Beeindruckende Begegnungen in Danzig

Im Oktober 2025 stand mal wieder eine Danzig-Reise an. Ich wagte es mal wieder, mich auf die Spuren  meiner Eltern und Großeltern in deren Geburtsstadt zu begeben. Das letzte Mal war ich 2016 zu Archivrecherchen in Danzig, dann brachte Corona erstmal einen Einschnitt in weitere Reisepläne.

Zuschauerränge im Fußballstadion mit Fanplakat
“Gernsbach grüßt Danzig” war 2012 unser Motto!

Davor waren wir zu zweit 2012 in Danzig, damals zur Fußball-Europameisterschaft. Damals konnten wir sogar eines der Länderspiele in dem neuen Bernsteinstadion erleben! Während der Fußball-Europameisterschaft 2012 erhielt das Stadion die werbefreie Bezeichnung Arena Gdańsk, heute heißt es. Polsat Plus Arena Gdańsk nach einem privaten Fernsehsender. Für mich bleibts das „Bernstein-Stadion“!

Unterwegs in Sachen Familienforschung

Den Auftakt meines Danzig-Besuch bildete ein Ballettabend in der Oper Baltica,  in der Straße Zwycięstwa, früher unter Danziger Langfuhr-Allee bekannt.

Meine Vorhaben bei der Danzig-Reise waren Archivrecherchen in Sachen Familienforschung. Doch schon am ersten Tag wurden diese Anstrengungen auf eine schwere Belastungsprobe gestellt. Bei dem Besuch des Staatsarchivs stand ich vor verschlossenen Türen: „Heute und morgen wird der Lesesaal renoviert“. Also nichts mit Ausleihen von Archivalien geschweige denn weiteren Recherchen.

Ich nahm die angebotene Alternative an und begab mich ins Danziger Standesamt. Nach 90 Minuten anstrengender Anreise stand ich schließlich in dem Amtsgebäude und ging den Spuren meines 1945 verstorbenen Onkels Franz nach. Die Geschichte des Bruders meiner Mutter erzählte sie mir bei unserem ersten gemeinsamen Besuch in Danzig 1983. Viel wusste ich nicht von dem unter dramatischen Umständen in den letzten Kriegstagen verstorbenen 29-Jährigen. Doch dank der Amtsakten fand ich sogar das Todesdatum heraus. Irgendwie befremdlich, dass inmitten des letzten Kriegshandlungen die Standesamts-Eintragungen vollzogen wurden!

Meine Tage in Danzig waren eingebettet in den „Tag der Danziger“. Diese vom Bund der Danziger e.V. ( BdDA) organisierten Treffen beinhaltete nicht nur einen Vortrag und ein Festprogramm, sondern vielmehr auch einen geführten Stadtrundgang durch die Ostseemetropole, eine Fahrt durch das Große Werder sowie ein Besuch des Konzentrationslagers Stutthof. Dabei wurde jeweils betont, dass nicht der Blick in die Vergangenheit im Zentrum des Treffens steht, sondern das Bekräftigen der Versöhnung und den Wunsch nach einem friedlichen Miteinander zwischen den Völkern.

Der Verein der Danziger mit Sitz in Lübeck, der sich hauptsächlich der Heimatpflege und Heimatkunde, insbesondere durch Erhaltung, Pflege und Entwicklung der Danziger Kultur, der Sprache und der Mundarten sowie Vermittlung der Danziger Identität kümmert, hatte zu einem dreitätigen Treffen nach Danzig eingeladen.

„Gegen Danzig ist alles nichts…“

Bereits am Freitag fand ein Abend mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft (TPN) Die neuen Räumlichkeiten und der neu strukturierten Lesestube in der Starowiesjka 15 (Lautentaler Weg) statt.
Höhepunkt des Abends war der Vortrag von Daniela Grenz und Stefan Kutscher „Gegen Danzig ist alles nichts…“. Grenz, die 2. Vorsitzende des BdBA, hat ihre Erfahrungen und ihre Recherchen zur ihrer Danziger Familie in einem Vortrag zusammengefasst. Die Anwesenden bewunderten ihre Zielstrebigkeit bei der Suche nach Details der Familiengeschichte und konnten anhand der historischen Familien- und Danzig-Fotos Parallelen zu der eigenen Familiengeschichte ziehen. Denn viele in der Gruppe hatten Verwandte, die in Danzig seit Generationen beheimatet sind. Doch viele tun sich mit der Aufarbeitung schwer. Zum einen fehlen nachweisbare Details Familiengeschichte, vieles ist nur mündlich und bruchstückhaft überliefert. Daher war es für viele mutmachend, ein Ergebnis von jahrelangen Familienforschung in dieser professionellen Form zu erleben. Dies beflügelte das anschließend gesellige Beisammensein. Das herzliche Willkommen von Jolanta Murawska, Vorsitzende des TPN (Deutsch-Polnische Gesellschaft in Danzig) und ihrer Stellvertreterin Karolina Misztal-Świderska folgte ein reichhaltiges Buffet, das aus eigenen Reihen gestemmt worden. Bereits an diesem ersten Zusammentreffen wurden bestehende Beziehungen gepflegt und neue geknüpft . Die Vertreterinnen und Vertreter der Deutschen Minderheiten aus Danzig, Gdingen, Dirschau und Stolp waren viel gesuchte Gesprächspartner. Für Hannes Mundinger, Kulturdezernent am Deutschen Generalkonsulat Danzig, bot der Abend ein willkommene Begegnung mit zahlreichen Akteure der Danzig-deutschen Freundschaft.

„Aus Erinnerung Zukunft gestalten“

Das zentrale Festprogramm des Tags der Danziger fand am Samstag in der Aula der Musikakademie (AMUZ), einem renommierten Versammlungssaal nahe des Zentrums von Danzig, statt.

Für Marcel Pauls, Vorsitzender des BdDA, betonte bei seiner Begrüßung zum Festprogramm diesen historischen Augenblick, denn Danzig war und ist ein Ort der Bewegung. Er führte aus, dass von hier  jene Kraft der Freiheit und der Erneuerung ausging, die mit der Solidarność-Bewegung den Eisernen Vorhang ins Wanken brachte. Damit wäre nicht nur Polen verändert worden, sondern ganz Europa – und habe vielen der ehemaligen Danzigern die Möglichkeit gegeben, die alte Heimat nicht als Fremde, sondern als Freunde wieder aufzusuchen. Dem BdDA ist es ein Anliegen, aus Erinnerung Zukunft zu gestalten.

Am Schluss seiner Rede zitierte Pauls einen Satz von Tadeusz Mazowiecki (1927-2013), der erste nichtkommunistische Ministerpräsident Polens nach dem Zweiten Weltkrieg: „Versöhnung ist nicht das Vergessen. Sie ist das Erinnern mit Würde.“ Er dankte allen Aktiven, die dieses Treffen möglich gemacht haben und sich für das Programm engagiert haben, allen voran Ulrike Lorinser vom BdDA.

Impulse für Frieden und Verständigung setzen

In seiner Eigenschaft als Beauftragter für Vertriebene, Aussiedler und Spätaussiedler des Landes Nordrhein-Westfalen sprach Heiko Hendriks, ein Grußwort. Er war auch gekommen, um die Bande, die er bereits 2021 als Schirmherr des Tags der Danziger in Düsseldorf geknüpft hatte, weiter zu kräftigen. Außerdem konnte er am Rande der Veranstaltung die letzten Details besprechen, bevor Basil Kerski als Präsident des Hauses der Geschichte Nordrhein-Westfalen nach Düsseldorf wechselt. Kerski gibt nach 14 Jahren die Leitung des Europäischen Solidarność-Zentrums in Danzig auf, das etwa eine Million Besucher pro Jahr zählt. Hendriks betonte in seiner Rede, dass es bei dem Tag der Danziger nicht um eine Verklärung einer rückwärtsgerichteten Erinnerung geht, sondern im Mittelpunkt steht, Impulse für Frieden und Verständigung zu setzen. Für die Deutschen Minderheiten in Polen sprach Jadwiga Goljan, Gdingen, ein Willkommen.

