Schicksalsjahr 1923

Aufnahme der Murgpartie um 1925. Deutlich zu lesen ist das Firmenschild „Rheinische Creditbank“, die größte Bank in Baden bis 1929, die 1919 eine Filiale in Gernsbach gründete. Quelle: Stadtarchiv Gernsbach

Jahrzehntelang wurde das Jahr 1923 nicht sonderlich von der Geschichtsforschung beachtet. Die Folgen von 1933 und der Machtergreifung Hitlers beschäftigten die Historiker wesentlich mehr. Doch nun zum 100. Jahrestag rückt das Jahr stärker in den Fokus. Nicht so sehr die goldenen zwanziger Jahre stehen im Mittelpunkt, mehr die Auswirkungen der Hyper-Inflation und die Besetzung des Ruhrgebietes durch die Franzosen, um die dortige Kohle- und Koksproduktion zur Erfüllung der Reparationsverpflichtungen zu sichern. Historiker urteilen mittlerweile, dass 1923 ein Wendepunkt in der europäischen Geschichte war.[1]

Fritz Schorn wanderte 1923 als 19-Jähriger von Gernsbach in die USA aus. Foto: Familienarchiv Schorn

Auch für einen Gernsbacher war 1923 ein Schicksalsjahr. Der neunzehnjährige Fritz Schorn verließ Gernsbach und wanderte nach Amerika aus. Diese Entscheidung hat er sich nicht leicht gemacht, doch er wollte raus aus dem kleinen Haus, in dem er mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern lebte. In dem historischen, direkt auf der Stadtmauer Gernsbachs aufgesetzte Haus am Waldbach hatte er seine Kindheit verbracht.

Im Jahr 1923 stieg die Zahl der Auswanderer nach Amerika wieder an.[2] Während des Ersten Weltkrieges war eine Auswanderung nicht möglich, nach 1920 nahm sie stark zu.[3] Während es 1920 noch 19 Personen in Baden waren, die sich nach Amerika aufmachten, zählte man 1921 insgesamt 639 und 1923 sogar 7.154 Menschen. Dies war die höchste Zahl der jährlichen Auswanderer. Da ist deutlich die wirtschaftliche Notlage herauszulesen, unter denen die Badener litten. Insgesamt verließen zwischen 1921 und 1933 rund 42.000 Badener das Land. Fritz Schorn aus Gernsbach war also einer von vielen, die sich aus den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen aufmachten, um in Amerika bessere Verdienstmöglichkeiten zu finden.

Zu Beginn der zwanziger Jahre herrschte eine beispiellose Inflation und erschwerte die Lebensbedingungen in Deutschland. Die Reparationszahlungen, zu denen Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verpflichtet wurden, heizte die Geldentwertung an. So finden sich im Stadtarchiv Gernsbach Nachweise zu den Preisen der wichtigsten Lebensmittel, die regelmäßig an das Badische Landespreisamt gemeldet werden mussten.[4]

Am 16. Februar 1920 kostete in Gernsbach ein Roggenbrot 74 Pfennig, 1 kg Butter 12 Mark, ein Ei 42 Pfennig. Die schwierigen Verhältnisse werden schon in den Anmerkungen angedeutet: „Die Kartoffelversorgung war ungenügend und die im Schleichhandel dafür bezahlten Preise sehr verschieden.“ 

Am 23. August 1922 war der Butterpreis bereits bei 480 Mark, ein Ei bei 9,50 Mark, Roggenbrot bei 85 Mark. Und die Preise stiegen unaufhaltsam. Am 20. August 1923 wurde für Roggenbrot 500.000 Mark, für Butter 8 Millionen Mark und für ein Ei 250.000 Mark aufgeführt. Und wenn man erwartet, dass es da keine Steigerung mehr geben könnte, hat weit gefehlt. Bei der Meldung vom 5. November 1923 steht der Butterpreis mit 250 Millionen Mark in der Liste, für Roggenbrot und Eier werden schon gar keine Preise mehr gelistet, da es schon rasante Preisveränderung zwischen dem Vormittags- und Nachmittagspreis gab.

Im  November 1923 wurden die Preise in der Statistik nur noch in Billionen angegeben: 1 Roggenbrot 50 Billionen , Butter 6 Billionen, ein Ei 100 Millionen Mark.[5] Eine Dimension, die unsere Vorstellungskraft übersteigt, astronomische Zahlen, unkalkulierbar.

Erst die Währungsreform, die im Oktober 1923 von dem Kabinett Stresemann beschlossen wurde, machte diesem Spuk ein Ende. Mit der Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 stabilisierten sich die Verhältnisse, die Inflation war überwunden.[6] Im Januar 1924 bedankt sich das Statistische Landesamt Karlsruhe bei den Gemeinden für die „tatkräftige Unterstützung bei der Beschaffung der Unterlagen“ und teilt mit, dass nun die „Erhebung und Einsendung der Kleinhandelspreise in Wegfall“ kommt. Sicher zur Erleichterung des Bürgermeisteramtes. Die erste Statistik im Januar 1924 verzeichnet daher wieder „vernünftige“ Preise. Ein Roggenbrot kostet 33 Pfennig, Butter 4 Mark, ein Ei 22 Pfennig. [7]

Geldschein 100 Milliarden Mark wurde 1923 von der Stadt Gernsbach ausgegeben.

In den Jahren der Hyperinflation konnte auch die Ausgabe der Zahlungsmittel nicht Schritt halten. Seit 1920 wurde Notgeld gedruckt, 1923 liefen die Druckmaschinen für Banknoten auf Hochtouren. Die Reichsbank konnte den Bedarf an Papiergeld nicht mehr decken, Münzen waren schon längst verschwunden. Nun gaben Städte, Firmen und Geldinstitute Geldscheine aus. Beim Innenministerium in Karlsruhe hatten die Gemeinden Gaggenau, Gernsbach, Weisenbach und Forbach beantragt, dass sie eigenes Geld ausgeben dürfen, weil die Betriebe keine Löhne und Gehälter mangels Geldscheinen auszahlen konnten . Den „gemeinsamen Druck von 70 Millionen Mark Notgeld“ wurde den Gemeinden per Telegramm genehmigt. Doch schon vier Wochen später waren diese Scheine nur die Hälfte wert.

Kunstvoll waren die Geldnoten in den Inflationsjahren verziert.

So kam auch Gernsbach zu individuellen Noten. Bereits im Oktober 1922 wurde von der Stadt Gernsbach neue Scheine ausgegeben, von einer Stückelung von einem Zwanzig-Mark-Schein mit einem Bild von Gernsbach bis zu einem 5.000-Mark-Schein.[8]  Im September 1923 folgten ein 10 Millionen-Mark-Schein, sowie 10- und 100-Milliarden-Schein. Dieser Schein ist ein herausragendes Exemplar, bildet er doch den Storchenturm mit einem sinnigen Spruch ab: „Froh steht der Storch auf seinem Turm, wenn’s kalt wird, fliegt er weiter. Oh Mensch vertrau! Nach jedem Sturm wird’s Wetter wieder heiter.“ Alfred Kusche, Professor an der Karlsruher Baugewerbeschule, hatte für Gernsbach schön gestaltete Geldscheine entworfen und versah sie mit sinnigen Sprüchen. Irgendwann sparte man sich die aufwändige Gestaltung, man kam mit den Verzierungen nicht mehr nach.

(Fortsetzung folgt)

Regina Meier

[1] Ruhrbesetzung 1923 – Ein Jahr spricht für sich“, Hrsg. Werner Boschmann, Bottrup 2023, Seite. 198

[2]  Willi A. Boelcke, Sozialgeschichte Baden-Württembergs 1800 – 1989, Seite 303

[3] Karl Stiefel, Baden, Band 1, Karlsruhe 1977, Seite 432

[4] Stadtarchiv Gernsbach, Verwaltungssachen, GE Abt. II, Nr. 3315A 

[5] Stadtarchiv Gernsbach, Verwaltungssachen, GE Abt. II, Nr. 3315A

[6] Volker Ulrich, Deutschland 1923 – Das Jahr am Abgrund, München 2022, Seite 258

[7] Stadtarchiv Gernsbach, Verwaltungssachen, GE Abt. II, Nr. 3315A 

[8] Hans Meyer, Das Papiernotgeld von Baden 1914 – 1924, Berlin 1973, Seite 16f.

Der Artikel erschien im Gernsbacher Bote 2/2023, Seite 6-7

 

 

 

 

 

Ludwig Dill und die Deutsche Kunstgesellschaft

Die Schlusssätze des Artikels im „Gernsbacher Bote“ 1/2023 zum 175. Geburtstag von Ludwig Dill signalisieren, dass man sich mit dem Menschen Ludwig Dill weiter beschäftigen muss: „Für die weitere Recherchen über die Verbindungen von Ludwig Dill zu den nationalsozialistischen Kreisen bedarf es der Historiker, die Archivmaterialien und Korrespondenzen aufarbeiten.“ [1] Aus lokalhistorischer Sicht kam ich bei der Bewertung der Verbindungen Ludwig Dills, Ehrenbürger der Stadt Gernsbach, zu den Nationalsozialisten vor Redaktionsschluss der Frühjahrsausgabe des „Gernsbacher Boten“ bei den mir bekannten Quellen nicht weiter. Da sind Menschen gefragt, die die bisher nicht erforschten Quellen sichten und in ihren Kontext stellen können.

Ein Künstler, der in nationalsozialistischen Zeiten zum Ehrenbürger zweier Städte ernannt wird und nach dem Straßen benannt werden, muss der nationalsozialistischen Führung genehm gewesen sein. Dies wurde in verschiedenen Veröffentlichungen in der Zeit ausgeführt. Zum 87. Geburtstag von Ludwig Dill erschien 1935 eine ausführliche Würdigung seiner Werke in der Zeitung „Der Führer“: „Es ist erstaunlich, wie Dill schon vor Jahrzehnten aus seinem lebendigen Glauben an die deutsche Kunst in seinen Werken ein Bekenntnis ablegte, daß erst heute in der Allgemeinheit beginnt, sich als richtig durchzusetzen. Er weiß es und malte es uns mit stark zu Herzen gehender Nachdrücklichkeit und Klarheit, daß die Erde unsere wahre Heimat ist, das natürliche Geschöpf der reinen Rasse und die natürlichste Natur.“[2]

Dills Werke fanden auch den Gefallen der nationalsozialistisch ausgerichteten Kunst-Verwaltung. So erhielt er zu seinem 88. Geburtstag ein handsigniertes Bild von Adolf Hitler.[3]

Doch wie weit reichte die Sympathie Dills zu der NSDAP? Hat sich Ludwig Dill aktiv für die nationalsozialistischen Zielen eingebracht? Oder wurde der renommierte und betagte Künstler von den politischen Entscheidern oder von den Vertretern der „Deutschen Kunst“ vereinnahmt?  

