Neue Wege beschritt die Katholische Seelsorgeeinheit Gernsbach, als sie zu dem ersten Vortrag in der Reihe “Klimaschutz” einlud. Der Ort der Begegnung war nämlich nicht in einer der kirchenzugehörigen Versammlungsräume, sondern in dem öffentlichen Restaurant “Brüderlin” im Herzen der Altstadt von Gernsbach. Ungewöhnlich war auch der Referent, nicht aus den Reihen der Theologen, sondern aus der Waldwirtschaft. Prof. Dr.Dr.h.c. Bastian Kaiser, Rektor der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg referierte über das Thema “Unser Wald – Opfer oder Retter in der Klimakrise”.
Die Initiative zu dieser Veranstaltung ging bereits im vergangenen Jahr von Pastoralreferent Fabian Groß, Gernsbach, aus. Er fand im Pfarrgemeinderat Mitstreiterinnen, die sich für das Thema Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung einsetzen möchten. Unmittelbar aus dem christlichen Menschenbild lässt sich die Aufgabe zu Klimaschutz und Umweltschutz ableiten. Daher sieht diese Arbeitsgruppe es als wichtig an, sich zu diesen Themen zu Wort zu melden.
Professor Kaiser stieg bei seinem Vortrag gleich in die Funktionen des Waldes ein und belegte seine Aussagen nicht nur wissenschaftlich, mit Daten und Fakten, sondern zeigte anhand anschaulicher Beispiele die Situation des Waldes zwischen Ökologie und Ökonomie.
Können die Wälder etwas dem Klimawandel entgegensetzen? Wie können wir die Funktionen des Waldes stärken?
Dabei ging er auch auf die Historie des Klimawandels und des Waldes ein: der Rückblick auf die Schlagzeilen zum Waldsterben und dem sauren Regen in den achtziger Jahren. Er führte aus, wie sich der Wald, wie wir ihn heute in Deutschland erleben, entwickelt hat und verwies auf längst vergessene Details wie die Eichenpflanzerin, die jahrzehntelang die 50-Pfennig-Münze zierte und die Leistung der Saatgutpflanzerinnen in der Nachkriegszeit ehrte.
Er behandelte nicht nur die qualitative Fragen, wie verändern sich die Wälder, sondern auch die quantitative Aspekte: Wie verändert sich die Waldfläche in unserer Zeit? Erstaunlich sei, wie hoch der Waldanteil in Deutschland ist, das ja zu den Industrienationen zu zählen ist. Während weltweit der Anteil des Waldes an der Gesamtfläche dramatisch zurückgeht, ist in Deutschland eher eine Zunahme festzustellen.
Die Bandbreite der Themen des Vortrag reichte von der Diskussion über Pellets oder Hackschnitzel, über Holzheizungen oder Kernkraft bis hin zu dem explosiven Thema des Erreichens des 2-Grad-Ziels.
Schließlich stellte er die Frage, müssen wir etwas für die Wälder tun oder kann der Wald etwas für uns tun? Er führte aus, dass all die Aktionen der Forstleute unter großer Unsicherheit geschehen. Die Szenarien der Entwicklung des Klimas und des Waldes sind theoretische Modelle, deren Determinanten sich ständig verändern.
In der anschließenden regen Diskussion kamen noch viele weitere Themen zur Sprache. Dabei meldeten sich Forstleute, wie auch Gernsbacher, die sich über Klimaschutz und Waldentwicklung Gedanken machen, zu Wort.
Für Bastian Kaiser war diese Veranstaltung ebenfalls ein neuer Weg, sein reiches theoretisches und praktisches Wissen über den Wald weiterzugeben: nicht in der akademischen Hörsaal-Atmosphäre seiner Hochschule oder in abgeschiedenen Referaten vor Fachleuten, sondern im unmittelbaren Kontakt zu Publikum in einer Gastwirtschaft. Doch sein jüngstes Engagement als Kirchengemeinderat der Katholischen Kirche in Rottenburg hat ihm so manche überraschende Begegnungen beschert. Doch ungewöhnlich waren auch seine früheren Begegnungen mit katholischen Kirchenvertretern: So war er mit Gebhard Fürst, dem Bischof der Diözese Rottenburg, bereits in Rumänien unterwegs.
Viele Aspekte der Klimaschutz-Funktion des Waldes konnte Prof. Kaiser in seinem Vortrag nicht ausführen. Weitere Details finden sich in seinem neuen Buch “Bin im Wald! – Mit einem Forstexperten durchs grüne Dickicht”, in der äußerst lebendig auf die verschiedenen Aspekte des Waldes eingeht – bis hin zu der besonderen Beziehung der Deutschen zum Wald.
Das Grußwort von Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg, bringt die Vorzüge dieses Buches auf einen kurzen Nenner: “Mit diesem Buch versteht man die Wälder nun nicht nur besser, sondern richtig, also ganzheitlich. Es ist dabei informativ, kurzweilig, verständlich und außerdem originell mit der Försterbiographie des Autors verwoben.”
Insgesamt gesehen war das Wagnis, an ungewöhnlichem Ort einen Fachmann zum Klimaschutz zu Wort kommen zu lassen, ein gelungener Auftakt für die Klimaschutz-Vorträge der Katholischen Seelsorgeeinheit Gernsbach. Am Dienstag, 12. Juli 2022 gehts weiter. Man darf gespannt sein.
In den Badischen Neuesten Nachrichten vom 26. Juni 2022 berichtete Veronika Gareus-Kugel über diese Veranstaltung.