Symbiose von Danzig und Solidarnosc

Professor Stefan Chwin, der dem deutschen Publikum vor allem wegen seiner Romane, die in Danzig angesiedelt sind, bekannt ist, sprach über „Danzig als Hauptstadt der aufbegehrenden Polen: Solidarnosc als Hoffnung für die Menschen in Polen, Berlin und Europa“. Der Vortrag, der auf Vermittlung des Kulturreferats Westpreußen möglich gemacht wurde, nahm die einzelnen Stationen der Freiheitsbewegungen in der DDR 1953, in Posen 1956 und Budapest, sowie Prag 1968 und schloss mit den historischen Ereignissen in Danzig 1970 und 1980. Er ging auf die deutsche Solidarität von Deutschen für Solidarnosc ein. Hilfreich war für den Vortrag, den der Schriftsteller auf polnisch hielt, die Einblendung zahlreicher mit Untertiteln versehenen historischen Fotos.

Die herausragende musikalische Umrahmung des Festprogramms wurde von Daniela Grenz und Stefan Kutscher übernommen. Die beiden verstanden es meisterhaft mit ihren Akkordeons die Festgemeinde mit auf gleichermaßen klassischen wie gefühlvolle musikalische Reise mitzunehmen.

Umfangreiches Rahmenprogramm

Das Rahmenprogramm beinhaltete eine Busfahrt durch das Große Werder, in der Wolfgang Naujocks durch seine neue, alte Heimat führte. Mit viel Detailwissen machte er auf die  lokalen Besonderheiten von Natur und Kultur aufmerksam. Dazu gehörten der Stopp bei einem historischen Vorlaubenhaus sowie einer Windmühle. Besonderes Erlebnis war der Besuch der Holzkirche in Palschau aus dem 16. Jahrhundert. Bei dem Rundgang durch Tiegenhof zeigte Naujocks die Entwicklung der nach dem Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten Kleinstadt zu einer lebenswerten, sich weiterentwickelnden Provinzhauptstadt von Nowy Djor auf.

Eine Stadtführung durch Danzig stand ebenso auf dem Programm. Auch wenn einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Stadt kennen, waren sie doch offen für neue Sichtweisen. Die Stadtführerin verstand es gekonnt, das mehrere hundert Jahre der Geschichte Danzigs, mit den Erinnerungen an ein Danzig um 1939 und der heutigen Situation zu verbinden. 

Trotz des straffen Programms blieb den Teilnehmerinnen und Teilnehmern genügend Zeit des Kennenlernens und des Austausches eigener oder Familienerfahrung des Danzigerlebens

Der Sonntag war dem Gedenken gewidmet. Eine Gruppe fuhr nach Stutthof und dem dortigen ehemaligen Konzentrationslager. Unter der fachkundigen Führung von Wolfgang Naujocks erfuhr die Gruppe nicht nur das Entstehen des Lagers ab 2. September 1939, sondern folgte den Ausführungen, die darlegten unter welchen menschenunwürdigen Bedingungen die Lagerinsassen damals hier leben mussten. Das neugestaltete Besucherführung zeigte, dass hier viel Wert auf Erinnern, aber auch auf Vergeben gelegt wird.

Der Besuch der historischen Kirche in Steegen war der passende Abschluss einer belastenden Nachmittags, dessen Erleben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sicher nicht so schnell vergessen. Mit einem Spaziergang am Strand der Ostsee konnte man sich bei bestem Herbstwetter nochmals den Wind um die Ohren wehen lassen. In den Buden am Strand wurden nicht nur Kaffee und Kuchen angeboten, auch für den herzhaften Appetit wurden Gerichte aus frischem Fisch geboten – bis hin zur Aalsuppe.

Das angenehme Herbstwetter ermöglichte mir nach der Rückkehr nach Danzig noch, auf den Hagelsberg zu gehen. Zuerst versuchte ich auf den Bischofsberg zu kommen, doch irgendwann stand ich vor einer verschlossenen Eisentür. Ein Erreichen des höchsten Punkts war nicht möglich. Umso erfolgreicher war das Besteigen des Hagelsberges. Hinter dem Bahnhof gelegen hat man von dort oben einen herrlichen Rundblick auf Danzig, seinen vielen Türmen und seinen engstehenden Häusern der Altstadt. Doch für mich war nicht dies nicht der einzige Grund, hier hinaufzusteigen. Auch nicht das Nachspüren der im Roman „Der goldene Pelikan“ von Stefan Chwin beschriebenen Plätze. Vielmehr wollte ich dem Grab meines Onkels nachgehen. Er wurde zu Beginn 1945 hier bei „Schießstange“ beerdigt. Die Kriegswirren, die Nachkriegszeit und der Wiederaufbau der völlig zerstörten Stadt Danzig brachten es mit sich, dass viele Friedhöfe nicht mehr existieren. So hat man 2002 am Fuße des Hagelsbergs, gleich hinter dem Bahnhof, den „Friedhof der nicht mehr existierenden Friedhöfen“ angelegt. Dabei handelt es sich um eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die aufgelösten Friedhöfe der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften in Danzig. Ein weiteres aktuelles Zeichen der Versöhnung und Vergebung. Für mich ein wichtiger Ort, um einen weiteren Teil der bislang verschütteten Familiengeschichte vor dem Vergessen zu bewahren.

 

„Do zwidanje“

Für mich waren die Tage in Danzig damit noch nicht beendet. Es stand der verschobene Besuch im Staatsarchiv in Danzig noch an. Und auch dort fand ich wesentliche Bausteine für die Familiengeschichte. Der hilfreiche Archivar verwies mich auch an die umfangreichen Online-Fundstellen. Mittlerweile sind wesentliche Teile des Archivs online zugängig. Allerdings muss man der polnischen Sprache mächtig sein, oder jeweils ein ónline-Übersetzungs-Hilfsmittel zurückgreifen können. Aber das hatte ich ja schon im Standesamt erfahren.

Nach einem anstrengenden Archivstunden gönnte ich mir ein letztes gutes Abendessen im historischen Zentrum von Danzig. Und als musikalischen Ausklang ein Klavierkonzert bei Kerzenschein: Chopin in der Katharinenkirche. Ein schöner Bogen wurde somit mit der Musik geschlagen: von dem klassischen Ballettmusik über excellente Akkordeonklänge wieder zurück zu romantischen Klavierklängen.  

Und der Schlusssatz für die Danzig-Besuche ist noch nicht gesprochen, vielmehr haben sich weitere Besuchsstationen und Anknüpfungspunkte in der Famliengeschichte ergeben. Es ist  eher ein nachdrückliches „Do zwidanje“ an den Schluss des Rückblicks zu setzen.

Regina Meier – Oktober 2025

 

„The Wish“ auf dem Bildhauersymposium in Wisconsin

 Mit einem Willkommensfest wurde Bildhauerin Annegret Kalvelage vor ihrem Kunstraum in Gernsbach überrascht. Die Künstlerin war von dem einwöchigen Bildhauer-Symposium in Wisconsin, USA, zurückgekommen. Auf dem Harry Whitehorse Wood Sculpture Festival hatte sie eine lebensgroße Figur „The Wish“ gefertigt. Freundinnen und Freunde, Nachbarn und Altstadtaktive hatten sich versammelt, um die Künstlerin nach ihrer Rückkehr zu feiern.

Sie konnte viel erzählen von der Arbeit an der Skulptur und dem bereichernden Miteinander der internationalen Künstlertruppe am Lake Monona gelegen. „Mit der Teilnahme auf diesem Symposium wird ein langgehegter Wunsch von mir wahr, gestand die Künstlerin nach ihrer Rückkehr.

