maler viele neue Impulse für die künstlerische Weiterentwicklung. 1894 gründet er mit anderen Kollegen außerdem die Künstlervereinigung Neu-Dachau. 1899 wird Dill an die Akademie in Karlsruhe berufen und zum Professor für Landschaftsmalerei ernannt. Diese Stellung hält er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1919 inne.
Ludwig Dill. Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe
Nach dem Ersten Weltkrieg wird Ludwig Dill zu einer hoch geachteten Persönlichkeit, die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Karlsruhe ist nur ein Ausdruck davon. Mehrere Ausstellungen in Mannheim, Karlsruhe und München würdigen sein Schaffen als Maler.
Gernsbach ließ es sich nicht nehmen, den berühmten Künstler bereits zu seinen Lebzeiten zu ehren. So wurde 1935 anlässlich seines 87. Geburtstages eine der „neu in Angriff genommenen Straßen“ in Ludwig-Dill-Straße benannt. Zum 90. Geburtstag wird Dill zum Ehrenbürger der Stadt Gernsbach ernannt.
Ludwig Dill: Hochwasser am Altrhein.
Zum Dank schenkt Ludwig Dill seiner Geburtsstadt das Ölgemälde „Hochwasser am Althrein“. Er hat das Bild in einer Ausstellung in Baden-Baden gezeigt und ist der Meinung, es „kann sich sehen lassen“. Dill äußert aufgrund der Größe des Werkes die Bitte, ob „im Rathaus oder sonst wo, eine geeignete Wand für das Bild“ vorhanden sei. Das Gemälde entstand 1913 und ist in der Reihe seiner imposanten Baumbilder zu sehen. Es zeigt knorrige Bäume in einem überschwemmten Landstrich und ist ganz in gelb-grünen Tönen gehalten.
Die Gesundheit des Malers erlaubt ihm nicht, 1938 die Ehrenbürgerwürde Gernsbachs persönlich entgegen zu nehmen. Auf die Einladung des Bürgermeisters nach Gernsbach antwortet der Jubilar: „Ihrer gütigen Einladung nach Gernsbach zu kommen, wird bei meinem Zustand, der hoffnungslos erscheint, kaum in Erfüllung gehen.“ Ludwig Dill stirbt am 31. März 1940 in Karlsruhe.
1998 fand eine große Gemäldeausstellung anlässlich seines 150. Geburtstages statt. Unter der künstlerischen Leitung des Museumsvereins Dachau konnte die Ausstellung auch im Gernsbacher Rathaus gezeigt werden und bot eine Übersicht über die verschiedenen Schaffensperioden. Gleichzeitig erschien ein umfassender Werkkatalog, der einen umfassenden Einblick in die Werke Ludwig Dills ermöglicht.
Zwischenzeitlich sind auch die bislang in Privatbesitz befindlichen Memoiren des Künstlers in Buchform erschienen und dokumentieren die Verbindungen des Gernsbachers zu seiner Geburtsstadt.
Ludwig Dill wurde Ende der zwanziger Jahre Ehrenvorsitzender der “Deutschen Kunstgesellschaft”. Er hat sich darin auch als 2. Vorsitzender engagiert und muss daher auch die Ziele des Vereins mitgetragen haben. Diese Vereinigung sprach sich für eine “völkische deutsche Malerei” aus. Diese nationalsozialistische Organisation wandte sich heftig gegen die künstlerische Moderne und beeinflusste die Diskussionen über moderne Ausdrucksformen mit antisemitischen Parolen. Die Deutsche Kunstgesellschaft trat dem nationalsozialistisch gelenkten “Kampfbund für deutsche Kultur” bei, der späteren NS-Kulturgemeinde.
Für die weitere Recherchen über die Verbindungen von Ludwig Dill zu den nationalsozialistischen Kreisen bedarf es der Historiker, die Archivmaterialien und Korrespondenzen aufzuarbeiten. Wesentliche Eckpfeiler dazu wurden bereits im Stadtarchiv Karlsruhe und im Landesarchiv Baden-Württemberg veröffentlicht.
Siehe auch „Gernsbacher Bote“ 1/1995 sowie 1+2/1998 und 1/2010
Bärbel Schäfer – Ludwig Dill, Leben und Werk, Dachau 1998
Ludwig Dill – Lebenserinnerungen, Dachau 2010
Michael Koch – Ludwig Dill; in: Badische Biographien NF 3 (1990)
Richard Fuchs (1887, Karlsruhe -1947 Wellington, Neuseeland)
Vor 75 Jahren verstarb der Architekt und Komponist Richard Fuchs in seinem neuseeländischen Exil. Für Gernsbach hatte er als Architekt der 1928 erbauten neuen Synagoge eine besondere Bedeutung. Da er als Jude in den dreißiger Jahren verfolgt wurde, wählte er 1938 die Auswanderung und emigrierte nach Neuseeland. Allerdings wurden dort seine künstlerischen Werke zu seinen Lebzeiten nicht anerkannt. Sein Schicksal war es, in Deutschland verfolgt worden zu sein, weil er Jude war und in Neuseeland ignoriert zu werden, weil er Deutscher war.
Die vier Brüder Fuchs als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Foto: Familienarchiv Fuchs
Richard Fuchs wurde 1887 in Karlsruhe als Sohn einer Holzhändler-Familie geboren. Er wuchs mit seinen drei Brüdern und seiner Schwester in einer wohlhabenden und angesehenen Familie auf. Die jüdische Familie war völlig integriert in die Gesellschaft Karlsruhes. In der Familien-Historie wurde immer weitergegeben, wie seine Großeltern als Zuwanderer aus einfachen Verhältnissen nach Karlsruhe gekommen waren und „sie später stolz waren auf den beschiedenen Beginn der Familie“. Alle vier Söhne der Familie meldeten sich im Ersten Weltkrieg freiwillig als Soldaten.
Sein musikalisches Talent führte Richard Fuchs zu einem Studium der Musik an der Hochschule in Karlsruhe, dem folgte ein Studium der Architektur in Berlin. 1923 promovierte er an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Richard Fuchs heiratete 1920 Dora Stern. Das junge Ehepaar bezog eine stattliche Villa in der Kriegsstraße 120 in Karlsruhe. Für Richard Fuchs waren die zwanziger Jahre eine erfolgreiche Zeit als Architekt. Er entwarf Wohn- und Kaufhäuser, Hotels und Fabriken.