Die Fragen ließen mich nach Abgabe des redaktionellen Artikels für den „Boten“ nicht los. Ansatzpunkt für die meine neueren Recherchen war der Beitrag von Michael Koch in denBadischen Biographien“ 1990. Er legt dar, dass sich Ludwig Dill, nachdem er sich zur Ruhe gesetzt hat, der “Deutschen Kunstgesellschaft” angeschlossen hat, einer Keimzelle des nationalsozialistisch gelenkten „Kampfbundes für deutsche Kultur“.[4]

Erste Recherchen im Stadtarchiv Karlsruhe und im Landesarchiv Baden-Württemberg belegen, dass Ludwig Dill zum Vorstand der “Deutschen Kunstgesellschaft” gehörte, doch weitere Details sind erstmal nicht zu ermitteln. Die Sucharbeit geht weiter. Die Durchsicht der lokalen Zeitungen aus den 1930er Jahren wird in den Archiven in Karlsruhe sowie in dem umfangreichen digitalisierten Bestand der Badischen Landesbibliothek durchgeführt. Kontakte zu den Nachfahren von Ludwig Dill in Dachau werden geknüpft, Korrespondenz zu den Dachauer Galerien und Museen aufgenommen, wo sich zahlreiche Dill-Gemälde befinden und wo zum 150. Geburtstag eine umfangreiche Werk-Schau durchgeführt wurde. Doch keine der Quellen hat bisher die Aktivitäten und die Beziehungen von Ludwig Dill zu der „Deutschen Kunstgesellschaft“ aufgearbeitet. Eine Dissertation von Kirsten Baumann „Wortgefechte: völkische und nationalsozialistische Kunstkritik 1927 – 1939“ geht wohl nur in wenigen Stellen auf Ludwig Dill ein, doch zeigen sie die enge Verbindung und gegenseitige Akzeptanz zwischen der Gesellschaft und Dill.[5]

„Die ‚Deutsche Kunstgesellschaft, Sitz Dresden‘ hat den alleinigen Zweck, wesenhafte und rein Deutsche Kunst zu fördern!“, zeigt Baumann zweifelsfrei auf. Beachtenswert ist, was die Kunstgesellschaft unter „Deutscher Kunst“ versteht. Dazu gehören nach deren Definition nur Werke von „deutschen“ Künstlern, davon werden jüdische und expressionistische Künstler ausgeschlossen. Somit gehören Max Liebermann, Otto Dix, Max Pechstein, nicht zu dem Kreis, Künstler, deren Werke später als „entartete“ Kunst klassifiziert wurden. Die Kunstgesellschaft bekannte sich zum Kampf gegen den „Verfall Deutscher Kunst“ und gegen „die alten Erbfeinde Deutschen Wesens, Rom und Juda“, sie nahm deshalb nur „deutschstämmige Künstler“ auf.[6]

Ludwig Dill engagiert sich in der „Deutschen Kunstgesellschaft“ bereits in den 1920er Jahren. 1927 hatte er das Amt des 2. Vorsitzenden der Gesellschaft inne. Über diese Anfänge erinnert sich Malerin und Begründerin der Gesellschaft Bettina Feistel-Rohmeder im Jahr 1938: „Wir von der ‚Deutschen Kunstgesellschaft‘, die wir vor elf Jahren als wahrlich ‚ein Häuflein klein‘ den Kampf um die Deutsche Kunst begannen!“[7] Feistel-Rohmeder, eine einstige Schülerin Ludwig Dills, äußerte sich immer wieder in ihrer deutlichen Wortwahl als überzeugte Vertreterin nationalsozialistischen Gedanken.  

Die Leistung von Ludwig Dill als 2. Vorsitzenden wird von Feistel-Rohmeder hoch eingeschätzt: „Diesem Namen verdanken wir alle Fortschritte in der Künstlerschaft während der Jahre 1927-1932.“[8] Ludwig Dill war von dem 1. Vorsitzenden der Gesellschaft gewonnen worden, von Heinrich Blume, Lehrer und Reichstagsabgeordneter. Dieser ist damals in der Öffentlichkeit radikal antisemitisch aufgetreten.

Eine der Gründe für den aufkommenden Antisemitismus kann man als Folge der Hyperinflation von 1923 sehen, die wiederum eine Folge des Ersten Weltkriegs war. Es wurde ein Sündenbock für die verheerenden Folgen der Geldentwertung gesucht. Der Stempel des „Schiebers“, der sich auf Kosten der Mitmenschen bereichert, wurde den Juden angehängt.[9]

Die „Deutsche Kunstgesellschaft“ ging aus dem 1894 gegründeten völkischen und antisemitischen „Deutschbund“ hervor. Feistel-Rohmeder stand Richard Müller zur Seite, ein Professor an der Kunstakademie Dresden, der 1911 bereits den „Protest deutscher Künstler“ gegen eine „Überfremdung“ des Kunstmarktes mitunterzeichnet hatte.

Bettina Feistel-Rohmeder stellt bereits 1927 nach dem Aufkauf eines Gemäldes von Max Pechstein, Expressionist, von Reichspräsidenten Hindenburg für ein Gastgeschenk in die Schweiz die demagogische Frage: „…ob wir denn schon so arm an deutschblütigen und in Deutschen Sinne schaffenden Künstlern sind, dass wir Deutsche Kunst im Ausland durch einen Führer des Expressionismus oder Judenstiles vertreten lassen müssen.“[10]

Die Beweggründe von Ludwig Dill, sich aktiv in der „Deutschen Kunstgesellschaft“ einzubringen, sind ohne weiterem Quellenstudium nicht nachzuvollziehen. Vielleicht rühren sie aus seiner Enttäuschung heraus, dass seine Kunst nicht mehr gefragt war. Er hat in seinen späten Jahren, als er künstlerisch und gesellschaftlich nicht mehr im Mittelpunkt stand, die Wertschätzung durch die „Deutsche Kunstgesellschaft“ gerne angenommen. Für ihn bot die Vereinigung ein Forum, seine Kunst publik zu machen. Seine Werke wurden nicht mehr in den großen Ausstellungen berücksichtigt.

Wesentliche Aufarbeitung der Ziele der Kunstgesellschaft und ihrer Organe sind in der Dissertation von Kirsten Baumann zu finden. Sie stellt detailliert die Verflechtungen der Künstlergesellschaften mit der NSDAP dar. Dabei untersucht sie die Zeitschriften „Deutsche Kunstkorrespondenz“, „Deutscher Kunstbericht“ und „Deutsche Bildkunst“. Dabei zeigt sie auf, dass der Maler Ludwig Dill die Herausgeberin Bettina Feistel-Rohmeder tatkräftig unterstützt hat.[11]

Baumann beschreibt die „Deutsche Kunstgesellschaft“ in Dresden als eine kleine, extrem aggressive völkisch-fundamentalistische Gruppierung. „Sie eröffnete den publizistischen ‚Kunstabwehrkampf‘ gegen die künstlerische Moderne, der bis zur Großen Deutschen Kunstausstellung bzw. der ‚Entarteten Kunst‘ in München andauerte.“ Sie bezeichnet die Mitglieder als völkische Fundamentalisten. „Diese völkischen Fundamentalisten waren in erster Linie Maler, aber auch Kunsthistoriker und nationalsozialistische Politiker, die sich einer konstruktiven Auseinandersetzung ebenso wie einem fachlichen Dialog über Kunst verweigerten und eine willkürliche, sektiererische Selbstabschließen betrieben.“[12] Weiter charakterisiert sie die Mitglieder: „Die Maler aus dem Umfeld der Deutschen Kunstgesellschaft bildeten einen kleinen, homogenen Kreis von traditionell akademisch arbeitenden Künstlern, Landschafts- und Tiermalern, die teilweise auch mythisch-germanischen Themen verhaftet waren. Ihr eigenes Schaffen betrachteten sie als vorbildlich für die zukünftige ‚deutsche‘ Kunst. Sie sahen sich als verkannte künstlerische Elite und Opfer einer systematischen Vernichtung ‚deutscher‘ Kunst durch die international aufgeschlossenen Kulturpolitik der Weimarer Republik.“[13]

Auch der „Arierparagraph“ muss Ludwig Dill bewusst gewesen sein. Dieser ist in den Richtlinien zur Durchführung von Ausstellungen der „Deutschen Kunstgesellschaft“ zu finden. „Nur Werke Deutschblütiger Künstler“ waren zu Ausstellung zugelassen.

Daher war es der Gesellschaft ein Dorn im Auge, dass bei der „I. Ausstellung rein Deutscher Kunst“ 1929 in Lübeck auch Werke von Max Liebermann zu finden waren. Max Liebermann gehörte als Jude und Vertreter der neuen Kunstrichtungen zu den von der Gesellschaft bekämpften Malern. Bettina Feistel-Rohmeder führt in dem „Deutschen Kunstbericht“ 1930 aus: „In der ‚Deutschen‘ Kunstausstellung aber, wo z.B. für einen Deutschen Altmeister wie Ludwig Dill heuer kein Platz war, füllten sich weite Säle mit den Klecksereien notorisch Unbegabter.“[14]  Die Rede ist von der deutschen Kunstausstellung München, im Glaspalast, 1930.

Ludwig Dill war bis ins hohe Alter geistig rege und aktiv. So schrieb er, auch als er weit über 80 Jahre alt war, Briefe und Postkarten, von Hand und in einer schönen Schrift. [15]

Bereits 1933 würdigte die Zeitung „Der Führer“ anlässlich des 85. Geburtstag die Verdienste des Künstlers Dill: „..der für eine hochstehende, lebendige artgerechte Malerei eintrat“.[16] In dem gleichen Artikel zieht „Der Führer“ aus Anlass der Ausstellung im Badischen Kunstverein das Resümee: „Mit den folgenden Ausstellungen dürfen wir erwarten, daß der Badische Kunstverein wirklich einen deutschen Kurs auf weitere Sicht einschlagen wird, und daß alle die Kräfte durch ihn gefördert werden, die aus den Wurzeln unseres Volkstums wachsen; denn nichts ist in den letzten Jahren so vernachlässigt worden wie eine wirklich nationale Kunst.“ [17] 

Die Recherchen in Museen und Archiven sowie das Auswerten der Literatur bestätigen mich in der Einschätzung der Fakten, die ich mir vor dem Eintauchen in die Unterlagen der 1920er und 1930er Jahren gebildet hatte: Es bedarf der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Lebens von Ludwig Dill und ein intensives Studium von Quellen zu seiner Person und seinem Werk. Hoffentlich nimmt sich einer der Bewahrer und Kenner der Dill-Werke dieser Aufgabe an und gibt eine Studie in Auftrag oder formuliert dazu eventuell eine Magister- oder Doktorarbeit. 