Die Bildhauerwoche wurde intensiv durch die sozialen Medien und Zeitungen vor Ort verfolgt. So wurden die einzelnen Künstlerinnen und Künstler jeweils ausführlich vorgestellt. „I’m very proud to be here“, bekannte Annegret Kalvelage bei einem der Interviews. Zahlreiche Videos hielten virtuell den Fortschritt an den Skulpturen fest. Als offensichtlich wurde, dass in dem Baum am Arbeitsplatz von Annegret Kalvelage eine Wanderdrossel nistete, war die Überraschung perfekt. „Es war für mich ein Ausdruck des besonderen “Spirits” an diesem Ort , da ich ja einen Vogel in meiner Skulptur vorgesehen hatte“, erzählte die Künstlerin. Besondere Wertschätzung erfuhr die Künstlerin durch die zahlreichen Besucherinnen und Besucher, die ihr bei der Arbeit über die Schulter schauen konnten. Annegrets Kalvelages fertige Skulptur wird zukünftig im Botanischen Garten von Madison zu bewundern sein.

Dieses Festivals wurde dank zahlreicher Sponsoren von Gene Delcourt zu Ehren des verstorbenen Bildhauers Harry Whitehorse initiiert. Zeit seines Lebens war eine solche Veranstaltung der Traum dieses Holzkünstlers, der dem Stamm der Ho Chunk angehörte. Er wurde in seiner Heimatstadt geschätzt für seine Skulpturen. Seine Motive entstammen häufig aus dem Kulturkreis der Ho Chunk, die in dem Gebiet der Großen Seen daheim sind.

Ich hatte Annegret auf dieser Reise begleitet. „Für mich war das Erleben des Rahmenprogramms der Ho Chunk Festivals ein besonderer Höhepunkt“, fasste Regina Meier ihre Zeit auf dem Festival in Wisconsin zusammen. Ich nutzte die Zeit zu Familienrecherchen und Besuchen von Nachfahren ehemaliger Gernsbacher jüdischen Glaubens, die während der Nazi-Zeit Deutschland verlassen hatten. Bei der eindrucksvollen Eröffnungs- und Schlusszeremonie war ich dabei, sehr eindrucksvolles Kennenlernen der Ho Chunk Kultur.  Auch während der Arbeitswoche bereicherten sie mit ihren traditionellen Kunsthandwerken die Künstler-Aktion.

„Unsere Geschichte ist nicht in Geschichtsbüchern festgeschrieben“, erfährt man von den Vertretern der Ho Chunk Nation über ihre Vergangenheit. Aber sie reicht viele Jahrhunderte zurück in dieser Region.“ Die Überlieferungen in Tänzen, Trommeln und Gesängen wurden bei dem Festival demonstriert, ebenso wie die historischen Gewänder. Dazu gibts Präsentationen traditioneller Handarbeiten. So findet durch dieses Festival die Kultur der Ho Chunk eine neue Aufmerksamkeit – nicht nur durch die Künstlerinnen und Künstler sowie den Gästen, sondern auch durch die Einwohner von Madison, das gerade auf der anderen Seeseite des Festivals-Geländes liegt. Bislang sind die indigene Wurzeln ihrer Gegend nachrangig betrachtet worden. Viele der Hauptstadtbewohner nutzen das Festival als Möglichkeit, den Darbietungen Americans mitzuerleben. Somit hat das Bildhauer-Festival eine weitere kulturverbindende Ausrichtung.

Die Ho Chunk bedankten sich am Ende des Festivals mit einem handgefertigten Umhang bei den Künstlerinnen und Künstlern. Auch für Annegret Kalvelage war die Überreichung der Decke eine besondere Auszeichnung. Daher präsentierte sie diese Handarbeit gerne auf ihrer Willkommensfeier. Sie ist für sie Ausdruck der tiefen Verbundenheit der Ho Chunk zu ihren Wurzeln und der Gemeinschaft während dieser Bildhauer-Woche. Jetzt kann sie erst mal durchschnaufen. Doch die nächsten Termine sind schon fixiert: Am Sonntag, 7. Juli  geht es schon nach Kronach zur “HolzART XXVI“, Ende August ruft das Internationale Bildhauersymposium in St. Blasien.

Regina Meier

 

In den Badischen Neuesten Nachrichten, Ausgabe Murgtal, 11. August 2024, wurde ein Artikel über die Beteiligung von Annegret Kalvelage bei dem Harry Whitehorse Wood Sculpture Festival veröffentlicht.

Draim – Musik im Murgtal

Am Samstag, 25. November 2023 ist es mal wieder soweit. “Draim” ist in Forbach zu hören. Da gehts nicht nur um Träume, sondern um ein Bühnenjubiläum.

Genau vor 25 Jahren entstanden die ersten hörenswerten Geschichten, die Christoph Merkel in seinen Liedern in badischer Mundart besingt. Er komponierte kleine Hörgemälde, die in intensiver Weise verschiedenste Stimmungen lebendig werden lassen. So leise und melancholisch das eine Stück, so lebhaft und kraftvoll klingt das andere.

Besetzung:
Christoph Merkel (Gitarre, Gesang)
Markus Egger (Bass, Gesang)
Tobias Buck (Drums, Percussion)
Stefan Kneissler (Keys)
und Gäste.
Termin: 25.11.23, 18:30 Uhr Saalöffnung, 19:30 Uhr Konzertbeginn
Ort: Sankt Josefshaus, 76596 Forbach
Eintritt: 15 EUR
Kartenbestellung vorab möglich: http://draim.de/kartenbestellung/
Bewirtung: 
Vor und nach der Veranstaltung sowie in der Pause werden Getränke angeboten. Während der Veranstaltung ist keine Getränkeausschank.

Auswanderer 1923 – mit Gernsbacher Wurzeln

Fritz Schorn (rechts) wanderte 1923 nach Amerika aus. Foto: Familienarchiv Schorn

Vor 100 Jahren wagten so manche Deutsche den Sprung über den Atlantik, um in den USA ein neues Leben zu beginnen. Die wirtschaftlichen Nöte und die politischen Instabilitäten lösten so manchen Auswanderungswunsch aus. Einer der dies umsetzte war Fritz Schorn aus Gernsbach, der als Neunzehnjähriger 1923 in das verheißungsvolle Land Amerika ging. Dort begann er ein neues Leben und gründete eine Familie im fernen Westen der USA, in Kalifornien. Dabei behielt er immer den Kontakt zu seiner Familie in Deutschland durch regelmäßige Besuche nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Erinnerungen an seine Kinder und Enkelkinder in Kalifornien weiter. Seine lebendigen Erzählungen hielt die Erinnerung an seine Kindheit und Jugend in seiner Familie lebendig. Und an ein Gernsbach wie es in den fünfziger und sechziger Jahren schon nicht mehr gab.

Fritz Schorn hielt deutsche Traditionen im fernen Kalifornien lebendig. Foto: Familienarchiv Schorn

Neben seinem Haus in San Francisco baute er ein Waldhaus in den Redwood Wäldern nahe der kalifornischen Metropole, da ihn die Landschaft dort so sehr an den Schwarzwald erinnerte. Dort bewahrte er so manches historisches Mitbringsel auf und traf sich mit anderen deutschen Auswanderern zum Binokel-Spielen und Oktoberfesten. Auch seinen Enkeln brachte er von seinen Deutschland-Reisen Dirndl und Lederhosen mit, selbst als diese schon längst nicht mehr zu den zeitgemäßen Kleidung in Deutschland gehörte. Durch seine Erzählungen schuf er die Grundlage in seinen Kindern und Enkelkindern die Verbindung zu der Familie in Deutschland nie abzubrechen – zur Freude aller jenseits und diesseits des großen Teichs.

In der BNN/BT vom 21. September 2023 wird die Auswanderung von Fritz Schorn wie auch seine Verbundenheit zu seinen Gernsbacher Wurzeln aufgegriffen. 