Die Gernsbacher Synagoge, entworfen und gebaut von Richard Fuchs. Quelle.: Generallandesarchiv Karlsruhe
Den einzigen öffentlichen Auftrag erhielt Richard Fuchs 1927 mit dem Bau einer Synagoge für die jüdische Gemeinde in Gernsbach. Bereits 1923 hatte Fuchs auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in Karlsruhe einen jüdischen Kultraum geschaffen. Die Gernsbacher Synagoge war für ihn wie für Gernsbach ein herausragendes Bauwerk.
Wie Dr. Ulrich Schumann in den Begleittexten zu der Ausstellung des Arbeitskreises Stadtgeschichte zur Gernsbacher Synagoge 2018 schrieb, schuf Richard Fuchs ein „stimmungsvolles Ensemble, das für die historische Verwurzelung und Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens in Deutschland steht“. In den Archiven hat Schumann genaue Angaben zur Ausführung der Synagoge gefunden. Darin fanden sich nicht nur exakten Pläne des Baukörpers, sondern klare Anweisungen für den Einsatz von Materialien und Farben. Detailliert war der Tora-Schrein mit seiner Umrahmung aus Majolika-Fliesen beschrieben, bis hin zu zwei Vorhängen, einer in Rot und einer in weiß für hohe Festtage.
Der Tag der Einweihung der Gernsbacher Synagoge 1928. Quelle: Stadtarchiv Gernsbach
Sonntag, 15. Juli 1928 war ein bedeutender Tag im Leben von Richard Fuchs: Die von ihm entworfene und erbaute Synagoge in Gernsbach wurde ihrer Bestimmung übergeben, und der Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde Hermann Nachmann erhielt aus seiner Hand die Schlüssel des neuen Gebäudes.
In der Zeitung wurde damals die Leistung des Architekten gelobt: „Architektonische Schönheit vereinte sich mit vollständiger Zweckmäßigkeit“. Die jüdische Gemeinde bewunderte den Neubau in ihrer Chronik im Jahr 1928: „Der Bau kann nach seiner Vollendung als sehr gut gelungen und schön bezeichnet werden.“ Hermann Nachmann schrieb: „Es ist eine Zierde des lieblichen Murgtalstädtchens Gernsbach, dieses schöne Gotteshaus“. Dementsprechend groß war der Zustrom der Gäste und der Gernsbacher, die sich die Einweihung dieses Gebäudes nicht entgehen lassen wollten. Der Bezirksrabbiner aus Offenburg nahm die Weihe des Gotteshauses vor. Ernst Bernauer, Stadtpfarrer der katholischen Gemeinde, und Lehrer Münz für die evangelische Gemeinde sprachen jeweils Grußworte.
1938 wurde die Synagoge während des Novemberpogroms zerstört: Sie wurde von den Nationalsozialisten bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Heute erinnert nur der „Synagogenweg“, die Fußgänger-Verbindung zwischen Austraße und Blumenweg, und eine Gedenktafel an die einstige Synagoge.
Das Wohnhaus de Weerth wurde von Richard Fuchs entworfen.
Am heutigen Synagogenweg findet sich ein weiteres Gebäude des Architekten Richard Fuchs. 1929 schuf er das Wohnhaus aus Backsteinen für den Zahnarzt Gustav de Weerth.
Der Synagogenweg führt entlang des einstigen Anwesens der Gernsbacher Synagoge. Foto: Meier
In seiner erfolgreichen Karriere als Architekt verlor er niemals seine Liebe zur Musik und zum Komponieren. 1932 fand in Karlsruhe einen Konzert- und Liederabend mit seinen Werken statt. Die Zeitung urteilte danach: „Dr. Richard Fuchs ist nicht nur ein Architekt von Rang, er stellte sich für die Außenstehenden in überraschender Weise auch als Komponist von sehr beachtlichen Graden vor.“ Damals ahnte er nicht, dass dies die letzte Aufführung seiner Musik in Deutschland für viele Jahrzehnte war.
Nach dem Siegeszug der Nationalsozialisten wurde das Leben und Arbeiten für den Juden Richard Fuchs immer schwieriger. Den Maßnahmen, die Juden aus Beruf und dem öffentlichen Leben zu verdrängen, fiel auch Richard Fuchs zum Opfer. Bereits 1933 musste er Einschränkungen in seinen Arbeitsmöglichkeiten hinnehmen, ab 1935 wurde er mit einem Arbeitsverbot belegt, seine Kinder der Schule verwiesen. Nach dem Pogrom am 10. November 1938 wurde er von den Nazis nach Dachau abtransportiert und kam erst im Dezember wieder frei. Danach war ihm bewusst, dass er aus Deutschland mit seiner Familie fliehen musste, dass er als Jude keine Zukunft mehr in seinem Heimatland hatte. Seine Frau Dora setzte alles in Bewegung, damit sie das Land verlassen konnten. Sie verkauften ihr Haus in Karlsruhe, verschifften Möbel, Bücher und Noten in Containern und verließen mit ihren beiden Kindern Deutschland.
Das Haus von Richard Fuchs in Neuseeland. Foto: Familienarchiv Fuchs
Als Richard Fuchs mit seiner Familie schließlich 1939 in Neuseeland ankam, hatte er Probleme, eine Anstellung in Wellington zu finden. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verschlechterte sich die Stellung von Richard Fuchs. Er wurde als Deutscher angesehen, er galt als „Enemy Alien“.
Richard Fuchs in seinem Gemüsegarten in Neuseeland. Foto: Familienarchiv Fuchs
Eine Zeitlang hatte er gehofft, dass sein Stück „Vom jüdischen Schicksal“ aufgeführt wird. Der neuseeländische Dichter Alan Mulgan (1881-1962) hatte den deutschen Text des Chor-Werkes ins Englische übersetzt. Aber leider misslangen die Versuche. Letztlich fand erst 2015, fast 70 Jahre nach seinem Tod, die Premiere seines Werkes „Vom jüdischen Schicksal“ in Neuseeland statt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt er die neuseeländische Staatsbürgerschaft, auf die er sehr stolz war. Doch in den letzten 20 Monaten seines Lebens komponierte er nicht mehr. Seine Tochter konnte in ihren Erinnerungen nur Vermutungen über die Gründe anstellen: Ob es die Enttäuschung über die geringe Aufmerksamkeit war, die in Neuseeland seinen Kompositionen geschenkt wurde, oder die Trauer, als er von dem Tod seiner Schwester erfuhr, die 1943 in Auschwitz ermordet worden war.
Richard Fuchs starb nach kurzer Krankheit im September 1947. Seine Asche wurde in den Bergen Neuseelands beigesetzt.