Regina Meier

 

Quellen

Stadtarchiv Gernsbach, 02.13, Ludwig Dil

Michael Koch, Ludwig Dill; in: Badische Biographien NF 3 (1990)

Baumann, Kirsten, Wortgefechte: völkische und nationalsozialistische Kunstkritik 1927 – 1939, Weimar, 2002

Bettina Feistel-Rohmeder, Im Terror des Kunstbolschewismus: Urkundensammlung des “Deutschen Kunstberichtes” aus den Jahren 1927 – 33, Karlsruhe 1938

Artikel in “Der Führer”, Das Hauptorgan der NSDAP Gau Baden; der badische Staatsanzeiger, Karlsruhe, Führer-Verlag   

[1] Gernsbacher Bote, Casimir Katz Verlag, Gernsbach, 1/2023, S. 10f.

[2] Der Führer; Das Hauptorgan der NSDAP Gau Baden; der badische Staatsanzeiger, Karlsruhe, Führer-Verlag,  Der Führer am Sonntag, 1935; (3.2.1935), Seite 5

[3] Karlsruher Tagblatt, Karlsruhe, Müller Verlag, 1937, 1.2.1937, Seite 5

[4] Michael Koch, Ludwig Dill, in: Badische Biographien NF 3 (1990), 59-60

[5] Kirsten Baumann, Wortgefechte: völkische und nationalsozialistische Kunstkritik 1927 – 1939,Weimar, 2002

[6] Jörg Osterloh, Ausschaltung der Juden und des jüdischen Geistes, 2020, S. 106

[7] Bettina Feistel-Rohmeder, Im Terror des Kunstbolschewismus – Urkundensammlung des Deutschen Kunstberichts aus den Jahren 1927-33, 1938,

[8] Feistel-Rohmeder, a.a.O., S. 214

[9] Christoph Jahr, Hyperinflation stand am Anfang der Goldenen Zwanziger, Neue Zürcher Zeitung 25.3.2023, S. 42f.

[10] Feistel-Rohmeder, a.a.O., S. 10

[11] Baumann, a.a.O., S. 56

[12] Baumann, a.a.O., S. 9

[13] Baumann, a.a.O.,, S. 21

[14] Feistel-Rohmeder, a.a.O., S. 96

[15] Stadtarchiv Gernsbach, 02.13, Ludwig Dill, Schriftverkehr mit Paula Stoll, Karlsruhe

[16] Der Führer, 1933, 11. März 1933, Seite 8

[17] Der Führer, 1933, 11. März 1933, Seite 8

 

 

 

 

Bermersbacher Grat im Frühjahr

Zum zweiten Mal wandern wir auf dem Bermersbacher Grat. Im vergangenen Jahr wurde mir dieser dieser landschaftlich wunderschöne Pfad vorgestellt, und dieses Jahr habe ich diese Tour wiederholt.

Wieder war ich völlig begeistert von der Wegführung entlang des Höhenkamms, mit anspruchsvollen Steigungen auf dem verschlungenen Pfad. Sicher – der Aufstieg von Bermersbach zur Höfelskopf-Hütte ist steil und anstrengend, aber die Aussicht von dort oben ins Murgtal und auf den gegenüberliegenden Höhenrücken ist einmalig.

Danach folgt ein Wanderpfad, wie man ihn sich nicht schöner vorstellen kann: auf einem weich gepolsterten Untergrund geht man zwischen Heidelbeer-, Preiselbeer- und Rauschbeer-Sträuchern hindurch. Man kann sich gar nicht satt sehen an dem Grün der Moos-Teppiche und den urigen Felsformationen – bis man irgendwann vor einem Granit-Kreuz steht, der den Höhepunkt des Weges darstellt. Meint man! Doch es geht weiter, noch höher, noch urtümlicher, noch grüner.

Der Weg abwärts führt an einem laut plätschernden Bach entlang, gesäumt von vermoosten Baumstämmen, der in den Bermersbacher Wasserfällen endet.

Über einen schmalen Wiesenweg kommt man zurück an die Ebet-Mühle, wo man noch gemütlich Rast machen kann, bevor man wieder nach Bermersbach zurückkehrt.

Ein gelungener Frühlings-Rundweg, genau richtig für die Wandersaison-Eröffnung. 

Wolf Biermann. Rastatt – Karlsruhe – Berlin

Im April dieses Jahres hatte der Deutsch-Israelische Freundeskreis gemeinsam mit der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe Wolf Biermann eingeladen. Und das Jubez, das Kulturzentrum am Kronenplatz in Karlsruhe, war bis auf den letzten Platz gefüllt. Gemeinsam mit dem ZEIT-Journalisten Andreas Öhler nahm Wolf Biermann das Publikum mit auf seine Reise durch die deutsche Geschichte der letzten 50 Jahre, immer in Bezug auf seine enge Verbindung zu Israel und seinem Buch „Mensch Gott!“.

Er erzählte von seinem kürzlichen Auftritt in der Elbphilharmonie, in Paris und in Israel. Humorvoll und todernst zugleich, manchmal polternd und mit peitschenden Worten, manchmal einfühlsam und verhalten trug er seine Lieder und seine Gedanken vor. „Die Tränen der Mütter von toten Soldaten sind alle gleich“, war einer seiner Anmerkungen zum Ukraine-Krieg.
Höhepunkt war sicherlich die Aufführung seines neuen Liedes „Späte Ermutigung“. Dafür hatte er für das Publikum eine Kopie seines Textes samt Noten vorbereitet. Begeisterten Applaus gab es bei dem Lied „Lass dich nicht verhärten“, das zu seinen Klassikern gehört. So kennt man Biermann, so hat er Geschichte geschrieben.

Die Stephanus-Buchhandlung erlebte nach der Veranstaltung einen wahren Ansturm auf die Biermann-Bücher. Wolf Biermann hatte alle Hände voll zu tun, den Signierwünschen nachzukommen. Dies machte er viel Geduld und allerlei humorvollen Kommentaren. Vor allem, als ich ihm das Foto von 1999 zeigte, das im LWG Rastatt von der Signierstunde nach seinem Konzert gemacht wurde.

Damals gestaltete er auf Einladung des „Amtes für Schulen, Kultur und Sport der Stadt Rastatt“ im Ludwig Wilhelm Gymnasium einen Liederabend „Süßes Leben – saures Leben“. Damals beschrieb er sein Programm: Diese Lieder haben den Ton, den das Publikum seit Jahrzehnten kennt, aber sie bewegen sich noch mehr als früher in meiner familiären Heimat und zugleich vertrauter in der weltweiten Fremde.“

Im April 1999 waren seine Texte genau so provozierend wie zu der Erstehungszeit in den sechziger Jahren, als er  zum radikalen Kritiker an der Parteidiktatur der DDR wurde. Seine Ausbürgerung 1976, die er nach dem totalen Auftritts- und Publikationsverbot in den sechziger Jahren hinnehmen musste, führte damals zu einer Protestbewegung in Ost und West. Damals musste Wolf Biermann einne neuen Anfang wagen, ungewollt, aber ohne Alternative.

Der Dichter wurde mit allen großen deutschen Literaturpreisen ausgezeichnet. Seine Gedichtbände sind unter den meistverkauften der deutschen Nachkriegsliteratur.

Eine weitere Ehrung wurde ihm in diesem Jahr zuteil. Die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum zeigt in der Ausstellung “Wolf Biermann – ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland“ vom 7. Juli 2023 bis 14. Januar 2024.

Wie das Museum ankündigt, thematisiert die Ausstellung Wolf Biermann vor dem Hintergrund der besonderen Stellung, die die Kultur in der DDR einnahm. Sie folgt dem Werdegang des Liedermachers von seiner Übersiedelung in die DDR über erste künstlerische Erfolge bis zum Auftrittsverbot und schließlich seiner Ausbürgerung. Diese stellte ihn vor eine Herausforderung: Wie definierte sich ein Liedermacher neu, der sich bei aller Kritik an der SED-Führung als Kommunist verstand? Als 1989 die Bürgerrechtsbewegung in der DDR erstarkte und die Regierung ins Wanken geriet, blieb Biermann vorerst Zaungast. Eine ausführliche Station ist auch der Familiengeschichte Wolf Biermanns gewidmet: Für Biermann, dessen Vater Dagobert als Jude und Mitglied des kommunistischen Widerstands in Auschwitz ermordet wurde, war dies nicht erst nach seiner Ausweisung aus der DDR zentral.

Frühlingstour zum Kleinen Matterhorn

Keine Bange – es geht bei der ersten Fahrrad-Tour des Jahres 2023 nicht gleich in die Schweizer Berge, geschweige denn zu einem der bekanntesten Berge der Alpen. Vielmehr gibt es im Murgtal hoch über Forbach einen ebenso markanten Felsen, der das “Kleine Matterhorn” genannt wird. Bei herrlichstem Frühlingswetter machen wir uns zu unserer ersten gemeinsamen E-Bike-Tour auf. Es beginnt klassisch übers Waldbachtal hoch zum Müllenbild und weiter zum Haidenell und Lindel auf die Rote Lache. Werner steuert den neuen Steinedeck-Trail an, ich  kehre über das Kleine Matterhorn zurück ins Murgtal. Herrliche Ausblicke ins Tal und die Sicht auf blühende Baume verführen mich zu so manchem Halt bei der steilen Abfahrt. Und auch bei der wohlbekannten Strecke von Weisenbach nach Gernsbach gibts neue Blickpunkte: ein neuer Aussichtspunkt oberhalb der Katz Werke, das neu errichtete Kappler-Kreuz an der Schlossstraße und last, but not least die österlich geschmückten Brunnen in der Altstadt von Gernsbach.  Ein schöner Abschluss der Ostertage 2023!

Und was war sonst noch los in Gernsbach: jede Menge! Spannend war das morgentliche Erlebnis am Storchenturm. Ein Storch machte kurz Rast auf dem historischen Wehrturm. Doch leider war er bis zur Krönungsmesse in der Liebfrauenkirche schon wieder verschwunden. Wer weiß, vielleicht kommt er doch noch wieder? Anita Steimer konnte ihn kurz in einem Foto einfangen.