Wolf Biermann. Rastatt – Karlsruhe – Berlin

Im April dieses Jahres hatte der Deutsch-Israelische Freundeskreis gemeinsam mit der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe Wolf Biermann eingeladen. Und das Jubez, das Kulturzentrum am Kronenplatz in Karlsruhe, war bis auf den letzten Platz gefüllt. Gemeinsam mit dem ZEIT-Journalisten Andreas Öhler nahm Wolf Biermann das Publikum mit auf seine Reise durch die deutsche Geschichte der letzten 50 Jahre, immer in Bezug auf seine enge Verbindung zu Israel und seinem Buch „Mensch Gott!“.

Er erzählte von seinem kürzlichen Auftritt in der Elbphilharmonie, in Paris und in Israel. Humorvoll und todernst zugleich, manchmal polternd und mit peitschenden Worten, manchmal einfühlsam und verhalten trug er seine Lieder und seine Gedanken vor. „Die Tränen der Mütter von toten Soldaten sind alle gleich“, war einer seiner Anmerkungen zum Ukraine-Krieg.
Höhepunkt war sicherlich die Aufführung seines neuen Liedes „Späte Ermutigung“. Dafür hatte er für das Publikum eine Kopie seines Textes samt Noten vorbereitet. Begeisterten Applaus gab es bei dem Lied „Lass dich nicht verhärten“, das zu seinen Klassikern gehört. So kennt man Biermann, so hat er Geschichte geschrieben.

Die Stephanus-Buchhandlung erlebte nach der Veranstaltung einen wahren Ansturm auf die Biermann-Bücher. Wolf Biermann hatte alle Hände voll zu tun, den Signierwünschen nachzukommen. Dies machte er viel Geduld und allerlei humorvollen Kommentaren. Vor allem, als ich ihm das Foto von 1999 zeigte, das im LWG Rastatt von der Signierstunde nach seinem Konzert gemacht wurde.

Damals gestaltete er auf Einladung des „Amtes für Schulen, Kultur und Sport der Stadt Rastatt“ im Ludwig Wilhelm Gymnasium einen Liederabend „Süßes Leben – saures Leben“. Damals beschrieb er sein Programm: Diese Lieder haben den Ton, den das Publikum seit Jahrzehnten kennt, aber sie bewegen sich noch mehr als früher in meiner familiären Heimat und zugleich vertrauter in der weltweiten Fremde.“

Im April 1999 waren seine Texte genau so provozierend wie zu der Erstehungszeit in den sechziger Jahren, als er  zum radikalen Kritiker an der Parteidiktatur der DDR wurde. Seine Ausbürgerung 1976, die er nach dem totalen Auftritts- und Publikationsverbot in den sechziger Jahren hinnehmen musste, führte damals zu einer Protestbewegung in Ost und West. Damals musste Wolf Biermann einne neuen Anfang wagen, ungewollt, aber ohne Alternative.

Der Dichter wurde mit allen großen deutschen Literaturpreisen ausgezeichnet. Seine Gedichtbände sind unter den meistverkauften der deutschen Nachkriegsliteratur.

Eine weitere Ehrung wurde ihm in diesem Jahr zuteil. Die Ausstellung im Deutschen Historischen Museum zeigt in der Ausstellung “Wolf Biermann – ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland“ vom 7. Juli 2023 bis 14. Januar 2024.

Wie das Museum ankündigt, thematisiert die Ausstellung Wolf Biermann vor dem Hintergrund der besonderen Stellung, die die Kultur in der DDR einnahm. Sie folgt dem Werdegang des Liedermachers von seiner Übersiedelung in die DDR über erste künstlerische Erfolge bis zum Auftrittsverbot und schließlich seiner Ausbürgerung. Diese stellte ihn vor eine Herausforderung: Wie definierte sich ein Liedermacher neu, der sich bei aller Kritik an der SED-Führung als Kommunist verstand? Als 1989 die Bürgerrechtsbewegung in der DDR erstarkte und die Regierung ins Wanken geriet, blieb Biermann vorerst Zaungast. Eine ausführliche Station ist auch der Familiengeschichte Wolf Biermanns gewidmet: Für Biermann, dessen Vater Dagobert als Jude und Mitglied des kommunistischen Widerstands in Auschwitz ermordet wurde, war dies nicht erst nach seiner Ausweisung aus der DDR zentral.

Anregungen für eine Neuorientierung

Eine Arbeitsgruppe Zukunft Altstadtfest hat in Gernsbach für eine konstruktive Kommunikation gesorgt, Veränderungen für das traditionsreiche Fest zu überlegen. In einer Fragebogen-Aktion und einer Versammlung in der Stadthalle hat die Gruppe für eine lebendige Auseinandersetzung über Entwicklung und Ziele des seit 1975 gefeierten Stadtfestes gesorgt.

Eine zwölfköpfige Gruppe fand sich bereits 2020 zum Thema Altstadtfest zusammen.

2020 wurde die private Arbeitsgruppe Zukunft Altstadtfest unter Federführung von Michael Chemelli gegründet. Gemeinsam haben Frank Hofmann, Olaf Karle, Gabi Kienzle, Jürgen Maisch, Martina Mary, Regina Meier, Dirk Preis, Dominik Sämann, Jonas Sämann, Rudi Seifried und Reimund Sprecher Stärken und Schwächen des Altstadtfestes erarbeitet. Drei Fragebogen-Varianten wurden entwickelt – für die Anwohner, für die Gernsbacher Vereine und für die Gewerbetreibenden der Altstadt. Abgefragt wurde, warum man sich am Altstadtfest beteiligt oder auch nicht. Die Frage nach dem  Rhythmus des bislang jährlichen Festes oder das Feuerwerk waren weitere Punkte auf dem Fragebogen. Doch erst 2022 konnte die Fragebogen-Aktion in die Tat umgesetzt werden, die Corona-Beschränkungen hatten den Austausch gebremst. Ende Juli 2022 wurden die Ergebnisse der Umfrage in der Stadthalle präsentiert.

Auf Initiative der Gruppe Zukunft Altstadtfest kamen zahlreiche Besucherinnen und Besucher in die Stadthalle. Foto: Olaf Karle

Schon in der Einführung von Michael Chemelli war herauszuhören, dass der Gruppe die Zukunft des Altstadtfestes am Herzen liegt. Die Begrüßung der zahlreichen Teilnehmer erfolgte durch Bürgermeister Julian Christ. Er begrüßt die Initiative der Ehrenamtlichen, sich für eine Weiterentwicklung des städtischen Zusammenlebens einzusetzen und wünschte der Versammlung fruchtbare Gespräche.

Die Gruppe hatte sich eigens Polo-Shirts für den Abend bedrucken lassen. Foto: Regina Meier

Gefördert wurden die Bestrebungen, sich über die Zukunft des Altstadtfestes Gedanken zu machen, durch die positiven Signale, die von der gelungenen 800-Jahr-Feier im Jahr 2019 ausgegangen waren. Da wurden viele kreativen Ideen umgesetzt, die ganze Stadt war eingebunden in das Jubiläumsfest. Auch die Denkmalnacht im September 2019 rückte die historischen Bauwerke ins rechte Licht, und zahlreiche Kunstschaffende beteiligten sich mit einem umfassenden Rahmenprogramm und zogen zahlreiche Besucher in die Altstadt. Bei beiden Anlässen waren die Besucher von der Kulisse der Altstadt, von der gelungenen Willkommenskultur und dem Einfallsreichtum der Bürgerinnen und Bürger begeistert.

In der Präsentation in der Stadthalle standen die Ergebnisse der Umfragen im Mittelpunkt. Foto: Regina Meier

Bei der Präsentation der Fragebogen-Ergebnisse in der Stadthalle zeigte sich, wie sich die Anzahl und die Zusammensetzung der Teilnehmer des Altstadtfestes in den vergangenen 47 Jahren verändert hat. Es ist ein deutlicher Abwärtstrend bei den beteiligten Aktiven aus Gernsbach zu erkennen. 1982 entfielen von den 100 teilnehmenden Gruppen etwa die Hälfte auf Gernsbacher Vereine und ein Viertel auf Gernsbacher Gewerbetreibende, außerdem konnten zahlreiche private Gruppen gezählt werden. 14 Gewölbekeller waren bewirtschaftet. 2018 waren 58 Gruppen beim Altstadtfest beteiligt, nur noch ein historischen Gewölbekeller öffnete seine Tore. Zwischenzeitlich haben sich die Vereinslandschaft und auch die gesellschaftlichen Strukturen gewandelt. Umso wichtiger ist es, auf diese Veränderungen einzugehen und Weiterentwicklungen anzustoßen.