Nach seinem Tod wurde einige Anläufe unternommen, seinem Werk gerecht zu werden. So wurde seine Komposition „New Zealand Christmas Carol“ 1954 beim Besuch der englischen Königin Elisabeth von einem Kinderchor vorgetragen und gehört seither zu den am meisten verbreiteten Werken des Komponisten.
Aufmerksamkeit errang 2008 der Dokumentarfilm von Danny Mulheron, seinem in Neuseeland lebenden Enkel, der bei der Aufarbeitung des Nachlasses seines Großvaters viele erstaunliche Entdeckungen machte. Der Film „The Third Richard“ gibt einen Überblick über das Leben und Werk des Künstlers, aufgenommen an Originalschauplätzen. Darin kommt auch Gernsbach vor, mit historischen Abbildungen der Synagoge. Den Titel lehnte der Enkel an einen Ausspruch des Vaters von Richard Fuchs an, der bereits bei der Geburt seines Sohnes ihn in der Reihe von Richard Wagner und Richard Strauss als „dritten Richard“ sah.
Richard Fuchs‘ Schicksal war es, den Holocaust überlebt zu haben, aber in Vergessenheit zu versinken. „In Deutschland war er der Feind, da er Jude war, in Neuseeland weil er Deutscher war“, schildert der Enkel das freudlose Leben von Richard Fuchs im Exil.
In den letzten Jahren wurden einige Kompositionen von Richard Fuchs in Neuseeland wie in seiner Heimatstadt Karlsruhe aufgeführt. Erst kürzlich gab es ein Konzert mit seinen Werken in Jerusalem. Somit erfährt er eine späte Anerkennung seines künstlerischen Schaffens.
Regina Meier
Quellen:
– Dr. Ulrich Schumann: Begleittext zur Ausstellung „Am Sabbat auf dem Weg zur Synagoge – Die Gernsbacher Synagoge 1928-1938; 2018
– Youtube-Film „The Third Richard“ von Danny Mulheron: https://youtu.be/HjhqfiWjr5k
Vorbereitung für die Verlegung des Stolpersteins in der Storrentorstraße.
Das Scharren der Kieselsteine war noch zu hören, als die Musik „Ghetto“ bereits erklang. Bei der Verlegung der Stolpersteine in der Altstadt von Gernsbach hatte der Künstler Gunter Demnig bereits mit dem Freilegen der Vertiefung für den Stolperstein begonnen, als noch die Musik für die Umrahmung der Gedenkfeier spielte.
Anfang März fand die zweite Verlegung von Stolpersteinen in Gernsbach statt. Dieses Mal wurde Opfern der Euthanasie-Programmen der Nazis gedacht, die aufgrund ihrer geistigen Konstitution sterben mussten. Nun erinnern vier Stolpersteine an Luise Geiger in der Storrentorstraße 3, an Ludwig Schneiderhan in der Hauptstraße 45, und an die Brüder Albert Gebhard und Karl Gebhard in der Schlossstraße 8. Sie wurden 1940/41 im Rahmen der sogenannten T4-Aktion ermordet. Dieses Programm wurde nach dem Ort der Planungszentrale der Morde an Menschen mit Behinderungen und mit psychischen Krankheiten, Tiergartenstraße 4 in Berlin, benannt.
Gunter Demnig (ganz links) verfolgt die Gedenkfeier am Metzgerplatz, bevor er zur Verlegung des nächsten Stolpersteins geht.
Gerold Stefan, Lehrer an der Musikschule Gernsbach, hatte die passenden Musikstücke für die Feier ausgesucht. Er spielte mit seiner Klarinette das Adagio von Friedrich Demnitz, „The Blessing Nigun“ von Jerry Sperling, „Jenseits der Stille“ von Niki Reiser und das Stück „Ghetto“.
Eindringlich verhallten die Melodien auf dem weiten Metzgerplatz. Dort hatten sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger Gernsbachs versammelt, um den Opfer der Euthanasie-Programme der Nationalsozialisten zu gedenken.
Michael Chemelli, Bürgermeister-Stellvertreter, fand die passenden Worte, um an das unfassbare Geschehen um die Opfer der NS-Euthanasieprogramme zu erinnern. Er betonte in seiner Einführung, dass es heute die Pflicht von uns allen ist, daran zu arbeiten, dass sich ein solches Geschehen niemals wiederholt. Besonderen Dank sprach er an Stadtarchivar Wolfgang Froese aus, dessen Recherchen es zu verdanken ist, dass an die vier getöteten Gernsbacher erinnert werden kann. Bislang war wenig über die Ermordung von behinderten Menschen aus Gernsbach bekannt, daher bedurfte es grundlegender Archivarbeit, die Details und Hintergründe über den Abtransport zu finden.
Bereits zum zweiten Mal verlegt Gunter Demnig Stolpersteine in Gernsbach.
„Ich bin Ludwig Schneiderhan“, begann die Darstellung der Einzelschicksale der vier Opfer durch Schülerinnen und Schüler der Realschule Gernsbach. Unter der Leitung ihrer Lehrerinnen Elvira Schulz (Geschichte) und Johanna Wilhelm-Lang (ev. Religion) hatten sie sich in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv auf diese Gedenkfeier vorbereitet. Lea Clausen, Sara Oertel, Elias Schmidt und Alica Herzog hatten die Texte, mit denen sie das Schicksal der jeweiligen Person vorstellten, in der „Ich-Form“ geschrieben und vermittelten somit eindringlich, dass sie sich intensiv auf diese Gedenkfeier vorbereitet hatten. Die Anwesenden waren betroffen von den Texten, weil sie auch in beklemmender Weise deutlich machten, wie sehr die Menschenwürde im Dritten Reich mit Füßen getreten worden war. Mit der Beteiligung der Schülerinnen und Schüler wurde ein Kern-Ziel des Gemeinderats-Beschlusses zu den Stolpersteinen umgesetzt. 2019 hatte das Gremium einstimmig beschlossen, zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus sich der Stolperstein-Aktion anzuschließen und insbesondere die örtlichen Schulen zur Pflege und kontinuierlichen Erinnerungsarbeit einzubinden.
Rita und Hans-Joachim Scholz, Pfarrer i.R. der evangelischen Gemeinde, sprachen in Anwesenheit von Dekan Josef Rösch ein Gebet.
Teilnehmer der Gedenkfeier legten Blumen nieder an den Stolpersteinen.