Maler Ludwig Dill vor 175 Jahren geboren

Nahe der Hauptschule Gernsbachs findet sich die Ludwig-Dill-Straße. Sie ist nach dem bekannten Maler Ludwig Dill benannt, der 1848 in Gernsbach geboren wurde – vor nunmehr 175 Jahren.

Dill gehört zu den prominenten Künstlern des 19. Jahrhunderts und seine Werke sind in Museen und Sammlungen auf der ganzen Welt zu finden.

Geburtshaus Ludwig Dill in Gernsbach

Der Vater, mit dem gleichen Vornamen Ludwig, kommt 1845 als Amtsassessor ans Gernsbacher Bezirksamt und ist während der badischen Revolution als Vertreter des Großherzogs im Amt. Die frühen Kindheitsjahre verbringt Ludwig in seinem Elternhaus am Stadtbuckel in Gernsbach, in der Hauptstraße 45 und eine Tafel erinnert noch heute an den berühmten Sohn der Stadt. 1856 wird der Vater nach Durlach versetzt. Von dort aus zieht die Familie weiter nach Stuttgart, wo der Sohn Ludwig am Polytechnikum zunächst Ingenieurwissenschaften, dann Architektur studiert. Vom Berufswunsch des Sohnes als Maler sind die Eltern zunächst nicht begeistert, doch die zahlreichen Erfolge des Sohnes beruhigen sie. „Wenn ich meinen Eltern gesagt hätte, ich wolle Kaminkehrer werden, hätten sie nicht mehr entsetzt sein können  als über den Maler“, schreibt er in seinen Memoiren.

Ludwig Dill wird schon früh künstlerische Anerkennung zuteil, seine Werke sind gefragt. Den Durchbruch als Maler erreicht er durch die Werke, die er bei seinen Studienreisen durch Italien geschaffen hat.1893 wird er Preisrichter für die Weltausstellung in Chicago berufen und 1900 nach Paris.

Dill ist bei führenden Künstlervereinigungen Deutschlands jener Jahre eine treibende Kraft. 1893, im Gründungsjahr der Münchner Sezession, übernimmt er deren Geschäftsleitung und wird in Dachau sesshaft. Auch hier gibt die Landschaft dem Maler viele neue Impulse für die künstlerische Weiterentwicklung. 1894 gründet er mit anderen Kollegen außerdem die Künstlervereinigung Neu-Dachau. 1899 wird Dill an die Akademie in Karlsruhe berufen und zum Professor für Landschaftsmalerei ernannt. Diese Stellung hält er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1919 inne.

Ludwig Dill. Quelle: Stadtarchiv Karlsruhe

Nach dem Ersten Weltkrieg wird Ludwig Dill zu einer hoch geachteten Persönlichkeit, die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Karlsruhe ist nur ein Ausdruck davon. Mehrere Ausstellungen in Mannheim, Karlsruhe und München würdigen sein Schaffen als Maler.

Gernsbach ließ es sich nicht nehmen, den berühmten Künstler bereits zu seinen Lebzeiten zu ehren. So wurde 1935 anlässlich seines 87. Geburtstages eine der „neu in Angriff genommenen Straßen“ in Ludwig-Dill-Straße benannt. Zum 90. Geburtstag wird Dill zum Ehrenbürger der Stadt Gernsbach ernannt.

Ludwig Dill: Hochwasser am Altrhein.

Zum Dank schenkt Ludwig Dill seiner Geburtsstadt das Ölgemälde „Hochwasser am Althrein“. Er hat das Bild in einer Ausstellung in Baden-Baden gezeigt und ist der Meinung, es „kann sich sehen lassen“. Dill äußert aufgrund der Größe des Werkes die Bitte, ob „im Rathaus oder sonst wo, eine geeignete Wand für das Bild“ vorhanden sei. Das Gemälde entstand 1913 und ist in der Reihe seiner imposanten Baumbilder zu sehen. Es zeigt knorrige Bäume in einem überschwemmten Landstrich und ist ganz in gelb-grünen Tönen gehalten.

Die Gesundheit des Malers erlaubt ihm nicht, 1938 die Ehrenbürgerwürde Gernsbachs persönlich entgegen zu nehmen. Auf die Einladung des Bürgermeisters nach Gernsbach antwortet der Jubilar: „Ihrer gütigen Einladung nach Gernsbach zu kommen, wird bei meinem Zustand, der hoffnungslos erscheint, kaum in Erfüllung gehen.“ Ludwig Dill stirbt am 31. März 1940 in Karlsruhe.

1998 fand eine große Gemäldeausstellung anlässlich seines 150. Geburtstages statt. Unter der künstlerischen Leitung des Museumsvereins Dachau konnte die Ausstellung auch im Gernsbacher Rathaus gezeigt werden und bot eine Übersicht über die verschiedenen Schaffensperioden. Gleichzeitig erschien ein umfassender Werkkatalog, der einen umfassenden Einblick in die Werke Ludwig Dills ermöglicht.

Zwischenzeitlich sind auch die bislang in Privatbesitz befindlichen Memoiren des Künstlers in Buchform erschienen und dokumentieren die Verbindungen des Gernsbachers zu seiner Geburtsstadt.

Ludwig Dill wurde Ende der zwanziger Jahre Ehrenvorsitzender der “Deutschen Kunstgesellschaft”. Er hat sich darin auch als 2. Vorsitzender engagiert und muss daher auch die Ziele des Vereins mitgetragen haben. Diese Vereinigung sprach sich für eine “völkische deutsche Malerei” aus. Diese nationalsozialistische Organisation wandte sich heftig gegen die künstlerische Moderne und beeinflusste die Diskussionen über moderne Ausdrucksformen mit antisemitischen Parolen. Die Deutsche Kunstgesellschaft trat dem nationalsozialistisch gelenkten “Kampfbund für deutsche Kultur” bei, der späteren NS-Kulturgemeinde.

Für die weitere Recherchen über die Verbindungen von Ludwig Dill zu den nationalsozialistischen Kreisen bedarf es der Historiker, die Archivmaterialien und Korrespondenzen aufzuarbeiten. Wesentliche Eckpfeiler dazu wurden bereits im Stadtarchiv Karlsruhe und im Landesarchiv Baden-Württemberg veröffentlicht.

Siehe auch „Gernsbacher Bote“ 1/1995 sowie 1+2/1998 und 1/2010
Bärbel Schäfer – Ludwig Dill, Leben und Werk, Dachau 1998
Ludwig Dill – Lebenserinnerungen, Dachau 2010
Michael Koch – Ludwig Dill; in: Badische Biographien NF 3 (1990)

Der Artikel erschien im Gernsbacher Bote 1/2023, Seite 10-11

Nachtrag: Ludwig Dill und die Deutsche Kunstgesellschaft

Kalender 2023: My strength is trust

Ein neues Jahr steht vor der Tür: 2023. Und ein neuer Kalender wurde gestaltet. Werner liefert die Fotos dazu und Martina hat in kreativer Arbeit das Kalendarium geschaffen. Ganz besonders ist in diesem Jahr das Motto, das erst nach Fertigstellung der gestalterischen Arbeit festgelegt wurde. Ralf und Martina haben das Hesse-Wort: “Meine Stärke ist das Vertrauen.” aus dem Englischen entlehnt: “My strength is trust.” Das verbindet all die Fotos und die Idee hinter dem Kalender 2023.

Der Satz stammt aus Hesse’s Buch: “Bäume”, das eine Neuauflage des ursprünglichen Werkes “Wanderung”(1918) ist. Der Satz ist eingebettet in eine ganze Abhandlung Hesses über Bäume: “Bäume sind für mich die eindringlichsten Prediger gewesen.” Und eine Seite später kommt der hier herausgepickte Satz:”  Ein Baum spricht: Meine Kraft ist das Vertrauen. ” Und weiter:  “Wenn wir traurig sind und das Leben nicht mehr gut ertragen können, dann kann ein Baum zu uns sprechen: Sei still! Sei still! Leben ist nicht leicht, Leben ist nicht schwer.” Ich kann die Lektüre dieses über 100 Jahre alten Textes nur empfehlen.

Wenn jemand mehr über die Herkunft der Schrift erfahren möchte, sei die Webseite empfohlen:  Latinletters – Kunst aus Buchstaben, Wörtern , Sätzen und Werken

Das Jahreskalender 2023 beginnt mit einem schwarz-weiß-Bild der Bay Bridge in San Francisco.  Fahrzeug an Fahrzeug rollt hier über diese etwa 3 Kilometer lange Brücke Richtung Oakland, doppelstöckig mit fünf Fahrspuren. Die Verbindung über die Bucht von San Francisco bietet einen tollen Blick auf Downtown und die steilen Straßen San Franciscos.  Mit dieser Ansicht beginnen wir nicht nur das Jahr 2023, sondern führen auch hinein in die kalifornische Metropole.

Weiter gehts auf unserer Fahrt in Kalifornien in den Yosemite National Park. Das Februar-Motiv wurde an der Tioga Pass Road aufgenommen, am Olmsted Point. An dieser Sehenswürdigkeit hat uns nicht nur die Aussicht auf Half Dome, Tenaya Lake und Clouds Rest begeistert, sondern eher die Felsformationen. Diese geben diesem Ort seine besondere Ausstrahlung. Vielleicht lags auch daran, dass die Aussicht in die Ferne an diesem Tag nicht so gut war. Die großen Waldbrände am Rande des Yosemite Nationalparks hüllten das Tal morgens in dichte Rauchschwaden, erst am Nachmittag, als Wind aufkam, lichtete sich der Nebel. Auf dem kargen Felsboden sieht man am Horizont Bäume. Tatsächlich schaffen es hier Bäume zu wachsen, sie entwickeln sogar eine stattliche Größe. Eindrucksvoll waren insbesondere die Wacholderbäume. Sie trotzen hier oben – immerhin befinden wir uns hier über 2.500 Höhenmeter – auch dem strengen Winter und den kräftigen Winden.

Bäume haben ganz besondere Kräfte – und dies nicht nur in den Phasen ihres Wachsens und Gedeihens. Auch dieser längst abgestorbene Stamm fasziniert durch seine Ausstrahlung. Da liegt kein toter Baum auf der Erde, vielmehr signalisiert seine trockene, gewundenen Baumrinde Bewegung. Die Formen regen unsere Sinne an,  selbst aus diesem ausgetrockneten hölzernen Koloss strömt Stärke und Kraft. Einmal mehr der Anlass, Hermann Hesses Büchlein “Bäume” zur Hand zu nehmen und darin zu verweilen. Bei dem Schlusssatz des Gedichts “Gestutzte Eiche” bleib ich hängen: 
“Und allem Weh zum Trotz bleib ich
Verliebt in die verrückte Welt.”