In den Fragebogen-Rückmeldungen gab es auch verschiedene Anregungen, wie Besitzer von historischen Kellern wieder animiert werden können, diese für das Altstadtfest zu öffnen. Auch wenn die Keller zu einem Alleinstellungsmerkmale des Altstadtfestes gehören, so ist es nicht abzuschätzen, wie dies unter den geänderten Sicherheits-Anforderungen möglich sei. An dem Abend kamen auch die Schattenseiten des Altstadtfestes zur Sprache: Müll, Sperrstunden (dem einen zu früh, dem anderen zu spät), Randalierer, Verkehr, Parkplätze.

An runden Tischen wurde über neue Ideen für das Altstadtfest diskutiert. Foto: Regina Meier

Nach der umfassenden Präsentation der Ergebnisse der Fragebogen-Aktion gings im zweiten Teil des Abends an runden Tischen im Foyer in die Diskussion. Der Gruppe hatte verschiedene Schwerpunktthemen gebildet, von Themen rund um die Sicherheit bis hin zum kulturellen Angebot. Eine rege Diskussion konnte an den einzelnen Tischen vermeldet werden, zahlreiche Anregungen wurden notiert.

Vielleicht würden Mitmachaktionen in großer Vielfalt anregend wirken, vielleicht auch ein Kunsthandwerker-Areal? Vielleicht helfen zentrale Bühnen, um die sich kleine Einheiten mit Bewirtung scharen? Oder ist ein Helferpool hilfreich für interessierte Gruppen? Denn nur noch wenige Vereine schaffen es, ein dreitägiges Fest mit einer großen Mannschaft zu stemmen. Doch wenn es bei einer Beteiligung am Altstadtfest nur darum geht, die Vereinskasse zu füllen, werden die Beweggründe der Teilnahme, seinen Verein zu präsentieren, um Mitglieder zu werben oder die Vorzüge der Altstadt deutlich zu machen, in den Hintergrund gedrängt.

Logo gestaltet von Yasmin Westermann, einer glühenden Anhängerin des Altstadtfestes.

Die Ergebnisse der Fragebogen-Aktion und des Diskussionsabends in der Stadthalle werden bis Ende September zusammengefasst und an die Stadtverwaltung weitergereicht. Damit wird ein Stimmungsbild wie auch Anregungen und Meinungen der Akteure wie der Anwohner zusammengefasst. Was davon für die nächsten Altstadtfeste aufgegriffen wird, entscheidet sich danach. Wichtig ist auf jeden Fall, diesen Schwung, den diese Initiative ausgelöst hat, aufzugreifen und für eine Weiterentwicklung des Altstadtfestes umzusetzen. Die Arbeitsgruppe strebt an, Brücken zu bauen für Vereine und Gruppen, sich wieder bei einem Altstadtfest zu engagieren. Denn nur mit dem Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist ein bewegendes Fest zu stemmen. Damit es auch 2025, wenn 50 Jahre Altstadtfest gefeiert werden können, es zu einem unvergesslichen Erlebnis für alle Besucher und Mitwirkende wird.

Der Artikel zu dem Thema erschien im Gernsbacher Bote 3/2022, Seite 16

 

 

Neue Wege – Klimaschutz im christlichen Weltbild

Vollbesetzte Reihen im Brüderlin in Gernsbach

Neue Wege beschritt die Katholische Seelsorgeeinheit Gernsbach, als sie zu dem ersten Vortrag in der Reihe “Klimaschutz” einlud. Der Ort der Begegnung war nämlich nicht in einer der kirchenzugehörigen Versammlungsräume, sondern in dem öffentlichen Restaurant “Brüderlin” im Herzen der Altstadt von Gernsbach. Ungewöhnlich war auch der Referent, nicht aus den Reihen der Theologen, sondern aus der Waldwirtschaft. Prof. Dr.Dr.h.c. Bastian Kaiser, Rektor der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg referierte über das Thema “Unser Wald – Opfer oder Retter in der Klimakrise”.

Fabian Groß, Pastoralrefernt der Katholischen Seelsorgeeinheit Gernsbach, dankt dem Referenten Professor Bastian Kaiser für den fesselnden Vortrag.

Die Initiative zu dieser Veranstaltung ging bereits im vergangenen Jahr von Pastoralreferent Fabian Groß, Gernsbach, aus. Er fand im Pfarrgemeinderat Mitstreiterinnen, die sich für das Thema Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung einsetzen möchten. Unmittelbar aus dem christlichen Menschenbild lässt sich die Aufgabe zu Klimaschutz und Umweltschutz ableiten. Daher sieht diese Arbeitsgruppe es als wichtig an, sich zu diesen Themen zu Wort zu melden. 

Professor Kaiser stieg bei seinem Vortrag gleich in die Funktionen des Waldes ein und belegte seine Aussagen nicht nur wissenschaftlich, mit Daten und Fakten, sondern zeigte anhand anschaulicher Beispiele die Situation des Waldes zwischen Ökologie und Ökonomie.

Können die Wälder etwas dem Klimawandel entgegensetzen? Wie können wir die Funktionen des Waldes stärken?

Dabei ging er auch auf die Historie des Klimawandels und des Waldes ein: der Rückblick auf die Schlagzeilen zum Waldsterben und dem sauren Regen in den achtziger Jahren. Er führte aus, wie sich der Wald, wie wir ihn heute in Deutschland erleben, entwickelt hat und verwies auf längst vergessene Details wie die Eichenpflanzerin, die jahrzehntelang die 50-Pfennig-Münze zierte und die Leistung der Saatgutpflanzerinnen in der Nachkriegszeit ehrte.

Er behandelte nicht nur die qualitative Fragen, wie verändern sich die Wälder, sondern auch die quantitative Aspekte: Wie verändert sich die Waldfläche in unserer Zeit? Erstaunlich sei, wie hoch der Waldanteil in Deutschland ist, das ja zu den Industrienationen zu zählen ist. Während weltweit der Anteil des Waldes an der Gesamtfläche dramatisch zurückgeht, ist in Deutschland eher eine Zunahme festzustellen.

Die Bandbreite der Themen des Vortrag reichte von der Diskussion über Pellets oder Hackschnitzel, über Holzheizungen oder Kernkraft bis hin zu dem explosiven Thema des Erreichens des 2-Grad-Ziels.

Schließlich stellte er die Frage, müssen wir etwas für die Wälder tun oder kann der Wald etwas für uns tun? Er führte aus, dass all die Aktionen der Forstleute unter großer Unsicherheit geschehen. Die Szenarien der Entwicklung des Klimas und des Waldes sind theoretische Modelle, deren Determinanten sich ständig verändern.

Professor Bastian Kaiser ließ auch in der anschließenden Diskussion keine Frage unbeantwortet.

In der anschließenden regen Diskussion kamen noch viele weitere Themen zur Sprache. Dabei meldeten sich Forstleute, wie auch Gernsbacher, die sich über Klimaschutz und Waldentwicklung Gedanken machen, zu Wort.

Für Bastian Kaiser war diese Veranstaltung ebenfalls ein neuer Weg, sein reiches theoretisches und praktisches Wissen über den Wald weiterzugeben: nicht in der akademischen Hörsaal-Atmosphäre seiner Hochschule oder in abgeschiedenen Referaten vor Fachleuten, sondern im unmittelbaren Kontakt zu Publikum in einer Gastwirtschaft. Doch sein jüngstes Engagement als Kirchengemeinderat der Katholischen Kirche in Rottenburg hat ihm so manche überraschende Begegnungen beschert. Doch ungewöhnlich waren auch seine früheren Begegnungen mit katholischen Kirchenvertretern: So war er mit Gebhard Fürst, dem Bischof der Diözese Rottenburg, bereits in Rumänien unterwegs.