Gemeinsam mit Mitarbeitern vom Bauhof zog der Künstler Gunter Demnig vom Metzgerplatz in die Schlossstraße 8 weiter, wo die beiden Stolpersteine für die Brüder Albert und Karl Gebhard verlegt wurden. Anwohner legten später Blumen an den einzelnen Stolpersteinen nieder.
Regina Meier
Dieser Beitrag erschien im “Gernsbacher Boten” 1/2022 im Casimir Katz Verlag am 6. April 2022
Bushaltestelle Hofstätte Gernsbach um 1910 – Foto: Stadtarchiv Gernsbach
Mit den neuen Fahrplänen zur Buslinie Gernsbach – Baden-Baden beginnt eine neue Ära im öffentlichen Nahverkehr zwischen den beiden Städten. Eigentlich hätte bereits Mitte Dezember die weitreichende Umstellung kommen sollen, doch aufgrund der Sperrungen in Loffenau wegen der Fahrbahnerneuerung treten die Änderungen erst Ende Februar 2022 in Kraft.
Hintergrund ist eine Neuordnung des Bus-Liniennetzes im vorderen Murgtal. Zukünftig wird es eine Linie X44 geben, die die Strecke Bad Herrenalb – Loffenau – Gernsbach – Selbach – Baden-Baden – Varnhalt – Steinbach – Bühl bedient und im täglichen Stundentakt von 5 Uhr am Morgen (Samstag ab 6 Uhr und Sonntag ab 7 Uhr) bis 23 Uhr verkehrt. Für den Busverkehr von Gernsbach nach Baden-Baden wird damit nach den zahlreichen Veränderungen im Laufe der Geschichte eine neues Kapitel eröffnet.
Eine alte Aufnahme zeigt ein Stopp bei der Fahrt nach Baden-Baden. Foto: Sadtarchiv Gernsbach
Blickt man zurück in die Vergangenheit, so kann man auf über 116 Jahre regelmäßigen Busverkehr zwischen Gernsbach und Baden-Baden blicken. Damit gehört die Busverbindung nach Baden-Baden zu den ältesten Buslinien Baden-Württembergs. Bereits 1905 hatte sich eine private „Automobilverkehr Gernsbach GmbH“ gebildet, mit dem Ziel, Kurgäste von Gernsbach nach Baden-Baden zu fahren. Es wurde eine Automobilverkehr Gernsbach GmbH gegründet. Zu dem Aufsichtsrat gehörten Karl Max Clemm als 1. Vorsitzender, Bürgermeister Oskar Jung als Stellvertreter, außerdem Kaufmann Heinrich Popp, Bankier Gustav Dreyfuß und Hotelier Carl Brude. Zum Geschäftsführer wurde Friedrich Schmelzle gewählt.
Am 11. Juni 1905 war es soweit: der neu gelieferte Wagen der Süddeutschen Automobilfabrik Gaggenau mit zehn Sitzplätzen fuhr erstmals von der Haltestelle Hofstätte aus nach Baden-Baden. Laut des ersten Fahrplans konnte man zu fünf Uhrzeiten zwischen 7.35 Uhr und 19.40 Uhr nach Baden-Baden fahren, außerdem mittwochs sowie an Sonn- und Feiertagen noch um 23 Uhr. Die Gäste kamen zahlreich. Man forderte sogar Platzkarten und wünschte sich einen Schaffner, der für Ordnung sorgen sollte. Allerdings legte die Verbindung über die Wintermonate eine Pause ein.
Anzeige im „Murgtäler – Gernsbacher Bote“ von 1905 über die Eröffnung der Buslinie nach Baden-Baden. Foto: Kreisarchiv Rastatt
Bereits im September 1905 wurden die Marke von 1000-Fahrten geknackt. In einem Artikel im „Murgtäler – Gernsbacher Boten“ vom 19. September 1905 ist zu lesen: „Die 1000. Fahrt hat am letzten Sonntag das Automobil Gernsbach – Baden-Baden über den Berg gemacht. Die gemäßigte Fahrt dieses Wagens hat wohl allgemein Anerkennung gefunden, und es ist deshalb auch bemerkenswert, daß sämtliche Fahrten, die das Auto unternahm, ohne jeden Unfall geschehen konnten. Der äußerst umsichtige Chauffeur vermied auf das peinlichste alles, was für Nicht-Autler unangenehm ist. Insbesondere ist die Überwindung der Töff-Töff-Krankheit anzuerkennen, von welcher die meistern Schnauferl-Menschen befallen werden, sobald sie das Vehikel besteigen.“ Weitere Ausführungen, wie sich diese „Töff-Töff-Krankheit“ bemerkbar machte, fehlen in dem Zeitungsartikel.
Am Verkehrspavillon an der Stadtbrücke startete so manche Ausflugsfahrt mit dem Bus. Hier der „Ebersteiner“ bei einer Sonderfahrt zum Mummelsee. Foto: Weiser
Der „Betrieb von Fahrten mittels Motorwagen zwecks Beförderung von Personen und Gepäck“, wie die Gesellschaft ihren Geschäftsgegenstand ins Handelsregister eingetragen ließ, dehnte ihre Betätigung bald auch auf andere Routen aus, so auch Richtung Bad Wildbad und nach Freudenstadt. Außerdem wurden auch Sonderfahrten veranstaltet, auch nach Ötigheim zu den Volksschauspielen oder nach Straßburg. Die Linie florierte und die Gesellschaft konnte sogar eine Dividende auszahlen. Allerdings bedeutete der Erste Weltkrieg auch hier einen radikalen Einschnitt in die Entwicklung. Nach dem Krieg begann die Automobilverkehr Gernsbach GmbH, in bescheidenem Maße ihre Verbindungen aufzunehmen, doch die Zeit der privaten Gesellschaften, die einzelne Linien unterhielten, war vorbei. 1926 übernahm die Reichspost die Buslinie nach Baden-Baden und wurde in eine Kraftpostlinie überführt. Bis 1983 verkehrte die Linie als Postbuslinie und danach als Bahnbuslinie. Die Busverbindungen von Gernsbach nach Schloss Eberstein wurden noch lange Jahre aufrechterhalten. Bis Mitte der 1970er Jahre gab es einzelne Fahrten über die enge, kurvenreiche Straße zum Schloss Eberstein.1989 wechselte der Betreiber durch Umstrukturierungen bei der Bundesbahn von “Bahnbus Nordschwarzwald-Südpfalz” zu “Regionalbusverkehr Südwest – Südwestbus”.