Die erste Ausgabe “Bäume” von Hermann Hesse ist bereits 1919 erschienen:

Das April-Motiv des diesjährigen Kalenders ist ein Klassiker-Motiv aus San Francisco.

Mit diesem Foto kommen wir auf unserer Reise durch Kalifornien wieder zurück in die Stadt am Golden Gate. Sie bietet  unverwechselbare Straßenbilder. Zum einen sind da die steilen Straßen und die spannenden Übergänge zu den Querstraßen, eine Autofahrt entlang dieser steilen Straßen ist ein besonders Erlebnis. Besonders das Queren der Kreuzugungen bleibt in Erinnerung.

Eindrucksvoll ist ein Spaziergang durch die hügelige Stadtlandschaft. Mittlerweile gibt es zahlreiche Tipps über Wanderungen, die attraktive Punkte der Stadt miteinander verbinden. Unter dem Stichwort “urban hikes” gibts jede Menge Anregungen im Netz, und die traditionellen Reiseführer haben dies auch in ihr Standard-Empfehlungen für einen Stadtbesuch aufgenommen.

Wir haben uns den Five-Peaks-Walk ausgesucht. Dabei kommt man an phantastischen Aussichtspunkten vorbei, die einen Blick in die Bucht von San Franciscso, auf Alcatraz wie der Golden Gate Bridge und der Bay Bridge bieten. Gefangen sind wir allerdings immer wieder von der phantasievollen und farbenprächtigen Gestaltung der viktorianischen Häuserfassaden. Und das Erholsame: ein Café oder eine Einkehrmöglichkeit liegen quasi auf dem Weg! Diese Aufnahme entstand in Castro Street, die ihr eigenes, buntes Flair auch in den Häuserfassaden sichtbar macht. Denn nicht nur “the Painted Ladies” an dem Alamo Square sind ein Foto wert, in der gesamten Stadt gibts Bilderbuch-Ansichten der liebevoll gepflegten historischen Gebäude.

Das Kalendarium hat sich an die Fassadenfarbe des prächtigen viktorianischen Hauses angepasst und gibt den korrespondierenden Farb-Tupfer im April-Motiv.

Das Mai-Kalenderblatt zeigt die Blumen Pink Ladies im White House Canyon.

Diese Blume sticht mit einer kräftigen rosa Blüte ins Auge und bricht mit ihrer grellen Blüte durch die karge Erde. Diese war von einer verheerenden Feuersbrunst im Jahr 2020 vernichtet worden. Ein abgebrannter Telefonmast liegt quer durch das Bild und ist Beweis für das furchtbare Desaster des Waldbrandes.

In Kalifornien sind die Blumen auch unter dem Namen Naked Ladies bekannt, einfach wegen des fehlenden Blattschmucks während der Blütezeit. Der offizielle Name ist Amaryllis Belladonna oder Belladonnalilie.

Erst beim Nachschauen über Pink Ladies wurde ich auf die neueste Fernsehserie „Pink Ladies“ aufmerksam. Eine neue Fernsehserie in den USA geht auf die Entstehungsgeschichte der Clique aus dem Original-Musical mit John Travolta und Olivia Newton-John ein. Seit April 2023 zeigt diese Serie die Vorgeschichte des Erfolgs-Musicals „Grease“, der Originalfilm  aus dem Jahr 1978 ist bei Fans absoluter Kult. Ist es Zufall, dass das Monatsblatt Mai unseres Kalenders – gerade nach dem Start der Fernsehserie – Pink Ladies abbildet? 

Diese gegensätzliche Farben, das grelle Rosa der Pink Ladies und der schwarze, verkohlte Telefonmast, hat Martina im unteren Teil des Fotos aufgegriffen und in den rosa Farbtupfern das Kalendarium versteckt. 

Im Juni-Motiv sticht das Grün der Redwood-Bäume als erstes ins Auge. Die Redwood-Bäume, die das verheerende Feuer von 2020 in Kalifornien überlebt haben, treiben wieder aus. Unglaublich ist auch, was die Menschen in den Santa Cruz Mountains in den letzten Monaten geschaffen haben. Sie packen den Wiederaufbau an.

Die Natur trotzt den Klima-Veränderungen, die Bewohner kämpfen wieder um ihren Lebensraum innerhalb der Wälder. Zusätzlich gibt es Aktionen aus allen Teilen der Bevölkerung. So wurde auf Betreiben der Mountains Park Foundation Künstler animiert, sich für die leidende Umwelt einzusetzen. Künstler wurden mit der Aktion Big Basin’s Art About eingeladen, sich einzubringen. Mit dem Angebot eines Stipendiums von 2.500 Dollar wurden zehn Künstler gesucht, die ein Kunstwerk schaffen sollten, das 2023 im Park präsentiert wird. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein. Ob wohl das Foto der aufstrebenden Bäume auch in Frage käme? Dazu müsste man wohl vor Ort sein – was grad nicht möglich ist.

Wie Grashalme legen sich grüne Striche in das Bild des Kolibris mit den blühenden Pflanzen. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass dies der gemalte Strichzug des Monatsnamens “Juli” ist. Die kalligraphischen Pinselstriche fügen sich nahtlos in die zarten Blumen ein. Beherrscht wird das Foto von dem nektarsaugenden Kolibri. Ein Flügelschlag dieses kleinen Vogels, der nur Bruchteile einer Sekunde dauert, ist hier festgehalten. Sein filigraner Flügelschlag lässt sich nur mit viel Gedukd in einem Foto einfangen. Daher gehört er zu den beruasfordernden Fotomotiven im White House Canyon.

Weltweit gehören die Disteln zu den anspruchslosen Pflanzen, daher findet man sie auch überall. Die mit Stacheln und Dornen besetzte Pflanzen gehört sicher nicht zu den Favoriten in Blumensträußen. Dabei entfalten die Blüten der Disteln bei genauem Hinsehen eine besondere Schönheit, sie bilden geradezu bizarre Kunstwerke. Keine Frage, dass sie daher in jedem Garten willkommen sein sollten. Hinzu kommt, dass sie eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten, Vögel und Kleintiere sind. Ihren Status als Nationalblume Schottlands soll sie erhalten haben, nicht weil sie eine der widerspenstigsten Blumen der Welt ist, sondern weil sie eine besondere Rolle bei einem Angriff der Wikinger spielten.

Auch in den kalifornischen Wäldern, die von den überregionalen Feuern heimgesucht wurden, fasst sie wieder Fuß. Die verkohlte Rinde eines Mammutbaums ist im Hintergrund vor den in der Sommersonne leuchtenden Blüten der Distel zu erkennen. Fast lila schimmert die Rinde in den gleißenden Strahlen in der Mittagshitze, wie ein Abglanz der filigranen Blüte.  

Auch auf diesem Monatsblatt des 2023-Kalenders „My strengte is trust“ ist das Kalendarium nur auf den zweiten Blick zu finden. Farblich sind die Zahlen an das kräftige Lila und Grün der Pflanze angepasst, und die Anordnung der Zahlen korrespondiert mit der natürlichen Form der Blüte. Viel Freude beim Entdecken.

Schon September?! So bunt und so abwechslungsreich wie der Herbstmonat September mit der einsetzenden Blätterfärbung bei den Laubbäumen kommt das September-Monatsblatt daher. Eindeutig sind Motive aus San Francisco zu erkennen, genau dort wurde auch die Aufnahme gemacht.

Ganz links oben findet sich der Eintrag von Sofia für dieses monumentale Mosaik.

In der Clarendon Alternative Elementary School – nahe von Twin Peaks – findet man dieses farbenfrohe Mosaik. Diese farbigen Kacheln sind nur ein kleiner Ausschnitt aus einer großen Wand voller Motive. Das Ganze wurde 2010 begonnen. Es war eine grandiose Aktion. Unter der Federführung der Künstlerin Linda Larson und Lalitha Bardalaye und der Unterstützung von Lehrerinenn und Lehrer sowie der Eltern und Schüler wurde dieses großformatige Kunstwerk geschaffen. Davor erstreckte sich an der Stelle eine graue Fassade. Nun strahlt hier eine Keramik-Wand voller Namen und Formen und schafft eine ganz andere Willkommenskultur.

2005 beherrschte noch eine graue Fassade den Eingangsbereich der Schule. In einem Kunstprojekt verwandelte sich die Wand in ein farbenfrohes Ensemble.

Bei unserem Besuch mit Sofia, die diese Schule als Jugendliche besuchte,  wurden wir auf dieses Mosaik aufmerksam. Nun, nach all der Zeit, ist sie als junge Frau begeistert von ihrem einstigen künstlerischen Schaffen in der Schule.  Welche Kreativität, welche Vielfalt, welche Farben. So wie eben San Francisco ist!

Bei diesem Kalenderblatt kommt das Thema des Kalenders besonders deutlich heraus. “Meine Stärke ist das Vertrauen.” Wo kann dieser Leitsatz intensiver gelebt werden als in einer Schule. Ein solches Kunstprojekt über einen längeren Zeitraum durchzuführen, bedarf eines besonderes Engagements.

Das Kalenderblatt Oktober 2023 führt uns in den Yosemite National Parks. Entlang des State Highways 120 kurz vor dem Parkeingang konnten wir diese phantastische Aussicht genießen. Markant heben sich die Redwoods gegen den in leuchtend warmen Gelbtönen gefärbten Himmel ab. Wie ein Scherenschnitt stehen die Bäume auf dem Bergrücken. Kein Foto der Reise versinnbildlicht wohl passender den Hermann-Hesse-Text aus seinem Buch „Wälder“, aus dem auch das Motto des 2023er Kalenders entlehnt ist „My strength is trust“ – „Meine Stärke ist Vertrauen“. Hermann Hesse schreibt: „Bäume sind für mich immer die eindringlichsten Prediger gewesen. Ich verehre sie, wenn sie in Völkern und Familien leben, in Wäldern und Hainen. Und noch mehr verehre ich sie, wenn sie einzeln stehen. Sie sind wie Einsame.“

Zurück nach San Francisco führt uns das Kalenderblatt November. Ganz im Hintergrund im Nebel lugt die Spitze der Golden Gate Bridge heraus. Der bunte Drachen davor ist ein reale Erscheinung: Kinder spielen auf dem Tunnel Tops im Presidio Park im Herbstwind mit ihrem Drachen. Die gelbe November-Schrift gehört zu der graphischen Gestaltung des Monatsblattes und nimmt den Schwung und die Farbe des Drachenschwanzes auf. 