Viele Aspekte der Klimaschutz-Funktion des Waldes konnte Prof. Kaiser in seinem Vortrag nicht ausführen. Weitere Details finden sich in seinem neuen Buch “Bin im Wald! – Mit einem Forstexperten durchs grüne Dickicht”, in der äußerst lebendig auf die verschiedenen Aspekte des Waldes eingeht – bis hin zu der besonderen Beziehung der Deutschen zum Wald.

Das Grußwort von Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg, bringt die Vorzüge dieses Buches auf einen kurzen Nenner: “Mit diesem Buch versteht man die Wälder nun nicht nur besser, sondern richtig, also ganzheitlich. Es ist dabei informativ, kurzweilig, verständlich und außerdem originell mit der Försterbiographie des Autors verwoben.”

Insgesamt gesehen war das Wagnis, an ungewöhnlichem Ort einen Fachmann zum Klimaschutz zu Wort kommen zu lassen, ein gelungener Auftakt für die Klimaschutz-Vorträge der Katholischen Seelsorgeeinheit Gernsbach. Am Dienstag, 12. Juli 2022 gehts weiter. Man darf gespannt sein.

In den Badischen Neuesten Nachrichten vom 26. Juni 2022 berichtete Veronika Gareus-Kugel über diese Veranstaltung.

Papierkunst überwindet Grenzen

Wenn ein Künstler Objekte für eine Ausstellung vorbereitet, ist dies immer ein Wagnis. So war auch Hermann Künert aufgeregt, als seine Objekte für die international besetzte Ausstellung zur Papierkunst in  Deggendorf ausgewählt wurden.  Wir hätten uns gefreut, bei der Vernissage von  Papier Global  dabei sein zu können. Doch die Corona-Regelungen ließen nur eine begrenzte Personenanzahl zu. So beschränkten sich die Organisatoren auf die Künstler und Presse. (Letztlich zeigte sich, dass wir just an diesem Tag im Ausland weilten.) Wir haben es bedauert, aber bei 69 Künstler aus aller Welt mit Freunden und Familie hätte das tatsächlich sämtliche Rahmen gesprengt. Umso mehr haben wir uns gefreut, jetzt endlich diese Ausstellung ansehen zu können. 
Wir haben das gleichzeitig verbunden mit erholsamen Tagen in Deggendorf im Bayrischen Wald. Dazu haben wir die Langlauf-Ski eingepackt, die Landschaft und auch die heimische Küche genossen.

Doch der Besuch der Papierkunst-Ausstellung war eindeutig der Höhepunkt dieser Bayern-Fahrt. So viele Ideen, so viel handwerkliches Können, so viele kreative Umsetzungen – was alles aus dem Werkstoff Papier geschaffen werden kann! 

Angefangen von dem Werkstoff – handgeschöpftes Papier, Wellpappe, Zeitungspapiere. Staubsaugerbeutel, Fotos, Puzzle-Teile (ich kann gar nicht alle Materialien aufzählen, geschweige denn einen Überblick über die Verarbeitungen dieser Papiere geben – gewachst, gerollt, gezupft, geklebt, geschnitten…) Die Beschreibungen könnten weitergeführt werden. Ein Fazit bei dieser Ausstellung hat sich schnell ziehen lassen: man muss sie selbst gesehen haben. 

Selbstverständlich haben wir als erstes die Werke von Hermann aufgesucht. Sie waren gleich zentral im Eingangsbereich platziert. Und dank des Hinweises von Hermann, dass man zwischendrin die Beleuchtung der Vitrine abschalten soll, hatten wir ein spannendes Erleben dieser Papyrographien.

Hier in Deggendorf stellt er weitere Arbeiten aus der Serie K’sReisen aus. Ferne Orte werden mit gerupften, mehrlagigen Papieren zu Leben erweckt. Landschaften und Stadt-Silhouetten lassen sich deutlich erkennen. Dazu passend immer ein treffende Literaturstelle, von Hand geschrieben.  So findet sich bei der Stadtansicht Dresden ein Text von Canaletto, anno 1747: “Bin heute in Dresden angekommen, stehe staunend am Ufer der Elbe mit Blick auf das eindrucksvolle Panorama dieser Stadt.” Ja, staunend standen auch wir vor diesem Werk.

Bei den weiteren Kunstwerken, die in dieser Ausstellung versammelt sind, weiß man gar nicht, mit welchem man anfangen soll, es vorzustellen.

Sicherlich fällt einem das größte Objekt der Austellung sofort ins Auge. “Der gebeutelte Mann” von Uli Schmid. Erst auf den zweiten Blick realisiert man, dass die sitzende Figur aus lauter Staubsaugerbeuteln besteht! Wie aus der Beschreibung der Ausstellungsaufbau hervorgeht, musste der Künstler die einzelnen Teile des Werkes getrennt anliefern, zu voluminös und zu diffizil waren die Bestandteile. Der Eindruck ist überwältigend.

Das gilt auch für das unverwechselbare Stück von Sabine Naumann-Cleve. Sie hat sich mit “Memento”, eine Arbeit aus alten schwarz-weißen Familienfotos, 2018 und 2019. Das im Raum schwebende Kunstwerk nimmt einen gefangen, beim genauen Betrachten des Gebildes erkennt man, dass die papiernen Fünfecke aus Streifen aus alten Schwarzweiß-Fotografien bestehen, die an den jeweiligen Kanten aneinandergeklebt wurden.

Wie die Künstlerin auf ihrer Webseite beschreibt , umkreisen ihre Arbeiten “hauptsächlich Themengebiete rund um Konsum und Wirtschaftswachstum und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Natur mit ihren artenreiche Ökosystemen, deren Zerstörung den gesamten Planeten in Gefahr bringen”. Da hätte ich mir noch mehr Zeit gewünscht, dies Werk zu betrachten.

Die Lichtinstallation von Alexander Stern, hat als Hintergrund lauter Zeitungspapierknäuel. Sicher ist für diesen Künstler die Ausstellung in der bayrischen Stadt etwas ganz Besonderes, ist er doch gebürtiger Deggendorfer. Aus seinem Werk “Nööö” springt einem das Licht sofort entgegen, wenn man den Ausstellungsraum betritt.

Die Ausstellung beschränkte sich nicht nur auf das Stadtmuseum, sie wurde in den Räumlichkeiten des Handwerksmuseums fortgesetzt. Dort waren wir gefesselt von dem Objekt von Helene Tschacher. Über ihre Arbeit bei der Auswahl der Kunstwerke hinaus, ihrer Organisation von Kongressen und Symposien sowie Herausgabe von Büchern, Katalogen und Veröffentlichungen zum Thema Papier in internationalen Zeitschriften und Foren, trägt sie ebenfalls ein Werk zu dieser Ausstellung bei. Aus ihrem ureigensten Metier hat sie das Werk “Ich liege im Streit mit meinen Gedanken”, Bildbände geschnitten, verformt, montiert. Ungewohnte Sicht auf ein altbekanntes Buchteil.

Und wer nach all dem Betrachten der Kunstwerke auch noch etwas mit nach Hause nehmen wollte, kam auch auf seine Kosten. Da gabs jede Menge attrativer Geschenke, bis hin zu interessanten Broschen und Colliers aus Papier.

Zum Schluss des Besuchs konnten wir ein klares Fazit ziehen: das Wagnis hat sich für die Künstler gelohnt. Und keine Frage, für uns auch.