Um 1950 trafen sich am Bahnhof Gernsbach die Murgtal-Busse (vorne) und die Kraftpostlinie (hinteres Haubenfahrzeug) nach Baden-Baden. Foto Stadtarchiv Gernsbach
Eine völlige Veränderung der Fahrpläne und -routen trat 2002 in Kraft. Zur Eröffnung der Stadtbahn im Murgtal wurde der Fahrplan im Juni 2002 komplett neu gestaltet. Danach wurde ein Stundentakt (mit einem Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit) eingeführt. Gleichzeitig wurden die Fahrten über Lichtental und dem Müllenbild mit Halt an der Stadthalle eingestellt. Dabei ist zu ergänzen, dass es zuvor nur noch eine Fahrt je Richtung an Samstag und Sonntag gab. Gleichzeitig wurde auch die Haltestelle „Gernsbach Schoeller & Hoesch“ gestrichen, denn die gesamte Bahnbuslinie parallel zur Murgtalbahn wurde eingestellt. Viele aus dem hinteren Murgtal erinnern sich gerne an diese einstige Busverbindung. Denn die Buslinie lief länger als die Zugverbindung, so dass zum Beispiel nach einem Kinobesuch in Gernsbach immer noch eine Heimfahrt murgtalaufwärts mit dem – im Volksmund genannten – „Lumpensammler“ möglich war.
2006 wurde die Haltestelle Hofstätte letztmals angefahren, die Bleichhexen griffen dies in ihrem Fasentmotto plakativ auf. Foto: Meier
Die Kürzungen der Bus-Haltestellen im Stadtgebiet gingen weiter: zu Ende 2002 entfiel die Haltestelle “Gernsbach Storchenturm”. Letztlich wurde auch die Haltestelle “Gernsbach Hofstätte” gestrichen. Sie wurde Ende Mai 2006 zum letzten Mal angefahren. Grund waren die beengten Verkehrsverhältnisse in der Gernsbacher Altstadt. Allerdings wollten nicht alle Gernsbacher dies unwidersprochen hinnehmen: so gestalteten die Bleichhexen ihr Fasentmotto in 2006 und boten mit ihrem „Hexenblitz“ eine rasante Ersatzfahrt an.
Wenn nun in der Neuregelung der Busverbindungen im vorderen Murgtal der neue Busfahrplan im kommenden Jahr eingeführt wird, beginnt damit auch ein neues Kapitel der Verbindung Gernsbach – Baden-Baden. Und neue Fahrzeuge wird es ebenfalls geben: Die eingesetzten Fahrzeuge im Landesdesign „bwegt“ verfügen auch über WLAN und USB-Steckdosen. Man darf auf die neuen Entwicklungen gespannt sein.
Regina Meier
Dieser Beitrag erscheint im “Gernsbacher Boten” 4/2021 im Casimir Katz Verlag am 25. November 2021
Wenn in diesen Tagen die Kinder in die Kinderkrippe in die Jahnstraße 7 einziehen, beginnt ein neuer Abschnitt in der über 80-jährigen Geschichte des Hauses.
1939 nannten Familie Abel ihr Wohnhaus in der Gartenstraße 7 liebevoll “Fässle”. Foto: Abel, privat
Auf den ersten Blick sieht man diesem adretten Haus nicht an, dass es ein Stück Gernsbacher Wirtschaftsgeschichte verkörpert. Errichtet wurde es 1936 – und zwar als Musterhaus der Firma Katz & Klumpp. Dieses Haus ist eines der Musterhäuser der Fertighausabteilung des einstigen Unternehmens in der Bleichstraße.
Bereits nach dem Ersten Weltkrieg fertigte Katz & Klumpp Gewächshäuser auf dem Areal in der Bleichstraße. Daraus entstand eine eigene Abteilung: die Holzbauabteilung, kurz Hoba genannt. Der damalige Unternehmensleiter Helmuth Katz (1891-1969) hat nach dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise die Holzverarbeitung um ein neues Geschäftsfeld erweitert.
Er hatte auf seinen Reisen durch Schweden die Fertigung von Fertighäusern gesehen. Zuerst lief das Geschäft langsam an, zuerst wurden Holzbaracken hergestellt. Nachdem die anfänglichen Probleme überwunden waren – denn in Deutschland war diese Art zu bauen, noch unbekannt: die Versicherungen machten Schwierigkeiten, die Banken waren nicht bereit, diese Häuser mit Hypotheken zu beleihen – lief die Produktion auf vollen Touren.
Blick auf das Sägewerk Katz & Klumpp um 1928.
Anfangs der dreißiger Jahre waren es 20 bis 30 Häuser pro Monat. Die Herstellung der Häuser war sehr lohnintensiv. Das bedeutete, dass in Gernsbach bis zu 450 Arbeitskräfte damit beschäftigt waren.
Das Schnittholz dazu wurde in den Sägewerken von Katz & Klumpp in Weisenbach und Gernsbach geschnitten, es wurde aber auch Holz aus benachbarten Sägewerken zugekauft. Im Gernsbacher Hobelwerk – die Holzhalle, die in diesem Frühjahr auf dem Pfleiderer Areal abgerissen wurde – standen große Hobelmaschinen und eine Schreinerei. In der Montagehalle wurden die einzelnen Elemente im Akkord zusammengefügt. Schon damals erkannte man, dass eine konsequente Normierung eine wesentliche Bedingung für die kostengünstige Fertigung darstellt.
Nach Kriegsende beschlagnahmten die Franzosen erst mal die Produktion in Gernsbach. Die Holzbauabteilung wurde von Nona Mayer-Katz übernommen. Ihre guten Französisch-Kenntnisse und die guten Beziehungen zur Besatzungsmacht machte die Abwicklung dieser Reparationspflichten um vieles einfacher. Es wurden Holzhäuser für den Wiederaufbau in Frankreich gefertigt. Dies hatte oberste Priorität. Und die Zahl der Beschäftigten wuchs auf 600. Etwa 50 Häuser wurden monatlich nach Frankreich geliefert.
Die Hobelhalle von Katz & Klumpp.
Allerdings erfuhr diese Ausfuhr von Fertighäusern nach der Währungsreform 1948 einen radikalen Einschnitt. „Von heute auf morgen gab es kein Geschäft mit Holzhäusern mehr“, hielt Dr. Casimir Katz in seinen Erinnerungen „Der Kampf um die Firma“ fest. Die plötzliche Auftragseinbruch brachte auch eine kuriose Situation mit sich. Die letzte Bestellung der Franzosen lautete über 150 Häuser, von denen man bereits einige Teile gefertigt hatte. „Nun saß man mit 137 fertigen rechten Giebeln, aber keinem linken Giebel da“, geht es in den Erinnerungen weiter. In den nächsten Jahren konnten diese auch nicht mehr verarbeitet werden, weil in Deutschland niemand Geld hatte, sich ein solches Haus zu leisten. Zwei der Häuser wurden noch errichtet: beide stehen heute noch in Gernsbach, eines davon steht in der Austraße, das Modell Typ Gernsbach I steht in der Friedrichstraße.