Das letzte Monatsblatt des Jahreskalenders 2023 zeigt eine stimmungsvolle Aufnahme von der kalifornischen Küste nahe San Francisco bei Fort Funston. Der Schriftzug des Monats nimmt die Brauntöne der Strandpflanzen auf und umrandet auch die Tagesziffern.

Die Pflanzen, die sich am Strand entlangziehen nennt man Carpobrotus , gehören zu den Mittagsblumengewächsen (Aizoaceae) und haben sich an die rauen Klimabedingungen der Pazifikküste angepasst. Sie sind gekennzeichnet durch verwachsene, dickfleischige Blätter und bilden eine natürliche, dichte Bodenbedeckung. Kilometerweit erstreckt sich dieser Bewuchs und bietet einen natürlichen Schutz der sandigen Böschungen.

Mit diesem Motiv geht der Kalender “My strength is trust” zu Ende. Über ein Jahr hinweg sind wir dem Zitat von Hermann Hesse gefolgt und haben dem Motto “Meine Stärke ist Vertrauen” nachgespürt.

Hier weitere Passagen aus dem Hesse-Text “Bäume”, den er 1919 in dem Buch „Wanderungen“ veröffentlichte. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg durchlebte Hesse umwälzende Veränderungen. So hat er seine turbulenten Jahre mit Bäumen verglichen und darin Symbole der Vergänglichkeit und Wiedergeburt, aber auch „allen Wachstums, allen triebhaften, naturhaften Lebens, aller Sorglosigkeit und geilen Fruchtbarkeit“ gesehen. In ihren Jahresringen und Verwachsungen erkennt man „allen Kampf, alles Leid, alle Krankheit, alles Glück und Gedeihen“.

„Bäume sind für mich immer die eindringlichsten Prediger gewesen. Ich verehre sie, wenn sie in Völkern und Familien leben, in Wäldern und Hainen. Und noch mehr verehre ich sie, wenn sie einzeln stehen. Sie sind wie Einsame. Nicht wie Einsiedler, welche aus irgendeiner Schwäche sich davongestohlen haben, sondern wie große, vereinsamte Menschen, wie Beethoven und Nietzsche. In ihren Wipfeln rauscht die Welt, ihre Wurzeln ruhen im Unendlichen; allein sie verlieren sich nicht darin, sondern erstreben mit aller Kraft ihres Lebens nur das Eine: ihr eigenes, in ihnen wohnendes Gesetz zu erfüllen, ihre eigene Gestalt auszubauen, sich selbst darzustellen. Nichts ist heiliger, nichts ist vorbildlicher als ein schöner, starker Baum …
Ein Baum spricht: In mir ist ein Kern, ein Funke, ein Gedanke verborgen, ich bin Leben vom ewigen Leben. Einmalig ist der Versuch und Wurf, den die ewige Mutter mit mir gewagt hat, einmalig ist meine Gestalt und das Geäder meiner Haut, einmalig das kleinste Blätterspiel meines Wipfels und die kleinste Narbe meiner Rinde. Mein Amt ist es, im ausgeprägten Einmaligen das Ewige zu gestalten und zu zeigen.
Ein Baum spricht: Meine Kraft ist das Vertrauen. Ich weiß nichts von meinen Vätern, ich weiß nichts von den tausend Kindern, die in jedem Jahr aus mir entstehen. Ich lebe das Geheimnis meines Samens zu Ende, nichts andres ist meine Sorge. Ich vertraue, daß Gott in mir ist. Ich vertraue, daß meine Aufgabe heilig ist. Aus diesem Vertrauen lebe ich…
Du bangst, weil dich dein Weg von der Mutter und Heimat wegführt. Aber jeder Schritt und Tag führt dich neu der Mutter entgegen. Heimat ist nicht da oder dort. Heimat ist in dir innen, oder nirgends….“
(Herrmann Hesse über Bäume in: Wanderung, 1919)
Somit versinnbildlicht der Kalender 2023 nicht nur das Wort „Meine Stärke ist das Vertrauen“, sondern führt auf eine zentrale Aussage von Hesse hin:

„Heimat ist nicht da oder dort.
Heimat ist in dir innen, oder nirgends.“

Für mich waren diese Hesse-Worte ein wichtiger Begleiter durch das Jahr 2023. Danke nochmals für die gelungene Gestaltung des Kalenders mit Fotos und Graphik!

Auf dem Salamander-Weg

Das war ein aufregender Abschluss einer gelungenen Spätherbst-Wanderung! Auf dem letzten Abschnitt unserer Wanderung konnten wir insgesamt zwölf Feuersalamander bewundern. Dank der Stirnlampen, die uns auf dem abendlichen Wanderweg heimleuchteten, konnten wir die seltenen Tiere mit ihren markanten gelb-schwarzen Zeichnungen gut ausmachen. Ein Glück!

Wir starteten unsere spätherbstliche Wanderung in Geroldsau und folgten dem malerischen Grobbach bis zum Bütthof. Doch da machten wir noch keinen Halt, sondern erklommen erstmal auf dem steilen Zick-zack-Weg den Kreuzfelsen. Die Wetterkapriolen meinten es gut mit uns und erlaubten uns noch sonnige Aussichten Richtung Merkur und Battert.  Auch Alt-Eberstein, das Alte Schloss und die Yburg waren gut auszumachen, bis zur Teufelsmühle reichte das weite Panorama.

Die markante Felsgruppe mit Geröllhalde besteht aus einem rötlich-grauen, mittel- bis grobkörnigen Granit mit teilweise porphyrischen Kalifeldspäten, dem sogenannten Bühlertalgranit, verrät das Schild an der Bernickelfels Hütte, Auf dem Fels befindet sich ein Kreuz, weshalb er auch Kreuzfelsen genannt wird. 

Das Kreuz auf dem Bernickelfelsen

Das Kreuz auf dem Bernickelfelsen geht auf den berühmten Architekten Friedrich Weinbrenner zurück. Dies ist wohl weitgehend unbekannt, aber in dem Buch von Ullrich Schumann in dem Buch „Promenade der Klassik – Friedrich Weinbrenner in Baden-Baden“ veröffentlicht worden. Demnach hat um 1812 die Stadt Baden-Baden ein „hohes hölzernes Kreuz“ errichten lassen, „auf einer Erhebung hinter den Geroldsauer Wasserfällen“. Das heutige Kreuz ist wohl erneuert worden und ist nicht mehr das Original, und es fehlt auch die damals erwähnte, sich um das Kreuz windende  Schlangenfigur, doch die Aufstellung dieses Kreuzes Anfang des 19. Jahrhunderts geht eindeutig auf Friedrich Weinbrenner zurück. Er hatte 1812 auch Pläne für den Ausbau des Fußweges durch das Geroldsauer Tal vorgelegt.

Der badische »Staatsarchitekt« Friedrich Weinbrenner (1766-1826) hat sich ja nicht nur durch die Umsetzung von Einzelbauten hervorgetan und in Baden-Baden und Karlsruhe ganz bedeutsam seine Spuren hinterlassen, ebenso wie in Gernsbach, wo der nach dem Stadtbrand von 1798 de Hauptstraße ein ganz neues Gepräge gab, sondern er beschäftigte sich auch mit der Wegeführung und Erschließung der Kulturlandschaft im mittelbadischen Raum.

Bei dem Abschnitt von der Bernickelfelsen-Hütte durch den lichten Buchenwald hinunter kommt nochmals die Sonne durch. Auch  entlang des Harzbaches können wir die spätherbstlichen Laubfärbung  genießen.

Wir treffen wieder auf den Grobbach, ein klassischer Pfad mit mehreren Brückchen führt entlang des rauschenden Baches.

Mit einer gemütlichen Einkehr im Bütthof endete die gelungene Tour. Was wir da noch nicht ahnten, dass uns noch ein spannender Rückweg bevorsteht, gesäumt von seltenen Feuersalamandern.

Namaste! Danke für die tolle Resonanz!

Vollbesetzter Saal im Kirchl.

Wir dürfen herzlich danke sagen für die gute Resonanz auf unseren Nepal-Vortrag. Wir hatten so viele interessierte Besucherinnen und Besucher, die aufmerksam die Fotos und persönlichen Erzählungen verfolgt haben. Und das Kirchl in Obertrot hatte nach der langen Corona-Einschränkungen auch mal wieder ein volles Haus. Werner und ich sind sehr dankbar dafür, dass der Verein Kultur im Kirchl großzügigerweise die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern den Projekten der Nepalhilfe Beilngries zur Verfügung gestellt hat. Insgesamt kamen 382 Euro zusammen.

Besondere Erlebnisse

Mit dieser Spende werden die im Vortrag vorgestellten Schulprojekte im Distrikt Sindhu-Palchok, östlich von Kathmandu, unterstützt. Dieses Mal werden wir nicht persönlich die Spende überbringen können, das war eine einmalige und unvergessliche Aktion in 2018.

Für uns wurde an dem Abend im Kirchl wieder die Erinnerung an eine atemberaubende Trekking-Tour lebendig und die vielen schönen Begegnungen in dem Himalaya-Staat.
Doch damit wars noch nicht genug: an diesem Abend durften wir andere Reisende kennenlernen, die eine ähnliche Trekking-Tour gemacht haben. Wieder andere planen eine Wanderung im Annapurna-Gebiet. Danke für die anregenden Fragen und Gespräche. Wer mehr über die Nepalhilfe Beilngries wissen möchte, ist herzlich eingeladen, die Projekte auf deren Webseite zu verfolgen. 

Außerdem war es ein toller Abend, bei der auch mal wieder Freunde, ehemalige Schulkameraden und Familie zusammenkamen, die sich schon lange nicht mehr getroffen hatten. Da merkt man erst, was während den Corona-Monaten gefehlt hat.

Danke an das Team im Kirchl, wie auch all den anderen, die zum Gelingen dieses Abends beigetragen haben. Der Bericht in den Tageszeitungen hatte viele Besucher animiert, sich auf den Erlebnisbericht einzulassen. Danke für die lebendigen Artikel “Eine Reise zum Dach der Welt”, der in der BNN am Samstag, 8. Oktober 2022 erschien. Danke auch an das Team vom Stadtanzeiger, das die Kirchl-Veranstaltungen stetig begleitet.

 

Unterwegs in Nepal – endlich ein neuer Termin

Endlich ist es soweit: am Dienstag, 11. Oktober 2022, 19.30 Uhr wird Werner im Kirchl, Obertsrot, über unsere Reise in Nepal berichten.

Nach zwei Anläufen im Jahr 2020 und 2021, die wir aufgrund der jeweiligen en Corona-Situation absagen mussten, haben wir mit den Verantwortlichen des Kirchl Kulturprogramms einen neuen Termin vereinbaren können. 