 

Mehr über die Ausstellung mit Hermann Künerts Arbeiten im “Schwarzwälder Boten” vom 7. Oktober 2021

 

Zwei Schritte vor – einer zurück

Im White House Canyon im Santa Cruz County hat sich in diesem Jahr viel getan. Die letztjährigen verheerenden Feuer haben Häuser zerstört, Existenzen vernichtet, fürchterliche Einschnitte in Natur und Landschaft verursacht. Doch vieles konnte in diesem Jahr wieder erreicht werden. Die Baumfällaktionen kamen ein gutes Stück voran.  Sogar Wein konnte wieder geerntet werden, und Apfelsaft wurde eingekocht. Allerdings gab es herbe Einschnitte. Einer davon war Anfang November mit den starken Niederschlägen: die Erde, die mit der ganzen Asche der Waldbrände belegt ist, hat die plötzlichen starken Niederschläge nicht aufnehmen können. Aus Rinnsalen wurden plötzlich Bäche, aus Bäche formten sich Wassermassen, die die gerade frisch angelegten Wege und Straßen mit sich rissen.

Neue Herausforderungen! Umso mehr ist der Lichtblick, dass Julia mit ihrem Mann Steven tatkräftig an der Wiederherstellung der Infrastruktur arbeiten. Und Unterstützung von vielen Seiten hat!

Gernsbacher Osterweg 2021

Derzeit, bestimmt durch die Corona-Pandemie, ist es nicht leicht, Ostern zu feiern. Und doch gibt Ostern Hoffnung, hoffen wir auf den Sieg über das Virus, auf neue Gemeinschaft nach der Krise.
So wurden auch neue Formen gesucht, wie man Ostern feiern kann. Warum nicht mal mit einem Spaziergang? In guter ökumenischer Verbundenheit wurde daher in Gernsbach ein Weg von der St. Jakobskirche zu der Liebfrauenkirche gewählt. Als Begleitung kann eine Broschüre dienen, die das Gemeindeteam Gernsbach der Katholischen Seelsorgeeinheit Gernsbach kurz vor Ostern geschaffen hat.
Idee: Irene Schneid-Horn – Realisierung: Gemeindeteam Liebfrauen Gernsbach – Herstellung der Broschüre: Pfarrbüro Katholische Seelsorgeeinheit Gernsbach
Texte: Susanne Floss, Regina Meier, Irene Schneid-Horn, Achim Schwelle

Ein Bericht dazu fand sich im Badischen Tagblatt unter “Kunstwerke, Gedanken und Gebete“.

Der Gernsbacher Osterweg

Ungebrochener Aufbauwille

Bewundernswert und außergewöhnlich: der ungebrochene Aufbauwille der White House Canyon Bewohner ist unglaublich.
So wie aus den verbrannten und angekohlten Redwoods wieder zarte, grünen Sprösslinge wachsen, lassen sich auch die Bewohner nicht unterkriegen.
Nach den verheerenden Bränden im August südlich von San Francisco durften die betroffenen Anwohner im Herbst noch nicht zu ihren Häusern und Anwesen zurückkehren. Zu groß war die Gefahr durch weiter schwelende Brände, umfallende Bäume, abrutschende Straßen. Erst im Oktober begannen die Aufräumarbeiten.
Eine eindrucksvolle Reportage über den Brand im Bereich Ano Nuevo – Wadell – White House Canyon gibt dieser Film.

Dann folgte der nächste Schock: Die Straße in den White House Canyon droht abzurutschen! Doch auch die Reparatur geht nicht so einfach. Zum einen kann man als einzelner Farmer alleine keine Rohre unter die Straße verlegen. So fanden sich Ende Oktober ein paar Freunde zu einem Arbeitseinsatz zusammen. Maschinen und schweres Gerät wurden organisiert, Fachleute zusammengetrommelt. Und dann war es ein voller Tag harter Arbeit Am Ende des Tages, an dem bis in die Nacht hinein gearbeitet und drei Rohre unter die Straße verlegt wurden, waren alle nicht nur erschöpft, sondern von tiefer Dankbarkeit erfüllt, solche Freunde zu haben..
Mitte Oktober fand der Aufruf von Julia über Facebook: „Looking for someone with 48 inch chainsaw“, umgehende Antworten. Naja, wer hat denn grad mal eine Kettensäge mit einem 1,20 m-Blatt daheim? Und doch gabs von allen Seiten Nachbarschaftshilfe. Tatkräftige Unterstützung kam, und die Baumfällarbeiten konnten angepackt werden.
Aber dann gibt es immer wieder Rückschläge, wie der LKW, der im Graben landete. Mitte Januar rutschte ein LKW beim Abtransport von Asche und Trümmer an einer tückischen Teil der Straße ab. Ein Glück kam der Fahrer mit einem blauen Auge davon, aber die Straße war erstmal für einen Tag nicht mehr passierbar.
Die Bewohner versuchen weiter Normalität in ihr Leben zu bringen. Ein kleiner Ausdruck davon ist der Bücherbus. Er versorgt die Bewohner wieder mit Lesestoff, so gibt es eine Alternative zum Fernsehen (abgesehen davon hat nicht jeder wieder stabilen Stromanschluss): das gute, alte gedruckte Buch.
Und auch Hilfsaktionen aus der Region geben den Opfern, die alles verloren haben, neuen Auftrieb. Die Crowd-Funding-Aktion für den Wiederaufbau der Straße und der Infrastrukur ist nach wie vor aktiv. Neben dem Notwendigsten gibt es auch Initiativen, wie z.B. der. bei denen Frauen Quilts für die Geschädigten nähen. Oder die Aktion der CZU fire relief White House Canyon: T-Shirts und Pullover für einen guten Zweck. White House Canyon strong! Und vieles mehr.

Let’s stay in a yurt

Einen neuen Anfang wagen
Wie reagiert man, wenn plötzlich alles weg ist: Haus, Hof, Erinnerungen in Räumen, Bilder, Möbel. Die Vorstellung ist schmerzhaft.
Das Großfeuer, von dem Mitte August 2020 Teile Kaliforniens heimgesucht wurden, betrifft auch die Region Santa Cruz. Ausgelöst durch Blitzeinschläge breitete es sich aufgrund der großen Trockenheit rasant aus. In dem Landstrich, in dem auch unsere Freunde wohnen, standen fast 200 Quadratkilometer unter Feuer, auch die Ansiedlungen im Bereich Pescadero mussten evakuiert werden. Darunter der White House Canyon. Die CZU Lightning Complex Fires (benannt nach der Region San Mateo-Santa Cruz Unit) konnten tagelang nicht unter Kontrolle gebracht werden – trotz immensen Einsatzes der Feuerwehr. Vier Tage später waren in der Region 163 Wohnhäuser und andere Gebäude abgebrannt. Und dann die traurige Nachricht, als unsere Freunde wieder zu ihren Häusern in White House Canyon fahren konnten: alles zerstört!
Der Schock sitzt tief.
Man ist man erst mal froh, dass Leib und Leben, Hund, Pferd, Ziegen, Kühe, Katzen, alles, was auf der Farm lebendig war, sich retten konnte. Doch alle Besitztümer sind zerstört: dort, wo einst das Haus stand, mit allem was dazugehört, von der Küche bis zur Wohncouch, vom Schlafzimmer bis zum Bücherregal – ist eine undefinierbare Masse von Metall, Asche und bizarren Formen. Alles wurde ein Opfer der Flammen. Unwiederbringlich: die große Kiste mit den alten Fotos, die nun nie in ein Fotoalbum eingeklebt werden können. So viele Erinnerungen. Der Küchentisch, an dem so viele Gäste saßen, die Terrasse, auf der so viele Feste gefeiert wurden. Die Gedanken gehen wirr durcheinander. Was tun? Wie weiterleben?
Da ist es verständlich, dass eine der ersten Reaktionen von Christine war: „I never want to have belongings again. Let’s stay in a yurt.“
Es drückt allerdings auch aus, dass ein Neu-Anfang gewagt wird. Wann, das ist nicht klar. Wie, weiß keiner. Aber dass er unternommen wird, schwingt schon in der kurzen Aussage mit. Nur Mut! Es werden viele dabei helfen. Freunde, Nachbarn, Familie. Und bis es soweit ist, werden sie in Zelten und Mobile Homes nächtigen – und zusammensitzen: wie in einer Jurte.