Ein rares Dokument der letzten Phase der Hoba-Abteilung findet sich im Hauptstaatsarchiv in Freiburg. Dort ist festgehalten, dass sich im Jahr 1950 die Fa. Katz & Klumpp darum beworben hatte, Holzhäuser für den Vatikan zu liefern. Doch dieser Auftrag kam nicht mehr zustande.
1954 erfolgte die Auflösung der Hoba-Abteilung. Das bedeutete das Aus nicht nur für einen zukunftsträchtigen Fertigungsbereich, sondern auch für viele Beschäftigte. Die Arbeitskräfte wechselten zur Bierglasuntersetzerfabrik nach Weisenbach oder zu Daimler-Benz. Die Pläne, die Holzbau-Abteilung in eine Wohnbau-Abteilung großen Stils umzurüsten, wurden nicht weiter verfolgt. Der Plan hatte vorgesehen, der Holzabteilung ein Betonwerk und eine Abrichterei von Metallbestandteilen anzugliedern. Doch diese Pläne wurden nicht umgesetzt: 1954 wurde die Fertigungsstätte der Hoba zum Betonschwellenwerk umgebaut.
Lange Tradition als Wohnhaus
Das Haus in der Jahnstraße 7 wurde von Katz & Klumpp als Wohnhaus gebaut. Ende der dreißiger Jahre wohnte darin der Sohn des Prokuristen und Oberbuchhalter Gustav Abel sen. mit seiner Frau Gogi. Damals hieß die Adresse noch Gartenstraße 7. Erst 1952 wurde auf Antrag des Turnvereins Gernsbach die Umbenennung in Jahnstraße vollzogen. Gleichzeitig wurde die Genehmigung erteilt, ein Jahn-Denkmal an dem damaligen Progymnasium zu errichten.
Das Haus wurde 2020 umfassend renoviert. Foto: SPIELWIESE GmbH
Die Kriegsereignisse schrieben die Geschichte des Hauses weiter: Gustav Abel jun. war als Dolmetscher in der Wehrmacht eingesetzt und konnte die Familie seiner Frau, die aus Düren stammte, vor den Bombardements des Ruhrgebiets retten. Sie fanden Zuflucht in dem Haus am Bachgarten. Nach Kriegsende beschlagnahmten die Franzosen das schmucke Haus, erst 1957 wurde es wieder freigegeben.
Die Stadt Gernsbach, die seit 1963 Eigentümer des Hauses ist, hat dieses Haus zu Wohnzwecken vermietet. In den letzten Jahren wurde es als Anschlussunterkunft für Flüchtlingsfamilien genutzt. Einen prominenten Mieter hatte das Haus gleich zu Beginn der städtischen Ära in dem Haus: der katholische Pfarrer Heinz Marbach, der als junger Pfarrer 1964 nach Gernsbach kam, war kurz danach obdachlos, da ein Brand das Pfarrhaus vernichtet hatte und er erst mal eine Bleibe suchen musste. So zog er zum 1. Februar 1965 in das Haus ein, das nicht weit zu der Liebfrauenkirche liegt, und fand dort bis zur Fertigstellung des neuen Pfarrhauses sein Zuhause.
Nach der Renovierung 2020 erstrahlt das historische Bauwerk wieder in voller Pracht. Foto. SPIELWIESE GMBH
Nach der Sanierung des Hauses 2020 erstrahlt das Gebäude in neuer Pracht und sieht einer lebendigen Zukunft entgegen. Dank der umfassenden Renovierung der Innenräume, den Einbau einer Fluchttreppe, einer energetischen Sanierung und eines neuen Daches wurde ein modernes Heim für die neue Kinderkrippe geschaffen. Träger der Einrichtung ist die Spielwiese gGmbH. Die Gesellschaft, mit Sitz in Baden-Baden, unterhält weitere Einrichtungen in Gaggenau, Muggensturm und Rastatt. Dazu gehört auch der Waldkindergarten Gernsbach im ehemaligen Naturfreundehaus unter Leitung von Florian Kreuzer. Mit der Einrichtung kommt die Stadt Gernsbach dem Ziel, ausreichend Kinderkrippenplätze anzubieten, einen Schritt näher.
Gleichzeitig wird auch ein Relikt Gernsbacher Industriegeschichte vor dem Verschwinden bewahrt.
Regina Meier
Dieser Beitrag erschien im “Gernsbacher Boten” 3/2020 im Casimir Katz Verlag am 15. September 2020
Dem Thema Umbruch – Aufbruch – Veränderung ist man zu Jahresanfang ja aufgeschlossen. Gute Vorsätze begleiten uns, der Jahreswechsel mit seinen ruhigen Phasen gibt uns Zeit, sich zu besinnen, was steht in diesem Jahr an, was möchte ich bewegen?
So behandelte der Vortrag anlässlich des Jahreseröffnungs-Frühstücks des Katholischen Deutschen Frauenbunds Gernsbach Frauen in der Geschichte Gernsbachs. Seit fast 10 Dekaden existiert nun der Frauenbund in Gernsbach und so wählte ich für jede dieser Dekade eine Frau, anhand der die Zeit und die besondere Rolle der Frau dargestellt werden sollte.
Von Gernsbachern für Gernsbacher: die Denkmalnacht
am 14. September 2019
Die Gernsbacher Denkmalnacht war ein Höhepunkt in den Feierlichkeiten zum 800-Jahr-Jubiläum der Stadt. Wichtige Gebäude der Altstadt wurden illuminiert und zeigten sich wortwörtlich in neuem Licht. Bei lauen herbstlichen Temperaturen im Schein des Vollmondes zogen zahlreiche Besucher vom Katzschen Garten bis hoch zum Storchenturm und folgten einer Kette von bunten Kerzen.
Bürgermeister Julian Christ eröffnete die Denkmalnacht, gemeinsam mit der Biedermeiergruppe, den Hördener Herolde und dem Arbeitskreis Stadtgeschichte.
Bürgermeister Julian Christ eröffnete gemeinsam mit Dr. Irene Schneid Horn und Regina Meier vom Arbeitskreis Stadtgeschichte die Veranstaltung „Schau mal, hör mal, denk mal“. Flankiert von der Biedermeier-Gruppe und angezogen von den Fanfarenklängen der Hördener Herolde hatten sich bereits zum Auftakt des Abends zahlreiche Besucher vor dem Kornhaus versammelt.