Wir freuen uns darauf
Regina + Werner
Juni 2022

Unterwegs in Nepal – Trekking auf dem Annapurna Trail

Der Vortrag von Werner Meier zeigt Aufnahmen einer Trekkingtour in Nepal. Die erste Wanderetappe führt in neun Tagen zum Annapurna Base Camp auf 4.130 Meter, sicher eine der schönsten und abwechslungsreichsten Wanderungen der Welt. Fast alle Klimazonen werden durchwandert, nach dem üppigen Grün der Farndschungel und Fichtenwälder kommt man schließlich in die kargen Felsregionen. Auf spannenden Hängebrücken werden tiefe Schluchten überquert, und oftmals muss man die schaukelnden Metallgitter mit schwer bepackten Mulis teilen. 

Eine zweite Wandertour auf dem Annapurna Circuit führte über den Thorung La, einen 5.416 Meter hoch liegenden Pass. Die Landschaft ist atemberaubend, und das im wörtlichen Sinne. Die Höhe fordert ihren Tribut, aber die Anstrengungen werden wettgemacht durch die einzigartige Sicht auf die gewaltigen Gipfel des Himalayas. Dort begegnet man auch den beiden Religionen, Hinduismus und Buddhismus und lernt heilige Orte und Klosteranlagen kennen.

Der Vortrag stellt nicht nur die einzigartige Wanderung um das Annapurna Massiv vor. Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden auf der Bilderreise auch die historische und quirrlige Großstadt Kathmandu erleben mit ihren beeeindruckenden Tempelanlagen und bunten Märkten. Ebenso werden sie nach Pokhara entführt, das lieblich am Phewa-See liegt und die Entspannung und Ruhe nach dem anspruchsvollen Wandern bietet.

Die Reise begann mit einem Flug über den Himalaya, der spektakuläre Ansichten des höchsten Gebirges der Welt bot. Vor der Trekkingtour besuchten Regina und Werner Meier noch Schulen im Distrikt Sindhu-Palchok, östlich von Kathmandu. Dort konnten sie direkt eine Spende übergeben zum Wiederaufbau der durch das verheerende Erdbeben von 2015 zerstörten Schulgebäude. Die überwältigende Gastfreundschaft und das freundliche Willkommen in den Schulen gehörten zu den Höhepunkten der Reise in Land auf dem Dach der Welt.

Der Kalender 2020 “Namaste” wurde mit Aufnahmen dieser Trekking-Tour gestaltet und kann gegen eine Spende bei der Vortragsveranstaltung mitgenommen werden. Die Spenden werden dem Projekt “SchoolUp!” der Nepalhilfe Beilngrieß, insbesondere den Projekten in Thulosirubari, der „Ralf und Gerlinde Schule“, die von Gerlinde Kaltenbrunner und Ralf Dujmovits ins  Leben gerufen wurde, zufließen.

Vortrag: Dienstag, 11. Oktober 2022, 19.30 Uhr
Eintritt: 7,- Euro

im Kirchl, Obertsrot

Richard Fuchs – vergessen und wiederentdeckt

Richard Fuchs (1887, Karlsruhe -1947 Wellington, Neuseeland)

Vor 75 Jahren verstarb der Architekt und Komponist Richard Fuchs in seinem neuseeländischen Exil. Für Gernsbach hatte er als Architekt der 1928 erbauten neuen Synagoge eine besondere Bedeutung. Da er als Jude in den dreißiger Jahren verfolgt wurde, wählte er 1938 die Auswanderung und emigrierte nach Neuseeland. Allerdings wurden dort seine künstlerischen Werke zu seinen Lebzeiten nicht anerkannt. Sein Schicksal war es, in Deutschland verfolgt worden zu sein, weil er Jude war und in Neuseeland ignoriert zu werden, weil er Deutscher war.

Die vier Brüder Fuchs als Soldaten im Ersten Weltkrieg. Foto: Familienarchiv Fuchs

Richard Fuchs wurde 1887 in Karlsruhe als Sohn einer Holzhändler-Familie geboren. Er wuchs mit seinen drei Brüdern und seiner Schwester in einer wohlhabenden und angesehenen Familie auf. Die jüdische Familie war völlig integriert in die Gesellschaft Karlsruhes. In der Familien-Historie wurde immer weitergegeben, wie seine Großeltern als Zuwanderer aus einfachen Verhältnissen nach Karlsruhe gekommen waren und „sie später stolz waren auf den beschiedenen Beginn der Familie“. Alle vier Söhne der Familie meldeten sich im Ersten Weltkrieg freiwillig als Soldaten.  

Sein musikalisches Talent führte Richard Fuchs zu einem Studium der Musik an der Hochschule in Karlsruhe, dem folgte ein Studium der Architektur in Berlin. 1923 promovierte er an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Richard Fuchs heiratete 1920 Dora Stern. Das junge Ehepaar bezog eine stattliche Villa in der Kriegsstraße 120 in Karlsruhe. Für Richard Fuchs waren die zwanziger Jahre eine erfolgreiche Zeit als Architekt. Er entwarf Wohn- und Kaufhäuser, Hotels und Fabriken.

Die Gernsbacher Synagoge, entworfen und gebaut von Richard Fuchs. Quelle.: Generallandesarchiv Karlsruhe

Den einzigen öffentlichen Auftrag erhielt Richard Fuchs 1927 mit dem Bau einer Synagoge für die jüdische Gemeinde in Gernsbach. Bereits 1923 hatte Fuchs auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in Karlsruhe einen jüdischen Kultraum geschaffen. Die Gernsbacher Synagoge war für ihn wie für Gernsbach ein herausragendes Bauwerk.

Wie Dr. Ulrich Schumann in den Begleittexten zu der Ausstellung des Arbeitskreises Stadtgeschichte zur Gernsbacher Synagoge 2018 schrieb, schuf Richard Fuchs ein „stimmungsvolles Ensemble, das für die historische Verwurzelung und Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens in Deutschland steht“. In den Archiven hat Schumann genaue Angaben zur Ausführung der Synagoge gefunden. Darin fanden sich nicht nur exakten Pläne des Baukörpers, sondern klare Anweisungen für den Einsatz von Materialien und Farben. Detailliert war der Tora-Schrein mit seiner Umrahmung aus Majolika-Fliesen beschrieben, bis hin zu zwei Vorhängen, einer in Rot und einer in weiß für hohe Festtage.

Der Tag der Einweihung der Gernsbacher Synagoge 1928. Quelle: Stadtarchiv Gernsbach

Sonntag, 15. Juli 1928 war ein bedeutender Tag im Leben von Richard Fuchs: Die von ihm entworfene und erbaute Synagoge in Gernsbach wurde ihrer Bestimmung übergeben, und der Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde Hermann Nachmann erhielt aus seiner Hand die Schlüssel des neuen Gebäudes.

In der Zeitung wurde damals die Leistung des Architekten gelobt: „Architektonische Schönheit vereinte sich mit vollständiger Zweckmäßigkeit“. Die jüdische Gemeinde bewunderte den Neubau in ihrer Chronik im Jahr 1928: „Der Bau kann nach seiner Vollendung als sehr gut gelungen und schön bezeichnet werden.“ Hermann Nachmann schrieb: „Es ist eine Zierde des lieblichen Murgtalstädtchens Gernsbach, dieses schöne Gotteshaus“. Dementsprechend groß war der Zustrom der Gäste und der Gernsbacher, die sich die Einweihung dieses Gebäudes nicht entgehen lassen wollten. Der Bezirksrabbiner aus Offenburg nahm die Weihe des Gotteshauses vor. Ernst Bernauer, Stadtpfarrer der katholischen Gemeinde, und Lehrer Münz für die evangelische Gemeinde sprachen jeweils Grußworte.

1938 wurde die Synagoge während des Novemberpogroms zerstört: Sie wurde von den Nationalsozialisten bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Heute erinnert nur der „Synagogenweg“, die Fußgänger-Verbindung zwischen Austraße und Blumenweg, und eine Gedenktafel an die einstige Synagoge.

Das Wohnhaus de Weerth wurde von Richard Fuchs entworfen.

Am heutigen Synagogenweg findet sich ein weiteres Gebäude des Architekten Richard Fuchs. 1929 schuf er das Wohnhaus aus Backsteinen für den Zahnarzt Gustav de Weerth.

 

Der Synagogenweg führt entlang des einstigen Anwesens der Gernsbacher Synagoge. Foto: Meier

In seiner erfolgreichen Karriere als Architekt verlor er niemals seine Liebe zur Musik und zum Komponieren. 1932 fand in Karlsruhe einen Konzert- und Liederabend mit seinen Werken statt. Die Zeitung urteilte danach: „Dr. Richard Fuchs ist nicht nur ein Architekt von Rang, er stellte sich für die Außenstehenden in überraschender Weise auch als Komponist von sehr beachtlichen Graden vor.“ Damals ahnte er nicht, dass dies die letzte Aufführung seiner Musik in Deutschland für viele Jahrzehnte war.

Nach dem Siegeszug der Nationalsozialisten wurde das Leben und Arbeiten für den Juden Richard Fuchs immer schwieriger. Den Maßnahmen, die Juden aus Beruf und dem öffentlichen Leben zu verdrängen, fiel auch Richard Fuchs zum Opfer. Bereits 1933 musste er Einschränkungen in seinen Arbeitsmöglichkeiten hinnehmen, ab 1935 wurde er mit einem  Arbeitsverbot belegt, seine Kinder der Schule verwiesen. Nach dem Pogrom am 10. November 1938 wurde er von den Nazis nach Dachau abtransportiert und kam erst im Dezember wieder frei. Danach war ihm bewusst, dass er aus Deutschland mit seiner Familie fliehen musste, dass er als Jude keine Zukunft mehr in seinem Heimatland hatte. Seine Frau Dora setzte alles in Bewegung, damit sie das Land verlassen konnten. Sie verkauften ihr Haus in Karlsruhe, verschifften Möbel, Bücher und Noten in Containern und verließen mit ihren beiden Kindern Deutschland. 

Das Haus von Richard Fuchs in Neuseeland. Foto: Familienarchiv Fuchs

Als Richard Fuchs mit seiner Familie schließlich 1939 in Neuseeland ankam, hatte er Probleme, eine Anstellung in Wellington zu finden. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verschlechterte sich die Stellung von Richard Fuchs. Er wurde als Deutscher angesehen, er galt als „Enemy Alien“.