Die Feuerwehr dort hat eine unglaubliche Leistung vollbracht. Nur dadurch war es möglich, dass dem Feuer Einhalt geboten werden konnte.

Eine Spendenaktion wurde ins Leben gerufen. Danke!

Clean slate
Es gibt Wörter, deren Bedeutung ich nie lernen wollte. Bis vor kurzen kannte ich die Übersetzung von „clean slate“ auch nicht. Doch als Christine uns in einer der kurzen Nachrichten nach dem verheerenden Brand in White House Canyon, dem ihr gesamtes Haus zum Opfer fiel, mitteilte: „Clean slate!“, musste ich mich damit beschäftigen.
So schrecklich die Nachrichten über die Verwüstungen durch den Flächenbrand waren, so hoffnungsvoll stimmten diese zwei Worte. Denn ich will diese Übersetzung nicht so verstehen, einen reinen Tisch zu machen, einen Schlussstrich zu ziehen. Sondern vielmehr: einen Neuanfang machen. Und so kommen die Meldungen aus dem fernen Kalifornien auch über den großen Teich. Neu beginnen: „Farmaggedon will rise again“.

Kunst trifft Handel

Aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Krise wagen Künstler neue Präsentationen
Gernsbacher Künstler zeigen ihre Werke in den Fenstern der Stadt

Beteiligt sind die Künstlerinnen und Künstler
Mario Grau (Malerei) – Annegret Kalvelage (Bildhauerei) – Arturo Laime (Malerei) – Krystyna Lubanski (Aquarelle) – Maria Mantis (Fotografie) – Heiner Strackharn (Lichtkunst)

Im August 2020 stellen sie ihre Werke in den Schaufenstern von Handel, Handwerk und Freiberufler Gernsbachs aus. Insgesamt an 19 Plätzen kann man die Kunst entdecken. Einfallsreich wurden die Kunstwerke in den jeweiligen Schaufenstern präsentiert. So wurde beim Sport Fischer das Gemälde eines Schwimmers über Taucherbrillen und Schnorchel präsentiert oder beim Friseur Löwenthal die Büste „Geborgenheit“, ein Frauenkopf mit einer auffälligen Frisur, platziert. Bei der Schatzinsel findet man ein Gemälde mit Schmuckmotiven, beim Café Felix Aquarelle zu Teesorten und in den Fenstern der Eisdiele Rizzardini Ölgemälde von Gletschern. Die Werke können anhand eines Plans in dem Flyer „Open Air Kunstausstellung“ erwandert werden.

Die Corona-Krise machte so manchen Plan einer Ausstellung zunichte, Vernissagen in herkömmlichen Weise können nicht mehr durchgeführt werden. Da ist die Idee, öffentlich zugängliche Schaufenster als Ausstellungsraum zu nutzen, eine einfallsreiche Alternative.

Die Aktion ist eine Gemeinschaftsaktion der Künstler und des Gewerbevereins. So eröffneten Arturo Laime, der die Künstler um sich versammelt hat, und Sabine Katz in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Gewerbevereins die Ausstellung. Der Eröffnungs-Rundgang der Kunstausstellung, der bei den heißen Sommertemperaturen stattfand, wurde durch das Erzählen der Geschichten durch die Künstler zum kurzweiligen Erlebnis und ließ die Schweißperlen beim Erklimmen des Stadtbuckels vergessen. „Auch zu diesem Bild gibt es eine Geschichte“, konnte man bei dem Rundgang mit den Künstlern so manches Mal hören. Und es folgte eine persönliche Episode der Künstlerin oder des Künstlers, manchmal darüber, wo die Fotografie entstanden oder an welchem ungewöhnlichen Ort das Gemälde schon ausgestellt war, bis hin wie das Objekt zu seinem Titel kam.
Wenn man nun mit Hilfe des Flyers die Ausstellungstätten erkundet, hilft, dass die Eisdiele, andere Einkehrmöglichkeiten und das Schwimmbad am Weg liegen. So kann man in seinem eigenen Rhythmus auf Entdeckungsreise gehen. Für die nächsten drei Wochenenden haben sich die Künstler noch ein Rahmenprogramm ausgedacht und begleiten die Open Air Ausstellung.

Mehr über die Open Air Kunst in Gernsbach

Zukunft wagen

Mit einem inspirierenden Vortrag über Zukunftschancen für Zukunftsgestalter beteiligte sich Univ.Prof. Marion Weissenberger-Eibl an den Baden-Badener Sommerdialogen 2020.
Dabei ging sie auf die wesentlichen Fragen der Zukunftsgestalter ein, wie wollen wir zukünftig leben?

Mit Mut in die Zukunft

In der Vorstellung der Referentin durch Petra Heuber-Sänger, Kulturbüro Stadt Baden-Baden, wurde deutlich, mit welchem Hintergrund Marion Weissenberger-Eibl sich zu dem Thema Zukunft zu Wort meldet. Sie hat seit 2007 die Leitung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI inne und seit 1/2013 den Lehrstuhl für Innovations- und TechnologieManagement am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Liste ihrer Tätigkeit in Gremien, u.a. Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Mitglied des Wirtschaftsausschusses sowie des Expertenkreises „Wirtschaft und Innovation“ des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, haben sie zu einer der Top-100-Frauen der deutschen Wirtschaft gemacht.

Das Thema Zukunft beherrscht die Wissenschaftlerin schon seit langem. Bei ihrem Überblick über Zukunftsbilder führte sie Beispiele aus der Vergangenheit an und ging auf das Risiko ein, aus Wissenschafts-Sicht einen Blick in die Zukunft wagen zu wollen.
So ist von dem Wissenschaftler Albert Einstein der Satz überliefert: „Es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass Atomenergie jemals nutzbar sein wird.“ Aber auch die Erkenntnisse des Orakels von Delphi, die aus antiken Zeiten zur Vorhersage von zukünftigen Ereignissen diente, taugen nicht für die Gegenwart. Ein anderes Beispiel bietet Leonardo da Vinci: er hat bereits zu Ende des 15. Jahrhunderts Zeichnungen von Maschinen gefertigt, die erst in unserem Zeitalter realisiert wurden, wie seine Flugapparate oder seine Addiermaschine. Doch die rasante technische Entwicklung wurde von keinem Wissenschaftler in der Vergangenheit vorhergesagt. Unsere derzeitigen Rahmenbedingung machen Vorhersagen für die Zukunft noch schwerer.

Die Referentin führt in ihrem Vortrag aus, wie die Corona-Krise trotz aller negativen Auswirkungen einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt und langfristige Chancen mit sich bringt. Die Digitalisierung hat in der Corona-Krise einen weiteren Schub erlebt. Auch wurden innerhalb kürzester Zeit beispielsweise innovative Lösungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen entwickelt, beispielsweise in Bezug auf Nachbarschaftshilfen. Dies ergänzt Marion Weissenberger-Eibl um praktische Ausführungen: “Das Fahrrad ist der große Gewinner der Corona-Krise.”
Sie setzt darauf, dass Wirtschaft und Gesellschaft kraftvolle Zukunftsbilder entwerfen. Zukunftsbilder gehören nicht ins Museum, sondern auf die Straße, unter die Leute. Sie fordert mehr Experimentierräume: Reallabors, in denen die Erfahrungen kreativer Menschen weitergegeben werden können und untermauert dies mit einem Beispiel aus der Praxis, wie dem „Quartier Zukunft“ in Karlsruhe.

Vielleicht lässt sich daraus analog zum Orakel von Delphi eine Perspektive für die Zukunft ableiten: „Erkenne dich selbst.“, Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen und an einem positiven Zukunftsbild weiterzuarbeiten.

Margret Mergen, Oberbürgermeisterin Baden-Baden, dankte in den Schlussworten der Universitätsprofessorin für ihre aufrüttelnden Worte.