Das Konzept des Veranstalters, der Stadt Gernsbach, das unter Mitarbeit des Arbeitskreises Stadtgeschichte entstand, wurde überwältigend angenommen. Über ein Jahr dauerten die Vorbereitungen für dieses Event, in der sich die Aktiven in mehreren Sitzungen über Gestaltung und Ablauf einbrachten. Etwa 40 Gruppen waren an der Durchführung beteiligt. Für alle überraschend waren der rege Zuspruch der Besucher und die Lichtpracht, in der die Denkmäler erstrahlten.
Vor jedem der zwölf Stationen war ein Licht-Punkt installiert und informierte über das Programm des jeweiligen Ortes. Viele Besucher waren allerdings schon mit einem festen Plan gekommen, den sie sich dank des frühzeitig erschienenen Flyers zusammengestellt hatten. Die Begeisterung der Besucher, durch die Gassen der Altstadt zu schlendern und die kulturellen Beiträge zu genießen, war überall zu vernehmen. An allen Ecken trafen sich die Menschen, tauschten sich über den nächsten Programmpunkt aus. Es gab auch jene, die zielstrebig durch die Gassen stürmten, da sie die nächste Aufführung nicht verpassen wollten. Doch Eile war nicht angebracht, denn spätestens hinter der nächsten Kurve traf man Bekannte und verweilte im Gespräch.
Denkmäler sind nicht nur ein Ausdruck von Geschichte, vielmehr entfalten sie ihre ganze Bedeutung, wenn sie mit Leben gefüllt werden. Und dazu gabs bei der Gernsbacher Denkmalnacht genügend vorzeigbare Beispiele: Szenenspiele, Chorgesang, Vorlese- und Mitmach-Aktionen wurden den Besuchern geboten.
Alleine die Musikrichtungen, die an diesem Abend in Gernsbach präsentiert wurden, werden sich in der Dichte nicht so schnell wiederholen:
Vor dem Kornhaus war der Chor Salt o vocale zu hören.
Der Chor Salt o vocale unter Leitung von Achim Rheinschmidt war vor dem Kornhaus zu hören. Im Katzschen Garten bot der Chor Ucelli Canori, geführt von Irmgard Löb-Spöhr, Lieder aus Pop, Rock, Gospel und Musicals. Das Trio CAN – Claudia und Anne Dresel und Nela Samuelis – hatte ein ganz besonderes Repertoire an schaurigen Liedern zusammengestellt und präsentierte dieses im historischen Kellergewölbe am Stadtbuckel. Musica Antiqua mit ihren mittelalterlichen Klängen und keltischer Folklore sowie die alpenländischen Stubenmusik der Gruppe BriMaTonVoka unter Leitung von Brigitta Herzog zogen die Zuhörer im Alten Rathaus in Bann. In den Kirchen gabs Orgelmusik, und in der St. Jakobskirche spielte das Kammerorchester Werner Roth.
Ucelli Canori im Katzschen Garten
Im Katzschen Garten hatten sich Tanja und Jürgen Illig auf die Begrüßung der Gäste vorbereitet und sorgten mit zahlreichen Fackeln für ein stimmungsvolles Ambiente. Wahre Menschentrauben interessierten sich für die Führungen zu den Kleinoden des Gartens.
in Nachtwächter wachte über die Sicherheit in den Gassen. Rudi Seifried hatte sich spontan bereiterklärt, diese Rolle zu übernehmen und verkündete stilecht und eindrucksvoll den jeweiligen Wächterruf: „Hört ihr Leut und lasst euch sagen…“
Türmwächter am Storchenturm
In die Rolle der Turmwärter schlupften an diesem Abend Christoph Gerber und Gerhard Seidel. Angekündigt durch Fanfarenklänge der Hördener Herolde, die in der ganzen Stadt zu hören waren, wechselten sie stündlich wortgewandt ihren Dienst am Storchenturm. Sie gaben in einem launigen Dialog einen Einblick in ihre einst wichtige Aufgabe für die Stadt.
Im Alten Rathaus führte der Historienstadl Gernsbach die überlieferte Geschichte über die Hexe von Gernsbach aus dem 17. Jahrhundert auf, die Dr. Cornelia Renger-Zorn in Szene gesetzt hatte.
Vor dem Kornhaus diskutierten Ernst Ludwig Posselt und Friedrich Weinbrenner in einem fiktiven Gespräch über die Probleme des 18. Jahrhunderts, dargestellt von Wolfgang Froese und Dr. Ulrich Schumann in historischen Gewändern.
Großer Andrang herrschte bei den Führungen in den Kellern Hauptstraße 28, dem Wolkensteinschen Keller und den Zehntscheuern.
Reger Besuch in den Zehntscheuern.
Die Bewirtungs-Crew in den Zehntscheuern hatte alle Hände voll zu tun, dem Andrang der Besucher gerecht zu werden. Die Führungen in den frisch renovierten Scheuern mussten reglementiert werden. Ebenso ging es in der Hauptstraße 23 zu. Dort hatten Annegret Kavelage und Sabine Giersiepen den Kunstraum und den Durchgang zur Amtstraße ansprechend ausgeleuchtet. Einen wahren Zustrom von Interessierten fanden die Aktivitäten im ausgeräumten Kellergewölbe. Die stündlichen Aufführungen des Gesangstrios CAN im Wechsel mit der Geschichtenerzählerin Brigitte von Hattem hatten regelrecht Magnetwirkung am Stadtbuckel.
Das Marienhaus erstrahlte mit blau-roten Spots.
Auch die Jüngeren kamen auf ihre Kosten, wie beispielsweise beim Basteln in der ehemaligen Nähstube des Marienhauses. Die Bücherei hatte sich auf ihre Herkunft besonnen und bot eine Nähaktion für Groß und Klein. Bei älteren Gernsbacher wurde die Erinnerung wach, wie sie hier einst von der Nähschwester unterrichtet wurden.
Eine Entdeckung für viele Besucher war der geöffnete Wolkensteinsche Hof. Hier sorgten die Bleichhexen mit ihrer Bewirtung in dem weitläufig, privaten Innenhof, der von früheren Altstadtfesten noch vielen Gernsbachern in Erinnerung war, für einen willkommenen Ruhepol in dem schrittintensiven Abklappern der Denkmalnacht-Aktionen.