Richard Fuchs in seinem Gemüsegarten in Neuseeland. Foto: Familienarchiv Fuchs

Eine Zeitlang hatte er gehofft, dass sein Stück „Vom jüdischen Schicksal“ aufgeführt wird. Der neuseeländische Dichter Alan Mulgan (1881-1962) hatte den deutschen Text des Chor-Werkes ins Englische übersetzt. Aber leider misslangen die Versuche. Letztlich fand erst 2015, fast 70 Jahre nach seinem Tod, die Premiere seines Werkes „Vom jüdischen Schicksalin Neuseeland statt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt er die neuseeländische Staatsbürgerschaft, auf die er sehr stolz war. Doch in den letzten 20 Monaten seines Lebens komponierte er nicht mehr. Seine Tochter konnte in ihren Erinnerungen nur  Vermutungen über die Gründe anstellen: Ob es die Enttäuschung über die geringe Aufmerksamkeit war, die in Neuseeland seinen Kompositionen geschenkt wurde, oder die Trauer, als er von dem Tod seiner Schwester erfuhr, die 1943 in Auschwitz ermordet worden war.

Richard Fuchs starb nach kurzer Krankheit im September 1947. Seine Asche wurde in den Bergen Neuseelands beigesetzt.

Nach seinem Tod wurde einige Anläufe unternommen, seinem Werk gerecht zu werden. So wurde seine Komposition „New Zealand Christmas Carol“ 1954 beim Besuch der englischen Königin Elisabeth  von einem Kinderchor vorgetragen und gehört seither zu den am meisten verbreiteten Werken des Komponisten.

Aufmerksamkeit errang 2008 der Dokumentarfilm von Danny Mulheron, seinem in Neuseeland lebenden Enkel, der bei der Aufarbeitung des Nachlasses seines Großvaters viele erstaunliche Entdeckungen machte. Der Film „The Third Richard gibt einen Überblick über das Leben und Werk des Künstlers, aufgenommen an Originalschauplätzen. Darin kommt auch Gernsbach vor, mit historischen Abbildungen der Synagoge. Den Titel lehnte der Enkel an einen Ausspruch des Vaters von Richard Fuchs an, der bereits bei der Geburt  seines Sohnes ihn in der Reihe von Richard Wagner und Richard Strauss als „dritten Richard“ sah.

Richard Fuchs‘ Schicksal war es, den Holocaust überlebt zu haben, aber in Vergessenheit zu versinken. „In Deutschland war er der Feind, da er Jude war, in Neuseeland weil er Deutscher war“, schildert der Enkel das freudlose Leben von Richard Fuchs im Exil.

In den letzten Jahren wurden einige Kompositionen von Richard Fuchs in Neuseeland wie in seiner Heimatstadt Karlsruhe aufgeführt. Erst kürzlich gab es ein Konzert mit seinen Werken in Jerusalem. Somit erfährt er eine späte Anerkennung seines künstlerischen Schaffens.

Regina Meier

 

Quellen:

– Dr. Ulrich Schumann: Begleittext zur Ausstellung „Am Sabbat auf dem Weg zur Synagoge – Die Gernsbacher Synagoge 1928-1938; 2018

– Youtube-Film „The Third Richard“ von Danny Mulheron: https://youtu.be/HjhqfiWjr5k

– Webseite: https://richardfuchs.nz

– Generallandesarchiv, Akten 371 Zugang 1981-42, 226

Der Artikel erschien im Gernsbacher Bote 3/2022, Seite 9-11

Anregungen für eine Neuorientierung

Eine Arbeitsgruppe Zukunft Altstadtfest hat in Gernsbach für eine konstruktive Kommunikation gesorgt, Veränderungen für das traditionsreiche Fest zu überlegen. In einer Fragebogen-Aktion und einer Versammlung in der Stadthalle hat die Gruppe für eine lebendige Auseinandersetzung über Entwicklung und Ziele des seit 1975 gefeierten Stadtfestes gesorgt.

Eine zwölfköpfige Gruppe fand sich bereits 2020 zum Thema Altstadtfest zusammen.

2020 wurde die private Arbeitsgruppe Zukunft Altstadtfest unter Federführung von Michael Chemelli gegründet. Gemeinsam haben Frank Hofmann, Olaf Karle, Gabi Kienzle, Jürgen Maisch, Martina Mary, Regina Meier, Dirk Preis, Dominik Sämann, Jonas Sämann, Rudi Seifried und Reimund Sprecher Stärken und Schwächen des Altstadtfestes erarbeitet. Drei Fragebogen-Varianten wurden entwickelt – für die Anwohner, für die Gernsbacher Vereine und für die Gewerbetreibenden der Altstadt. Abgefragt wurde, warum man sich am Altstadtfest beteiligt oder auch nicht. Die Frage nach dem  Rhythmus des bislang jährlichen Festes oder das Feuerwerk waren weitere Punkte auf dem Fragebogen. Doch erst 2022 konnte die Fragebogen-Aktion in die Tat umgesetzt werden, die Corona-Beschränkungen hatten den Austausch gebremst. Ende Juli 2022 wurden die Ergebnisse der Umfrage in der Stadthalle präsentiert.

Auf Initiative der Gruppe Zukunft Altstadtfest kamen zahlreiche Besucherinnen und Besucher in die Stadthalle. Foto: Olaf Karle

Schon in der Einführung von Michael Chemelli war herauszuhören, dass der Gruppe die Zukunft des Altstadtfestes am Herzen liegt. Die Begrüßung der zahlreichen Teilnehmer erfolgte durch Bürgermeister Julian Christ. Er begrüßt die Initiative der Ehrenamtlichen, sich für eine Weiterentwicklung des städtischen Zusammenlebens einzusetzen und wünschte der Versammlung fruchtbare Gespräche.

Die Gruppe hatte sich eigens Polo-Shirts für den Abend bedrucken lassen. Foto: Regina Meier

Gefördert wurden die Bestrebungen, sich über die Zukunft des Altstadtfestes Gedanken zu machen, durch die positiven Signale, die von der gelungenen 800-Jahr-Feier im Jahr 2019 ausgegangen waren. Da wurden viele kreativen Ideen umgesetzt, die ganze Stadt war eingebunden in das Jubiläumsfest. Auch die Denkmalnacht im September 2019 rückte die historischen Bauwerke ins rechte Licht, und zahlreiche Kunstschaffende beteiligten sich mit einem umfassenden Rahmenprogramm und zogen zahlreiche Besucher in die Altstadt. Bei beiden Anlässen waren die Besucher von der Kulisse der Altstadt, von der gelungenen Willkommenskultur und dem Einfallsreichtum der Bürgerinnen und Bürger begeistert.

In der Präsentation in der Stadthalle standen die Ergebnisse der Umfragen im Mittelpunkt. Foto: Regina Meier

Bei der Präsentation der Fragebogen-Ergebnisse in der Stadthalle zeigte sich, wie sich die Anzahl und die Zusammensetzung der Teilnehmer des Altstadtfestes in den vergangenen 47 Jahren verändert hat. Es ist ein deutlicher Abwärtstrend bei den beteiligten Aktiven aus Gernsbach zu erkennen. 1982 entfielen von den 100 teilnehmenden Gruppen etwa die Hälfte auf Gernsbacher Vereine und ein Viertel auf Gernsbacher Gewerbetreibende, außerdem konnten zahlreiche private Gruppen gezählt werden. 14 Gewölbekeller waren bewirtschaftet. 2018 waren 58 Gruppen beim Altstadtfest beteiligt, nur noch ein historischen Gewölbekeller öffnete seine Tore. Zwischenzeitlich haben sich die Vereinslandschaft und auch die gesellschaftlichen Strukturen gewandelt. Umso wichtiger ist es, auf diese Veränderungen einzugehen und Weiterentwicklungen anzustoßen.

In den Fragebogen-Rückmeldungen gab es auch verschiedene Anregungen, wie Besitzer von historischen Kellern wieder animiert werden können, diese für das Altstadtfest zu öffnen. Auch wenn die Keller zu einem Alleinstellungsmerkmale des Altstadtfestes gehören, so ist es nicht abzuschätzen, wie dies unter den geänderten Sicherheits-Anforderungen möglich sei. An dem Abend kamen auch die Schattenseiten des Altstadtfestes zur Sprache: Müll, Sperrstunden (dem einen zu früh, dem anderen zu spät), Randalierer, Verkehr, Parkplätze.

An runden Tischen wurde über neue Ideen für das Altstadtfest diskutiert. Foto: Regina Meier

Nach der umfassenden Präsentation der Ergebnisse der Fragebogen-Aktion gings im zweiten Teil des Abends an runden Tischen im Foyer in die Diskussion. Der Gruppe hatte verschiedene Schwerpunktthemen gebildet, von Themen rund um die Sicherheit bis hin zum kulturellen Angebot. Eine rege Diskussion konnte an den einzelnen Tischen vermeldet werden, zahlreiche Anregungen wurden notiert.

Vielleicht würden Mitmachaktionen in großer Vielfalt anregend wirken, vielleicht auch ein Kunsthandwerker-Areal? Vielleicht helfen zentrale Bühnen, um die sich kleine Einheiten mit Bewirtung scharen? Oder ist ein Helferpool hilfreich für interessierte Gruppen? Denn nur noch wenige Vereine schaffen es, ein dreitägiges Fest mit einer großen Mannschaft zu stemmen. Doch wenn es bei einer Beteiligung am Altstadtfest nur darum geht, die Vereinskasse zu füllen, werden die Beweggründe der Teilnahme, seinen Verein zu präsentieren, um Mitglieder zu werben oder die Vorzüge der Altstadt deutlich zu machen, in den Hintergrund gedrängt.

Logo gestaltet von Yasmin Westermann, einer glühenden Anhängerin des Altstadtfestes.

Die Ergebnisse der Fragebogen-Aktion und des Diskussionsabends in der Stadthalle werden bis Ende September zusammengefasst und an die Stadtverwaltung weitergereicht. Damit wird ein Stimmungsbild wie auch Anregungen und Meinungen der Akteure wie der Anwohner zusammengefasst. Was davon für die nächsten Altstadtfeste aufgegriffen wird, entscheidet sich danach. Wichtig ist auf jeden Fall, diesen Schwung, den diese Initiative ausgelöst hat, aufzugreifen und für eine Weiterentwicklung des Altstadtfestes umzusetzen. Die Arbeitsgruppe strebt an, Brücken zu bauen für Vereine und Gruppen, sich wieder bei einem Altstadtfest zu engagieren. Denn nur mit dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist ein bewegendes Fest zu stemmen. Damit es auch 2025, wenn 50 Jahre Altstadtfest gefeiert werden können, es zu einem unvergesslichen Erlebnis für alle Besucher und Mitwirkende wird.

Der Artikel zu dem Thema erschien im Gernsbacher Bote 3/2022, Seite 16