Dort fanden die Vorlese-Aktionen in der rustikal dekorierten Scheune zahlreiche Zuhörer. Für eine knappe halbe Stunde ließen sie sich in die Welt von Hexen und Geistern entführen. Janina Bender, Katja Weißhaar und Petra Bender-Rheinschmidt hatten dazu spannende und lustige Geschichten ausgesucht.
Das Basteln eines echten Hexenbesens faszinierte die Jüngsten. Dabei konnten sie selbst Hand anlegen, der Hexenbesenmeister Mijo Bukovic unterstützte sie mit urigen Holzbengel und Besenginster. Ein mystischer Tanz mit Licht und wallenden Gewändern hatte Frauke Leupolz vorbereitet und zog die späten Besucher in Bann.
Zur Erfrischung gabs Apfelsaft, vor Ort frisch gepresst von der Süßmostgruppe Gernsbach, auch hier konnten interessierte Kinder aktiv mithelfen. Viele machten im Wolkensteinschen Hof kurze Rast, bevor sie den Rest des Stadtbuckels erklommen und die Attraktionen in der Liebfrauenkirche genossen.
Die Aufführung der Antiphonen fand in der Liebfrauenkirche statt.
Dort hatte Holger Becker, Organist, ein spannendes musikalisches Repertoire zusammengestellt. Die zahlreichen Besucher, die für ein volles Kirchenschiff sorgten, honorierten diese besonderen Darbietungen. Sicher war die Aufführung der Antiphonen ein Höhepunkt in der abendlichen Programmgestaltung der Liebfrauenkirche.
Das als Makulatur verwendete Doppelblatt eines klösterlichen Antiphonalbuches aus dem späten 13. Jahrhundert ist die älteste Handschrift im Gernsbacher Stadtarchiv. Eine Auswahl der daraus notierten Antiphonen wurde durch eine Schola unter Leitung von Holger Becker gesanglich vorgetragen und das zur Besichtigung ausgestellte Originalpergament hörbar gemacht.
Außerdem hatte der Organist zu „Gothic pipes“ eingeladen und wurde jeweils mit einem gefüllten Gotteshaus für diese Aktion honoriert. Bekannte und weniger bekannte Orgelstücke tauchten zusammen mit entsprechender Illumination die gotische Liebfrauenkirche in eine bisher eher unbekannte Sphäre. Dazwischen sorgten Impulse von Stefan Major, Pastoralreferent der Katholischen Seelsorgeinheit Gernsbachs, für nachdenkliche Momente. Diese trug er zu Projektionen von Weltraumbildern vor, die von Stefan Hahne, Hobby-Astronom, zur Verfügung gestellt wurden und tiefe Einblicke in das Universum ermöglichten.
Ein abwechslungsreiches Programm war in St. Jakob geboten. Die Beleuchtung des Deckengemäldes hatte Walter Westhoff übernommen. Friedemann Schaber eröffnete und beschloss das musikalische Programm des Abends mit seinem Orgelspiel. Burgel Löwenthal bot zu später Stunde an der Orgel Abendlieder zum Mitsingen: „Nun ruhen alle Wälder“. Klezmer Musik präsentierten Sarah Haist mit Hansjörg Wallraff, während Werner Roth mit seinem Kammerorchester und Irene Jung mit ihrer Gruppe Musica Antiqua für weitere markante Programmpunkte an diesem Abend sorgten. Pfarrer Hans-Joachim Scholz trug Nachdenkliches zu den Musikdarbietungen vor.
Die breit gefächerten kulturellen Beiträge kamen durch die professionelle Beleuchtung der jeweiligen Stationen erst so richtig zur Geltung. Merlin electronic, Ottenau, hatte unter der Regie von Roland Peuker und Team in die Schatztruhe der Illuminations-Technik gegriffen. Das Marienhaus erhielt mit blau-roten Spots eine eigene Strahlkraft. Die Zehntscheuern waren in rotes Licht getaucht und zogen zahlreiche Fotografen an, die sich diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten und diese magischen Lichtmomente einfingen.
Altes Rathaus
Im Zentrum der Beleuchtung stand das Alte Rathaus. Daran kam keiner vorbei, und die stimmungsvollen farbigen Strahler ließ das Renaissance-Palais in seiner ganzen Pracht erleuchten. Es strahlte von weitem und lud die Besucher ein, zum musikalischen Aktion mit Musica Antiqua oder Cello-Spiel des ASG. Viele nutzten auch den Abend, um dem Museum der Harmonie einen Besuch abzustatten.
Ganz besondere Akzente setzte die Beleuchtung der St. Jakobskirche. Der Storchenturm ragte hoch über die Stadtbefestigung empor, die illuminierte Stadtmauer bot eine ideale Kulisse für die schauspielernden Turmwärter. Auch das Kornhaus erstrahlte in faszinierendem Farbenspiel.
Marktplatz-Brunnen
Die Brunnen waren mit Windlichtern geschmückt. Auch hier zeigte sich das gute Zusammenspiel der aktiven Gruppen: der Obst- und Gartenbauverein Gernsbach, die Von-Drais-Schule und die Bleichhexen hatten jeweils die Deko eines der Altstadtbrunnen übernommen.
Noch jetzt, Wochen nach diesem Spektakel, sind die Erinnerungen an den Abend sehr lebendig und tauchen in den Gesprächen der Gernsbacher immer wieder auf.
Keiner konnte alle Aktivitäten mitmachen, doch das Bestaunen der beleuchteten Denkmäler und die vielen Gespräche mit Nachbarn und Bekannten, die man schon lange nicht mehr ohne Zeitdruck getroffen hatte, machten diesen Abend für alle Besucher und Teilenehmer zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Nochmals darf ein herzliches Dankeschön an alle Aktiven ausgesprochen werden, auf den Bühnen und hinter den Kulissen, in der Verwaltung und im Bauhof, die Licht-Techniker und an die vielen Ehrenamtlichen, die zum Gelingen dieses besondern Ereignisses beigetragen haben: sie haben uns ein tolles Geschenk zur 800-Jahr-Feier gemacht, an das sich alle, die dabei waren, noch lange erinnern werden.
Packend und anschaulich wird in diesem Buch die Geschichte der Stadt erzählt. Dabei kommt auch das Gernsbach von heute nicht zu kurz: geschildert wird die Bedeutung der Stadt als Industrie-, Fremdenverkehrs- und Schulort.
Präsentation der Neuerscheinung “Gernsbach” 1985
108 Seiten, sw- und Farbabbildungen, erschienen 1985 – vergriffen
Autorin: Regina Kunitzki